PDMS – Datengrab oder digitaler Entscheidungsassistent?

Fragen wie diese lassen sich mithilfe eines PDMS fundierter beantworten, indem es dem Prinzip folgt: Verbessert werden kann nur, was steuerbar ist, und steuerbar ist nur, was wir kennen und was wir messen können.
Nehmen wir das Beispiel Personalsteuerung: Der Personalaufwand beträgt im Schnitt 75 Prozent des Jahresaufwands einer Klinik. Eine effiziente Personalsteuerung implementiert damit ein erhebliches Einsparpotenzial. Auf der Grundlage objektiver, vollständig erfasster und strukturiert ausgewerteter Personaldaten können die vorhandenen Ressourcen besser eingesetzt werden. So können Personalmix und Arbeitszeiten optimiert oder auch flexibilisiert werden, indem etwa die jeweiligen Ressourcen an den tatsächlichen Aufwand angepasst werden.

 

 

PDMS und Patientensicherheit

Letztendlich gehe es bei der Implementierung von PDMS aber nicht ausschließlich um wirtschaftliche Überlegungen, führte Keynote Speaker Univ.-Doz. Dr. Alex Blaicher, Geschäftsführer der Malteser in Sachsen, aus, sondern aus medizinischer Perspektive vor allem um die Frage: „Wie erleichtern wir die tägliche Arbeit in der Klinik, um mehr Zeit für den Patienten zu haben?“
Dem Thema Patientensicherheit sollte laut Blaicher bei der Überlegung über die Anschaffung eines PDMS also zumindest ein ebenso großer Stellenwert eingeräumt werden wie der Wirtschaftlichkeit.
Bei zahlreichen Risiken in der stationären Versorgung, etwa dem Informationsverlust bei Dienstübergaben, einer falschen Verabreichung von Arzneimitteln, der Fehlbedienung von Medizinprodukten oder dem Entlassungsmanagement, kann PDMS merkbare Verbesserungen bringen, stimmte Dr. Ronny Beer, Neurologische Intensivstation Uni-Klinik für Neurologie an der MedUni Innsbruck, Blaicher zu. So könne PDMS etwa klinische Visiten strukturieren, Wechselwirkungen automatisieren und allen Beteiligten zugänglich machen, vor komplexen Zusammenhängen warnen und das Infektionscontrolling unterstützen. Außerdem kann es die Disziplin in der Einhaltung von Therapie- und Pflegeleitlinien erhöhen, meinte Beer, der sich selbst als „PDMS-Befürworter der ersten Stunde, ärztlicher Key User mit vollem Enthusiasmus, gleichzeitig aber auch konstruktiver Kritiker gegenüber dem System“ bezeichnete.
Eine unmittelbare Arbeitsentlastung in der täglichen Patientenführung, wie das in der Pflege durchaus der Fall ist, sieht Beer für die Klinikärzte nicht, der Dokumentationsaufwand werde eher leicht erhöht als gesenkt. Im Gegenzug bekämen die Ärzte dafür aber eine „wesentlich exaktere, nachvollziehbare und übersichtlichere Dokumentation“, was wiederum die Fehleranfälligkeit verringern würde.

 

 

Optimal- statt Maximalversion

Laut Beer braucht es für die erfolgreiche Integration eines PDMS einen „klaren Umsetzungsauftrag, die Benennung eines interprofessionellen PDMS-Kernteams, eine umfassende Vorbereitung der Umstellungsphase sowie ein ausreichendes Change-Management“. Unbedingt notwendig sei auch die Anpassung standardisierter Systeme an die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse. Nicht die technische Maximalversion sollte das Ziel sein, sondern die individualisierte Optimalversion für ein klar definiertes Anforderungsprofil.
An der Innsbrucker UniKlinik für Neurologie wurde übrigens eine Data-Warehouse-Lösung realisiert, deren Funktionalität über die klassische Datenbank weit hinausgeht. W. H. Inmon, der sogenannte „Father of the Data Warehouse“, hatte sein Konzept bereits 1996 wie folgt definiert: „Eine themenorientierte, integrierte, chronologisierte und persistente Sammlung von Daten, die zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen analysierbar gemacht werden.“ Das entspricht weitgehend dem Anspruch eines modernen PDMS, das Daten nicht als Selbstzweck im Sinne einer Dokumentation sammelt, sondern diese gleichzeitig als Fundament für evidenzbasierte Prozessentwicklungen nützt.

PDMS & Datenschutz

Eine Fragestellung, die im Zusammenhang mit PDMS immer wieder kritisch aufgeworfen wird, ist die des Datenschutzes. Dieser sei selbstverständlich wichtig, erläutert Blaicher, zu viel Datenschutz könne aber auch „zum Problem für die Patientensicherheit werden. Da müssen wir einen goldenen Mittelweg finden.“ Er hätte jedenfalls noch keinen Patienten erlebt, der sich über mangelnden Datenschutz beschwert hätte.
Das sieht im Übrigen auch der Sprecher der österreichischen Patientenanwälte so. „Datenschutz spielt bei Patienten nicht diese große Rolle, die ihm gewisse Lobbying-Organisationen medienwirksam zuschreiben“, sagt Dr. Gerald Bachinger in der abschließenden Diskussion. Big Data sei ohnehin längst Realität. Die Frage sei nur, ob man sich dem Thema aktiv stellt oder „lieber den Kopf in den Sand steckt“, wie das halt in Österreich so üblich sei. Den oft verlangten absoluten Datenschutz gebe es nur dort, wo es keine Daten gibt. Ihm sei jedenfalls „der gläserne Patient lieber als der tote Patient.“