Wundmanagement: Schluss mit dem Wildwuchs

Am Angebot an einschlägigen Aus- und Weiterbildungen in Österreich mangelt es derzeit nicht, jedoch herrscht „Wildwuchs“ – eine einheitlich verbindliche Definition oder gar Berufsbezeichnung von „Wundmanagern“ gibt es nicht. Zudem finden an Umfang und Inhalt nicht vergleichbare Kurse statt, die mit oder ohne „zertifizierte“ Abschlüsse für den interessierten Health Professional wenig zur Transparenz für eine Entscheidung zur „richtigen“ Fortbildung beitragen. Mehr Vereinheitlichung ist also sowohl im Sinne der Anbieter als auch im Sinne der Absolventen und der Patienten dringend gefragt.

 

NACHGEFRAGT BEI …
… DGKP Anton Mayrhauser, ­Sunmed-Geschäftsführer
Wundmanager heute und morgen – wo sehen Sie derzeit den ­dringendsten Handlungsbedarf?
Es gibt Vorgaben vonseiten des Magis­trats, welche Mindestanforderungen erfüllt sein müssen, um überhaupt Ausbildungen anbieten zu dürfen. Das heißt aber nicht, dass wir auch einheitliche Lehrpläne oder Abschlüsse oder gar Berufsbezeichnungen haben. „Wundmanager“ gibt es also offiziell keine, lediglich die sperrige Bezeichnung „Weiterbildung Wundmanagement“. Darüber hinaus haben sich Wunddiagnostikmanager, Wundtherapeuten oder akademische Wundmanager etabliert, die aber keine vergleichbare Basis vorweisen können. Und noch viel schlimmer: Es gibt „Tageskurse“, die ebenfalls Ausbildungen anbieten, deren Zulassungsvoraussetzung aber nicht einmal das Diplom für Gesundheits- und Krankenpflege voraussetzt. Das ist für uns der Grund, warum wir jetzt mit einigen Anbietern Kontakt aufnehmen wollen, um hier eine Standardisierung zu schaffen. Zudem steht eine Reform des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes an, in dem „Wundmanager“ auch bestimmte Produkte künftig selbstständig verordnen dürfen. Daher ist es dringend an der Zeit, hier eine Vereinheitlichung zu schaffen und Mindestanforderungen an die Ausbildung sowie eine klare Berufsbezeichnung zu schaffen. Der Bedarf an Experten in diesem Segment wird zunehmend größer und der professionelle und zugleich kosteneffiziente Einsatz von Medizinprodukten hilft auch dem Gesundheitswesen Geld zu sparen.
 NACHGEFRAGT BEI …
… Prim. Univ.-Prof. Dr. Robert Strohal, Leiter der Abteilung für Dermatologie und Venerologie und Generalsekretär der AWA (Austrian Wound Association)
Wundmanager heute und morgen – ­wo sehen Sie derzeit den dringendsten Handlungsbedarf?
Zum jetzigen Zeitpunkt herrscht Wildwuchs an Ausbildungen und Bezeichnungen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung für den medizinischen Bereich „akute und chronische Wunden“. Derzeit kann praktisch jeder, ohne hinterfragt zu werden, jede ungeprüfte Form einer Aus- und Weiterbildung anbieten, wobei die entstehenden Kosten höchst individuell festgelegt werden. Hier bedarf es akut, und ich möchte auch das Wort dramatisch verwenden, einer entsprechenden Vereinheitlichung. Vereinheitlichung bedeutet vor allem Qualitätssicherung. Es gilt, Kriterien zu erstellen, welche Personen in welchem institutionellen Rahmen lehren können, bzw. auch die Lerninhalte zu standardisieren. Umso mehr, als die Gefahr besteht, dass in Wien die Ausbildung zum Wundmanager inhaltlich anders aussieht als in Tirol oder in Salzburg. Zudem ist es auch schwierig, dies zu evaluieren, da die genauen Lehrinhalte oftmals auch gar nicht publiziert werden. Zum Wohl des Patienten müssen alle ­dieselbe Sprache sprechen und Mindestinhalte vermittelt werden.­ Ist dies nicht der Fall, macht solch eine Zusatzausbildung auch keinen Sinn. Letztendlich gilt es, im Rahmen dieser Vereinheitlichung auch die Kurse regelmäßig zu über­prüfen, dass sowohl für die Lehrenden wie auch für die Lehrinhalte kein „Conflict of Interest“ vorliegt – mit der Gefahr, zu produktlastig oder insgesamt zu industrie­freundlich zu sein.
Was wären für Sie absolute Minimalanforderungen einer standardisierten Aus- und Weiterbildung?
Der medizinische Bereich „akute und chronische Wunden“ sollte so behandelt werden wie andere Bereiche der Medizin auch. Heutzutage sind Zusatzausbildungen wie die Operationsschwester oder die Kinderkrankenschwester staatlich anerkannt. Dasselbe gilt auch für medizinische Zusatzausbildungen wie zum Beispiel den interventionellen Radiologen. Solch eine staatliche Anerkennung sollte auch für den Wundarzt bzw. die Wundkrankenschwester/Wundpfleger eingeführt werden. Dies hätte dann tiefgreifende Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung. Wie in den anderen medizinischen Zusatzausbildungen würde diese Zusatzausbildung einerseits durch die Schwesternschulen, zum anderen durch die Ärztekammer bzw. der praktische Teil durch entsprechende zertifizierte Zentren durchgeführt werden. Was die Inhalte anbelangt, so bedarf es, wie auch bei den anderen medizinischen Zusatzfächern bzw. Zusatzausbildungen, einer Arbeitsgruppe, welche das Curriculum entwirft und dieses dann auch auf EU-Ebene mit den anderen EU-Ländern akkordiert. Kurz gesagt, die Expertise der Wundbehandlung muss umgehend eine staatlich anerkannte Zusatzexpertise werden.
Gehen Sie davon aus, dass wir künftig mehr ­Wundmanager benötigen werden?
Auf Basis der Altersentwicklung unserer Gesellschaft ist, wie auch für andere Gebiete der Medizin, davon auszugehen, dass immer mehr Experten auf dem Gebiet „akuter und chronischer Wunden“ benötigt werden. Dies legt nahe, diesen Bereich der Medizin verstärkt bei der Basisaus­bildung zur DGKS/DGKP zu lehren. Auch sollte eine Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin ohne entsprechende Module zur Wundbehandlung nicht möglich sein.
Was wünschen Sie sich für die Weiterentwicklung der Wundtherapie?
Ich denke, nicht nur in der Aus- und Weiterbildung, sondern auch im Behandlungsangebot in Bezug auf Verbände herrscht heute ein Wildwuchs. Von Behandlerseite aus wäre es wünschenswert, dass die Masse an neuen Verbänden, die nicht immer auch eine wirkliche Neuerung im medizinischen Bereich bringen, vonseiten der Industrie eingedämmt wird. Anstelle der Masse sollte Qualität ­stehen, das heißt wirkliche Neuerungen im Bereich der Verbandstechnologie, die ihren Neuwert auch mit umfangreichen, hochwertigen Studien nachweisen. Sicherlich hilfreich wäre hier eine Verschärfung des Medizinproduktegesetzes in dem Sinne, dass von den neu am Markt zugelassenen therapeutischen Optionen im Bereich der Wundbehandlung höhere Evidenz und damit eine höhere Qualität der medizinischen Studien verlangt wird.