Interventionelle Schlaganfalltherapie

Jährlich erleiden rund 25.000 Österreicher einen Schlaganfall. Gemeinsam mit dem Herzinfarkt zählt er somit zu den häufigsten Todesursachen. Die meisten Patienten erholen sich dank der enorm verbesserten Therapiemöglichkeiten wieder, aber zwei Drittel bleiben dennoch mäßig bis stark beeinträchtigt. Dies verursacht hohe Folgekosten, die in Europa ca. 26 Milliarden Euro pro Jahr ausmachen. „Als Risikofaktoren gelten Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin, Übergewicht und das Rauchen. Männer haben grundsätzlich ein höheres Schlaganfallrisiko als Frauen und auch mit steigendem Alter kommt es zu einem deutlichen Anstieg des Risikos. In 85 Prozent der Fälle wird der Schlaganfall durch ein verstopftes Gehirngefäß verursacht“, erklärt Prof. Dr. Hannes Deutschmann, Abteilungsleiter der klinischen Abteilung für Neuroradiologie, vaskuläre und interventionelle Radiologie an der Universitätsklinik für Radiologie der Medizinischen Universität Graz.

Vier Fragen entscheiden

Thromben stammen meist aus dem Herzen oder lösen sich von Ablagerungen an einer verengten Halsschlagader, von wo aus sie mit dem Blutstrom ins Gehirn verschleppt werden. Die Blutgerinnsel führen dann im Gehirn zu einer Minderversorgung mit Sauerstoff und in Folge zum Absterben des betreffenden Hirnareales. Pro Stunde gehen so ca. 120 Millionen Gehirnzellen zugrunde. Die rasche Wiederherstellung der Sauerstoffversorgung des Gehirns durch Auflösung oder Entfernung des Gerinnsels ist dabei von größter Wichtigkeit und führt zu einer deutlich verbesserten Lebensqualität und geringeren Sterblichkeit der Patienten.
Prim. Dr. Johannes Trenkler, Vorstand am Institut für Neuro­radiologie des Kepler Universitätsklinikums Linz, nennt vor allem vier Fragen, die gestellt werden müssen und die für das Überleben des Patienten und möglichst geringe Folgeschäden unabdingbar sind: „Liegt eine Hirnblutung vor? Besteht ein akuter Gefäßverschluss, der behandelt werden könnte? Ist bereits ein Hirninfarkt – also nicht mehr zu rettendes Gewebe – sichtbar? Ist noch zu rettendes Hirngewebe vorhanden?” Mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) können diese Fragen in kurzer Zeit beantwortet werden. Die Untersuchungsdauer beläuft sich auf maximal 20 Minuten, wobei jenes Verfahren eingesetzt werden sollte, das am schnellsten verfügbar ist.

Fortschritte bei Behandlung

Die Behandlung von Schlaganfällen ändert sich zurzeit deutlich. Interventionelle Neuroradiologen setzen hochspezialisierte Verfahren bei minimalinvasiven Eingriffen therapeutisch ein und entwickeln diese laufend weiter. „Seit der Publikation von fünf randomisierten multizentrisch kontrollierten Studien im ersten Halbjahr 2015 besteht höchste Evidenz, dass die angiografische Katheter-geführte mechanische Thrombektomie die Standardtherapie für diese schwer betroffenen Schlaganfallpatienten darstellt“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Elke R. Gizewski, Geschäftsführende Direktorin der Abteilung für Radiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck.
Wichtige Faktoren sind vor allem die Größe des Blutgerinnsels und der Ort des Gefäßverschlusses, um zu entscheiden, ob das Gerinnsel noch mittels eines über die Vene verabreichten Medikaments auflösbar ist oder ob nur ein Eingriff auf dem Gefäßweg mit mechanischer Entfernung des Thrombus noch helfen kann. Blutgerinnsel, die länger als acht Millimeter sind, lassen sich medikamentös nicht mehr auflösen. In diesen Fällen ist es notwendig, mithilfe spezieller maschendrahtartiger Körbchen den Thrombus aus dem Gefäß zu ziehen.

 

© Ass. Prof. PD Dr. Florian Wolf,Medizinische Universität Wien

 

Elf Zentren mit hoher Expertise

Mittels Thrombektomie werden Wiedereröffnungsraten des verstopften Gefäßes von 70 bis 90 Prozent erreicht und die Wahrscheinlichkeit, den Schlaganfall nur mit minimalen neurologischen Ausfällen zu überleben, ist gegenüber der medikamentösen Auflösung des Blutgerinnsels um mehr als das Doppelte erhöht. Dieser technisch anspruchsvolle Eingriff wird in Österreich in spezialisierten interventionellen Zentren überwiegend von Radiologen durchgeführt, wobei die meisten Zentren auf eine schon langjährige Expertise in der Behandlung von anderen Hirngefäßerkrankungen mittels Kathetertechnik zurückgreifen können.
Derzeit gibt es elf Zentren, in denen die interventionelle Schlaganfalltherapie routinemäßig durchgeführt werden kann. Neben einer entsprechenden Geräteausstattung, bedarf es eines interdisziplinären Teams aus Neurologen, interventionell tätigen Radiologen bzw. Neuroradiologen, Anästhesisten oder Intensivmedizinern und Neurochirurgen für die optimale und rasche Behandlung dieser schwer betroffenen Schlaganfallpatienten. Diese Zentren müssen in der Lage sein, die interventionelle Schlaganfalltherapie sieben Tage die Woche rund um die Uhr durchführen zu können; das bedeutet mindestens fünf Radiologen bzw. Neuroradiologen mit Expertise in der Durchführung der mechanischen Thrombektomie pro Zentrum.
Österreichische neurologische und radiologische Fachgesellschaften haben sich in einer gemeinsamen Stellungnahme den internationalen Richtlinien zur Durchführung der mechanischen Thrombektomie beim Schlaganfall angeschlossen und empfehlen, ausgewählte Schlaganfallpatienten nach diesen Kriterien zu behandeln. Sie wollen gemeinsam mit Gesundheitsbehörden und -anbietern die interventionellen Zentren strukturell und qualitativ weiterentwickeln, um die Schlaganfallpatienten besser versorgen zu können.n

 

Kopf-Hals-Tumore: OP verhindern?

Etwa fünf Prozent aller Krebserkrankungen treten in der Schleimhaut von Mundhöhle, Rachen oder Kehlkopf auf. „Diese Kopf-Hals-Tumore bilden häufig Metastasen in den Lymphknoten im Halsbereich“, erläutert Professor Dr. Matthias Schmidt von der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Köln. In diesem Fall gehört die chirurgische Entfernung aller Lymphknoten einschließlich der umgebenden Weichteile am Hals zur Behandlung. Diese Neck-Dissection kann durch Nervenverletzungen zu Komplikationen führen und auch dauerhafte kosmetische Einschränkungen im Halsbereich können verursacht werden.
Seit Längerem ist bekannt, dass viele Patienten gar keine Neck-Dissection benötigen. Denn Bestrahlungen und Chemotherapie, die zur Krebsbehandlung gehören, können auch die Metastasen in den Lymphdrüsen zerstören. Es war jedoch lange Zeit nicht möglich, diesen Behandlungserfolg ohne die Entfernung der Lymphknoten mit anschließender feingeweblicher Untersuchung durch den Pathologen nachzuweisen, wie eine britische Studie, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, zeigt.