Interprofessionelle Zusammenarbeit in der Geriatrie

Prim. Dr. Katharina Pils, Präsidentin der ­Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie, im Gespräch anlässlich des Forums für Geriatrie und Gerontologie.

Warum ist interprofessionelle Zusammenarbeit in der Geriatrie so wichtig?

Wir sind wahrscheinlich mehr als so manche andere Disziplin darauf angewiesen, denn es gibt wenige Patienten, die nur medizinische oder pflegerische Versorgung brauchen. Das geht ja meist bis hin zur Sozialarbeit oder Hauskrankenpflege. Wenn wir langfristig gute Ergebnisse erzielen wollen, dann müssen hier andere, nicht-medizinische Professionen wie Architektur, Technologieentwicklung oder Marketing und Werbung auch einbezogen werden.

Wer muss dazu den ersten Schritt setzen?

Es gibt schon Clusterentwicklungen, wo diese Zusammenarbeit funktioniert. Das muss man aber sicher noch weiter fördern. Wir brauchen dazu dringend Forschungsgelder auf der Ebene der Projektentwicklung, nicht erst der Umsetzung. Es ist wichtig, dass wir lernen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, um die vielfältigen Herausforderungen überhaupt besser wahrzunehmen.

Welche Rolle spielt in Ihrem Fach die Beteiligung der Patienten?

Wir müssen endlich lernen, zwischen der dritten und vierten Lebensphase zu unterscheiden. In der dritten Phase sind Menschen nicht mehr beruflich aktiv, aber überwiegend autonom und selbstbestimmt im Alltag. Diese Gruppe wollen wir intensiver für Ehrenämter ansprechen, denn sie wissen genau, was die Zielgruppe braucht. In dieser Lebensphase ist Gesundheitsförderung und Vorsorge für die vierte Lebensphase sehr wichtig. In diesem Abschnitt sind Patienten dann meist fragil, multimorbid sowie betreuungs- und pflegeabhängig. Da ist die Partizipation schon ein schwieriges Thema. Dann muss man wieder unterscheiden, ob sie geistig und körperlich fit sind oder nur geistig bzw. nur körperlich eingeschränkt. Wo wir derzeit besonders gefordert sind, ist bei jenen Menschen, die körperlich aktiv, aber geistig fragil sind. Da haben wir außer freiheitsbeschränkenden Maßnahmen noch wenig befriedigende Konzepte.

Was sind neben den „Klassikern“ neue Themen, die Ihr Fach in Zukunft beschäftigen?

Unveränderte Klassiker sind sicher Inkontinenz, Osteoporose, Demenz, Polypharmazie oder Artherosklerose. Doch auch hier gibt es innovative Entwicklungen, etwa wenn bei Demenz die Diagnose früher einsetzt, können wir die Menschen früher einer erfolgreichen Therapie zuführen. Dazu braucht es mehr Kooperation zwischen Neurologen, Internisten oder Psychiatern und mehr gemeinsame Grundlagenforschung. Auch die Abgrenzung zwischen Delir und Demenz ist eine wichtige Forschungsaufgabe.
Innovative Themen sind etwa die Vermeidung von Spitalseinweisungen und die Gesundheitsförderung im Alter. Auch die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Praktikern und die Betreuung zu Hause erfordern neue, innovative Diskussionen. Neu am Kongress ist auch die Präsentation einer Hochaltrigkeitsstudie, die Einblick in das Leben der Generation 90+ gibt. Und schließlich beschäftigt uns der Themenkreis des Ambient Assisted Living. Wir träumen zwar alle vom Pflegeroboter, aber ich denke, gerade die „Freidenkergeneration“ der 68er-Generation hat schon ein Problem damit, wenn zwar zu Hause gepflegt wird, aber überall Überwachungs- und Steuermöglichkeiten angebracht sind. Auch die Frage, wo hier die Pflegelogik bleibt, ist dringend zu stellen und wird am Kongress diskutiert.

Wenn der Kongress vorbei ist, was muss passiert sein, damit es für Sie ein Erfolg war?

Wenn es uns wirklich gelungen ist, einen interdisziplinären, aber auch multiprofessionellen Dialog zu unterstützen und neue Projekte anzustoßen. Wenn es uns gelingt, zu kommunizieren, dass positiv Altern auch ein Stück Eigenverantwortung, aber auch gesellschaftliche Verantwortung ist.

 

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Forum für Geriatrie und Gerontologie

Unmet needs: „Eine interprofessionelle Herausforderung“
Kongresszentrum Bad Hofgastein
13. – 16. März 2014