Glauben reicht nicht…

Die Finanzierung des Gesundheitssystems ist für unsere Gesellschaft eine große Herausforderung. “Gewinne privatisieren und Verluste vergesellschaften kann nicht das Ziel sein”, betont Wehsely. Damit in Wien auch in Zukunft sichergestellt ist, dass die Gesundheitsversorgung zur Weltspitze zählt, geht sie einen anderen Weg: “Wir belassen die Gemeindespitäler in bewährter Weise im Eigentum der Stadt Wien und modernisieren sie.” Konkret heißt das: Bis zum Jahr 2030 sollen die medizinischen Angebote in Wien in sieben zentralen Spitalsorganisationen gebündelt werden – das Krankenhaus Hietzing, das Kaiser-Franz-Josef-Spital, das gemeinsam geführte Wilhelminenspital und das Otto-Wagner- Spital, die Rudolfstiftung, das Krankenhaus Nord sowie das Donauspital und das AKH Wien. Das Konzept ist nach Ansicht der Gesundheitsstadträtin nur ein erster Schritt.
“Die Herausforderungen für Wien sind nicht anders als auch im restlichen Österreich oder in anderen europäischen Ländern. Dort haben sich manche Themen aber schon längst erledigt”, weiß Wehsely und erklärt: “In Deutschland hat sich seit 1996 die Zahl der privatisierten Krankenhäuser verdoppelt und im selben Ausmaß ist jene der öffentlichen Spitäler zurückgegangen. Eine medizinische Versorgung muss aber für alle Bevölkerungsschichten leistbar sein und das ist nun einmal am besten in einem öffentlichen System sichergestellt.”

Veränderungen müssen stattfinden

Um diese Versorgung in Wien auch in Hinkunft gewährleisten zu können, muss sich die Stadtpolitik einer Reihe von Herausforderungen stellen. Neben der demografischen Entwicklung sind die Kosten ein vorrangiges Thema: “Wir haben im Wiener Krankenanstaltenverbund seit dem Jahr 2004 jährliche Kostensteigerungen von 5,7%. Auf der anderen Seite wächst das BIP mit 2%. Daher ist es notwendig die Strukturen so zu verändern, dass die Schere nicht weiter auseinandergeht.”
Wien kämpft zudem mit einem spezifischen Problem: der Bausubstanz. Im Schnitt sind die Spitäler rund 80 Jahre alt, fünf Häuser sogar älter als 100 Jahre. Damit sind die Instandhaltungskosten – vergleichbar mit modernen Neubauten – um ein Vielfaches höher. “Wir müssen den Mut haben, hier einmal einen Anfang zu setzen, denn Zuwarten bringt nichts. Der Zeitpunkt ist vermutlich nie der richtige”, ist Wehsely überzeugt. Ihr Credo lautet daher: Mehr Qualität durch weniger Häuser, denn: “Ob man gut behandelt wird oder nicht, hängt gerade in einer Großstadt nicht davon ab, wie nahe man zum Spitalseingang wohnt.” Das beste Beispiel dafür ist die Herzinfarktversorgung in Wien. Hier konnte durch die Einführung von täglich wechselnden Schwerpunktspitälern die Mortalität von 18% auf 7% gesenkt werden.

Unwirtschaftlich = unethisch

Mit dem Ziel, dass alle Leistungen aufrecht und auch alle Mitarbeiter erhalten bleiben sollen, wird die Einsparung von rund 28 Millionen Euro im Wesentlichen durch eine Umstrukturierung der Aufgaben und die Einsparung bei den Betriebskosten zu realisieren sein. Das Geld soll in den Umbau der Häuser fließen, wie etwa in den Ausbau des Kaiser-Franz-Josef-Spitals, wo ein Wirtschaftshof errichtet und in einem Neubau das Prayersche Kinderspital integriert wird. Bis zum Jahr 2030 sollen das Krankenhaus Hietzing und das Wilhelminenspital anstelle der Pavillionstruktur einen Zentralbau erhalten. Neben den baulichen Maßnahmen schließt Wehsely auch die gesamte personelle Krankenhausführung in ihre Visionen ein: “Der KAV wurde 2002 als Unternehmen der Stadt Wien teilausgegliedert. Ob diese Struktur sinnvoll ist, ein 32.000 Mitarbeiter- Unternehmen mit einer 3 Milliarden-Bilanzsumme zu führen, muss noch genau hinterfragt werden.” Nicht einfacher macht es der Umstand, dass der wirtschaftlichen Betrachtung von Gesundheitsagenden noch immer ein negatives Image anhaftet: “Kostenkontrolle ist nicht immer mit der Führungskultur vereinbar. Das muss es aber werden, denn unwirtschaftliches Arbeiten ist auch unethisch, denn es ist schließlich das Geld der Steuerzahler, das hier verbraucht wird”, betont die Gesundheitsstadträtin und ergänzt: “Mehr Kostenkontrolle heißt nicht weniger oder mehr Qualität. Wirtschaftliches Denken und qualitätsvolles Arbeiten sind Fragen der Unternehmenskultur und hier Veränderungen in den Köpfen vieler Mitarbeiter herbeizuführen wird mehr als nur eine Legislaturperiode brauchen.” Schließlich fordert Wehsely auch mehr Transparenz und weniger Lobbying im Gesundheitswesen: “Gerade in dieser Branche basieren viele Entscheidungen auf dem ‚Glauben‘ – von Daten, Fakten, Entwicklungen oder auf Mundpropaganda. Ich möchte aber nicht nur glauben, wie Dinge sind, sondern ich will es genau wissen.” Aus diesem Grund fordert sie die Transparenz von Leistung und Qualität und hat bereits heuer im KAV mit der Erhebung von relevanten Benchmarks begonnen.

Systemübergreifende Lösungen

Ein Punkt, den der Wiener KAV allein nicht lösen können wird, ist die Frage nach der Versorgungswirksamkeit des niedergelassenen Bereichs. “Wir wissen, dass an Wochenenden oder Feiertagen rund 80% der Patienten, die in die Ambulanzen der Wiener Spitäler kommen, diese nicht wirklich benötigen würden. Das kann man ihnen aber nur bedingt vorwerfen, denn wohin sollten sie sonst gehen, wenn sie Beschwerden haben?” Wehsely hofft auch hier auf eine befriedigende Lösung für alle Beteiligten und betont – nicht nur in diesem Zusammenhang -, wie wichtig eine systemübergreifende Planung und Organisation im Gesundheitswesen ist. Die ersten hoffnungsvollen Schritte in die richtige Richtung ortete die Gesundheitspolitikerin auf der letzten Gesundheitsländerkonferenz. Hier wurde einstimmig festgestellt, dass die Rahmenbedingungen für die Gesundheitspolitik künftig stärker auf Bundesebene vorzugeben sind und die Länder gemeinsam mit der Sozialversicherung sowohl die Spitalsplanung als auch den niedergelassenen Bereich in Angriff nehmen wollen. “Wenn gemeinsam geplant, gesteuert und finanziert wird, bin ich überzeugt, dass auch Standards definiert werden können, welche Leistungen im niedergelassenen Bereich und welche im Spital zu erfolgen haben. Mit einem klaren Plan werden wir auch in Zukunft stolz auf unser Gesundheitssystem sein können”, so Wehsely abschließend.