„Wir sind breit aufgestellt“

Sie sind Labormediziner und Ärztekammerfunktionär – welche Rolle ist im Rahmen der Pandemie schwieriger zu erfüllen?

Beide Rollen haben ihre ganz eigenen Anforderungen, gerade in einer Pandemie unter Rahmenbedingungen, die wir alle so noch nicht kannten. Ich bemühe mich natürlich, beide Rollen bestmöglich zu erfüllen. Als Labormediziner war und ist es eine große Herausforderung, in sehr kurzer Zeit und unter widrigen Rahmenbedingungen neue Assays zu etablieren. Dank der Industrie war die Versorgung mit allen erforderlichen Reagenzien nie knapp, das hat sehr gut funktioniert.
Als Ärztekammerpräsident habe ich versucht, mich bei politischen Entscheidungen dort einzubringen, wo es wichtig war. Ein besonderes Anliegen war mir der Schutz des medizinischen Personals. Das war gerade am Anfang der Pandemie schwierig, denn wir hatten zu wenig Schutzausrüstung. Aktuell ist die Herausforderung die Impfung des medizinischen Personals. Hier ist es relativ gut gelungen, das zeitnah und flächendeckend zu ermöglichen. Was uns noch bevorsteht, ist die Frage, ob wir ausreichend Impfstoffe erhalten und wenn das nicht der Fall ist, wie wir mit der Situation umgehen. Die Lockerungen, die wir alle ab Sommer erhoffen, sind natürlich ebenfalls noch ein Thema, auf das wir uns gut vorbereiten müssen.

Die Labormedizin hat im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 hohe Aufmerksamkeit erhalten. Welche Rolle spielt sie in der ­Diagnostik, beim Testen und bei der Impfung?

Zur Diagnostik beherrschen wir schon einige Techniken, das ist aber nicht erst seit der Pandemie der Fall. Das Zentrallabor im Wiener AKH ist sicher sowohl vom Durchsatz, der Zahl der Proben als auch der Palette der Untersuchungen eines der bei Weitem größten Labore in Österreich. Wir decken vom Akutlabor über die Endokrinologie, ein genetisches Labor, Hämatologie, Immunologie, klinische Chemie, Mikrobiologie, Medikamentenanalytik und Toxikologie bis zum pädiatrischen Labor und der Virologie ein sehr breites Spektrum ab. Auch das Testen zählt zur täglichen Routine in einem Labor. Bei der der Impfung ist es Aufgabe der Labormedizin, die Wirkung der Impfung nachzuweisen. In der Forschung ist die Palette der Labormedizin ebenfalls enorm breit – sie reicht von der Onkologie bis zu Stoffwechselerkrankungen. Im Hinblick auf COVID-19 forschen wir an neuen Therapieoptionen ebenso wie an Impfstoffen.

Haben Sie den Eindruck, dass das Wissen über Labormedizin in der Bevölkerung ­zugenommen hat und wird es der Medizin oder Wissenschaft gelingen, ihre Bedeutung auch über die Pandemie hinaus festigen zu können?

Die Bevölkerung hat sicher einiges dazugelernt. Wörter wie „Zulassungsstudie“, „Placebo“ oder „Schutzrate“ sind in den Sprachschatz eingeflossen, die vorher bestimmt niemand gekannt hätte. Ob das allerdings immer auch mit dem Verstehen der Themen einhergeht, kann ich nicht beurteilen und auch nicht, ob das Interesse nach der Pandemie so bleiben wird. Es werden leider auch sehr viel Unsinn- und Fake-News weitergetragen. Es ist unsere Aufgabe als Wissenschaftler, hier adäquat gegenzusteuern, aufzuklären und Kommunikationslücken zu schließen.

Die Österreichische Gesellschaft für ­Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie (ÖGLMKC) weist darauf hin, dass die Proben zur Testung auf CoViD-19 durch geschultes Personal zu entnehmen sind. Wie ist das bei den Schul- bzw. Wohnzimmertests zu ­beurteilen?

Ich denke nicht, dass wir ein hohes Verletzungsrisiko haben. Aber das Risiko der falsch negativen Ergebnisse steigt. Dennoch ist zu hoffen, dass wir durch diese Tests die Ansteckenden rasch und einfach identifizieren können – das ist der Sinn dieser Maßnahme. Massentests können wie zum Beispiel in Schulen auch mit Gurgelwasser oder Speichel durchgeführt werden, sind einfach und bringen auch ein Ergebnis. Natürlich muss klar sein, dass die Aussagekraft mit Unschärfen behaftet ist. Eine Selbstbeprobung durch den Patienten kann auf jeden Fall eine Exposition für das Gesundheitspersonal verringern.
Was die Labormedizin betrifft, ist klar, dass bei Verdacht auf Vorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 je nach klinischer Situation und Fragestellung Untersuchungsmaterial aus den oberen Atemwegen und, wenn möglich und klinisch geboten, Proben aus den tiefen Atemwegen entnommen werden. In den oberen Atemwegen sind das der Nasopharynx-­Abstrich (Nasen-Rachen-Abstrich) und der Oropharynx-Abstrich (Rachenabstrich). Bei den tiefen Atemwegen sind es die broncho­alveoläre Lavage, das Sputum oder Trachealsekret.

Welche besonderen Anforderungen in der Präanalytik – außer bei der Entnahme – gibt es noch?

Alle Proben – das gilt aber nicht nur für SARS-CoV-2 – sollten das Labor schnellstmöglich nach Entnahme erreichen. Wenn Proben transportiert werden, so müssen die Bedingungen so gewählt werden, dass auch eine Analyse möglich ist. Etwa die Kühlung des Probematerials.

Testqualität ist nicht gleich Output-Qualität. Welche Rolle spielt die gesamte Prozesskette und wo sehen Sie Optimierungspotenziale?

Labormediziner sind bestens ausgebildet und mehr als geübt, das was sie tun, auch richtig zu tun. Nur so erhalten Kollegen den richtigen Befund zur richtigen Zeit. Labors müssen hohe Qualitätskriterien erfüllen und die Ausbildung ist ein Teil der Akkreditierung. Sie bescheinigt die technische Kompetenz des zuständigen Personals, die Angemessenheit der Ausrüstung sowie die Unabhängigkeit der Labortätigkeit als Garantie für präzise und zuverlässige Prüfergebnisse.

Impfen war immer ein heikles Thema und hat viele Impfgegner auf den Plan gerufen. Auch in Zeiten der Pandemie polarisiert das Thema. Mit welchen Argumenten versuchen Sie Impfgegner zu überzeugen?

Es gibt einen kleinen Prozentsatz an Menschen, die prinzipiell einer Impfung ablehnend gegenüberstehen, das werden aber zum Glück immer weniger. Aktuell ist die Impfung die einzige Option, das Pandemiegeschehen zu unterbrechen – ich denke, das ist Argument genug. Die Impfbereitschaft in der Bevölkerung ist erfreulicherweise sehr hoch, es fehlt aktuell an ausreichend Impfstoff. Viele würden sich lieber heute als morgen impfen lassen!