Im Schlaraffenland der Gesundheitsversorgung

Eine jüngst veröffentlichte Umfrage von OEKONSULT zeigt neuerlich, dass Herr und Frau Österreicher die derzeitige medizinische Primärversorgung und das Hausärztesystem durchaus positiv bewerten. Doch Patienten sind heute eindeutig selbstbewusster und dialogorientierter geworden und wünschen sich ein wenig mehr Zuwendung, Aufmerksamkeit und verständliche Kommunikation – ein Wunsch, der sich nicht auf den niedergelassenen Bereich beschränkt, sondern auch für die Versorgung in den Spitälern zutrifft. Ein weit weniger gutes Zeugnis erhält Österreich hingegen im EU-Vergleich. Hier stehen wir vor einer „roten Ampel“, was so viel heißt wie: „Dringender Handlungsbedarf“ ist angesagt – und das vor allem in der Politik. Wenn daher Bundesminister Alois Stöger in seiner Eröffnungsrede zur Bundesgesundheitskonferenz „Primärversorgung in Österreich“ zu einer gemeinsamen Anstrengung aller Teilnehmer aufruft, um den veränderten Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden, ist er wohl am Puls der Zeit. Doch als gelernter Österreicher weiß man, dass hier noch viel Wasser die Donau hinabfließen wird, bis die unterschiedlichen (Gesundheits-)Berufsgruppen und erst recht die Bundes- und Länderinteressenvertretungen an einem Strang ziehen werden. Und nicht zuletzt steht noch das Wertesystem der Medizin im ethischen Spannungsfeld zu jenem der Ökonomie, das mehr und mehr Einzug in die Gesundheitslandschaft hält. Genau in diesem Zusammenhang stellt Dr. Hans Jörg Schelling vom Hauptverband die wohl provokante Frage nach dem Nutzen einer Reformbemühung. Unbeantwortet bleibt diese freilich nicht, man müsse „ergebnisoffen“ an die Sache herangehen und eine Vertrauensbasis für die Patienten schaffen, eine deutliche Änderung in der Ausbildung vornehmen, einen Denk-Durchbruch für vernetzte Strukturen erreichen sowie einen Blick auf die Gesundheit, nicht nur auf die Krankheit werfen. Im Mittelpunkt steht jedenfalls der Patient, das steht fest – und zwar im Bundeszielsteuerungsvertrag. Dass es dazu derzeit noch keine unterschriebenen Landeszielsteuerungsverträge gibt, steht wiederum auf einem anderen Blatt.
Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der österreichischen Patientenanwälte, weist in seiner Analyse der Primärversorgung darauf hin, dass vernünftige Ideen von Reformen nicht immer zum Erfolg führen müssen. Entweder Österreich bleibt bei seinem traditionellen, ärztezentrierten Hausarztmodell oder aber es entscheidet sich für eine umfassende multiprofessionelle Primärversorgung. Aus diesem Dilemma wird wohl erst ein Ausweg gefunden werden, wenn die Schnittstellen zwischen intra- und extramuraler Versorgung abgeklärt sind. Dass es hier jedenfalls noch einzige Zeit dauern wird, kann auch Sektionschef Dr. Martin Auer bekräftigen, der zwar von einem optimistischen Start für die Umsetzung der Zielsteuerungsverträge per 2015 ausgeht, aber immerhin zu „Freiheit des Denkens, ohne an Umsetzungszwänge zu denken“ aufruft und – erfrischend offen – die Verbesserung der Versorgungsqualität bei gleichzeitiger Ausgabendämpfung als „Quadratur des Kreises“ erkennt.

Ihr

Philipp Lindinger