SERIE: Fragen aus der Praxis Teil 3 | Nadelstichverordnung im Praxistest

Welche Folgen hat dieses Verhalten für den Turnusarzt?

Der Turnusarzt selbst kann belangt werden, wenn er trotz Aufklärung und nachweislicher schriftlicher Aufforderung durch den Arbeitgeber oder das Arbeitsinspektorat gegen die Anforderungen des ASchG oder die dazu erlassenen Verordnungen verstößt. Der Turnusarzt macht sich strafbar, wenn er entgegen der Unterweisung und den Anweisungen des Arbeitgebers Arbeitsmittel nicht ordnungsgemäß benutzt und dadurch eine Gefahr für andere Arbeitnehmer herbeiführt.
Der Turnusarzt hat erklärt, dass ihm diese Vorgehensweise als gängige Vorgehensweise mitgeteilt wurde. Da der Arzt in Ausbildung den Anweisungen bzw. Einschulungen seiner Vorgesetzten grundsätzlich vertrauen darf, ist fraglich, ob er Kenntnis davon haben muss, dass diese Vorgehensweise unzulässig ist. Von einem dienst- bzw. berufsrechtlichen Verstoß kann daher nur dann ausgegangen werden, wenn der Turnusarzt nachweislich geschult wurde, dass eine solche Vorgehensweise unzulässig ist.

Welche Folgen hat es für den Krankenanstaltenträger?

Der Krankenanstaltenträger muss in dieser Situation darauf vorbereitet sein, beweisen zu können, dass der richtige Umgang geschult wurde bzw. die Information an die Mitarbeiter weitergegeben wurde – beides muss in schriftlicher Form vorliegen.

Wie ist der Punkt der fehlenden sicheren Entsorgung zu beurteilen?

Auf Grundlage von § 4 Abs 2 Z 3 NastV ist es wichtig, dass der Anwender eines Sicherheitsproduktes dieses nach dessen Verwendung unmittelbar in die dafür vorgesehenen gelben, durchstichsicheren Abwurfboxen entsorgt. Hinsichtlich der Entsorgungspflicht liegt ein Verstoß des Arbeitgebers nur dann vor, wenn der Arbeitgeber organisatorisches Verschulden hat bzw. die notwendigen Vorkehrungen nicht getroffen hat, wie beispielsweise das Aufstellen von Behältern zur Entsorgung der Nadeln, bzw. auch seiner Informationspflicht nicht nachgekommen ist.

Für den Fall, dass sich jemand an der Nadel verletzt: Welche Folgen hat das?

Wenn ein Dienstnehmer durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit geschädigt wird, so haftet der Dienstgeber für Körperschäden, jedoch nur bei Vorsatz. Die gesetzliche Unfallversicherung ist für die Unfallheilbehandlung, Rehabilitationen von Versehrten und für die Entschädigung nach Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zuständig. Wenn ein Dienstnehmer durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit geschädigt wird, so haftet der Dienstgeber für Körperschäden, die vorsätzlich zugefügt wurden. Kann der Verursacher nicht ermittelt werden, sind ein Schadenersatzanspruch und somit auch ein Schmerzengeldanspruch ausgeschlossen, allerdings kommt die gesetzliche Unfallversicherung für die Schäden auf.

Liegt durch den Sachverhalt ein Verstoß des MPG vor?

Nein, denn laut §70 Abs 1 MPG kommt ein fehlerfreies Medizinprodukt zum Einsatz, das erst später fehlerhaft wird. Dieser Fehler ist kein Systemfehler, sondern von einer dritten Person verursacht. Hier gilt es, in den weiteren Schritten zu klären, ob der Turnusarzt hier auf Anweisung eines Ausbilders agiert oder eigenmächtig handelt. Geklärt muss auch werden, ob der Turnusarzt oder der Ausbilder für den sachgemäßen Umgang mit diesem Medizinprodukt geschult wurde.