Prozessorientierte ­Beschaffung

„Öffentliche Ausschreibeverfahren sind für uns grundsätzlich nichts Schlechtes, weil sie auch dem Anbieter im Falle eines Vertragsabschlusses – vor allem bei langfristigen Partnerschaften – ein Höchstmaß an Sicherheit bringen und damit Geschäfte planbarer machen“, sagt Georg Votava, MBA, Prokurist bei Lohmann & Rauscher und AUSTROMED-Vorstandsmitglied. Die Drohung „Wir machen eine Ausschreibung“ ginge somit ins Leere, weil es für die Industrie keinen Grund gibt, sich davor zu fürchten, ist Votava überzeugt.Allerdings wird von den Ausschreibenden häufig der notwendige Aufwand für die Vorbereitung und Ausarbeitung eines Angebots unterschätzt, oft beschränkt sich die Ausschreibung zudem auf ein einzelnes Produkt, anstatt den gesamten Therapieprozess mit einzubeziehen. „Es wird nur ein Puzzlestein eines vollständigen Bildes betrachtet“, formuliert es Votava. Das entspräche aber vielerorts nicht mehr den Gegebenheiten und Möglichkeiten der modernen Medizintechnik-Industrie und auch nicht den tatsächlichen Bedürfnissen des Kunden. Die Industrie bietet verstärkt Komplettlösungen an, die begleitend zum eigentlichen Medizinprodukt noch eine Reihe von Leistungen umfassen, Inhouse-Logistiklösungen zum Beispiel, ein geeignetes Informationsmanagement oder auch spezielle Schulungen für das Krankenhauspersonal. Die Kliniken selbst wiederum organisieren sich ebenfalls immer mehr in Richtung optimierter Prozesse.
Aus diesen Gründen würden prozessorientierte Ausschreibungen zukünftig stark an Bedeutung gewinnen, ist Votava überzeugt und erkennt auch durchaus schon einen gewissen Trend in diese Richtung: „Im Bereich der Sozialversicherung geschieht dies zum Teil schon und mittelfristig werden auch Krankenhäuser die Potenziale nutzen, die dadurch entstehen. Eine prozess-orientierte Ausschreibung würde nicht nur die Systeme ins­gesamt besser vergleichbar machen, sondern auch die Gesamtkosten realistischer abbilden und zudem größere Hebel für Kosteneinsparungen bringen.

Ausschreibungen gemeinsam definieren

Prozessorientierte Ausschreibungsverfahren bedingen allerdings komplexe Ausschreibungstexte, die wiederum viel spezifisches Wissen voraussetzen. Daher strebt die Industrie partnerschaftliche Modelle schon im Vorfeld einer Ausschreibung an, wo die Anbieter einerseits ihre Potenziale darstellen und die Kunden andererseits ihre Anforderungen und Wünsche kommunizieren.Auch bezüglich der bei Auswahlverfahren angewandten Testmethoden strebt die Industrie eine engere Zusammenarbeit mit den Ausschreibenden an, um langfristig objektive Testparameter zu entwickeln. Je größer die Transparenz bei Entscheidungen ist, desto kleiner wird die Zahl der Einsprüche, die letztendlich beiden Seiten viel Geld kosten. Derzeit werden etwa allein in Wien 50 Prozent der Ausschreibungen erfolgreich beeinsprucht. „Intransparenz hat immer einen schalen Beigeschmack“, sagt Votava. „Unser Vorschlag lautet daher, gemeinsam mit den Kunden adäquate Testparameter zu entwickeln, um Produkttests besser evaluieren und damit objektivieren zu können.“ Wünschenswert wäre aus Sicht der Industrie auch mehr Rückmeldung über die Gründe der Entscheidungen auch im Falle einer Ausschreibungsniederlage. Das würde ihr ermöglichen, die Produkte und Leistungen besser an die Kundenbedürfnisse anzupassen und weiterzuentwickeln.

Regelmäßiger Dialog

Auf Initiative der Industrie soll im kommenden Herbst ein regelmäßiger Dialog zwischen Anbietern und Ausschreibenden in Gang gesetzt werden, der beiden Seiten abseits von konkreten Beschaffungsprozessen die Möglichkeit gibt, sich auszutauschen, neue Entwicklungen zu diskutieren, voneinander zu lernen und mehr über die jeweiligen Bedürfnisse und Probleme zu erfahren. Die Initiative wurde sehr positiv angenommen.