News vom ATTD-Kongress 2020

SGLT-2-Hemmer bei Typ-1-Diabetes

T. Danne, Hannover, Deutschland

Personen mit Typ-1-Diabetes haben trotz moderner Therapiemöglichkeiten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Ein Diabetesbeginn vor dem 10. Lebensjahr ist mit einer verkürzten Lebenserwartung (17 Jahre bei Mädchen, 14 Jahre bei Jungen) assoziiert; eine höhere Inzidenz von Übergewicht, Hypertonie, negative psychosoziale Auswirkungen und unvorhersehbare Glukoseschwankungen sind weitere Begleiterscheinungen, die durch eine Therapie mit SGLT-2-Hemmern mitigiert werden können, wodurch sich die Lebensqualität der Betroffenen verbessert. Dapagliflozin und Sotagliflozin sind in Europa als Zusatztherapie bei Typ-1-Diabetes zugelassen. Natürlich ist diese Therapie nicht für alle Personen mit Typ-1-Diabetes geeignet: Aktuelle Voraussetzung ist ein BMI > 27 kg/m2, wenn trotz optimierter Insulintherapie keine ausreichende Stoffwechselkontrolle erzielt wird und eine Schulung auf diabetische Ketoazidose durchgeführt wurde. Die Behandlung sollte durch Diabetologen gestartet und weiterbetreut werden. In Studien erreichte eine Zusatztherapie mit einem SGLT-2-Inhibitor eine HbA1c-Senkung, eine Zunahme der Zeit im Zielbereich von 3 Stunden pro Tag und eine Gewichtsreduktion um 3 kg bei Übergewicht.

Stigmatisierung: Die Wortwahl ist wichtig

C. Aldred, Fareham, Großbritannien; R. Scibilia, Melbourne, Australien

In vielen Fällen wird Personen mit Diabetes unterstellt, selbst für die aufgetretenen diabetesbezogenen Spätschäden verantwortlich zu sein. Viele Personen entwickeln im Lauf des Lebens Langzeitschäden, und die mit Vorwürfen belegte Diskussion führt zu einer Stigmatisierung der Betroffenen. Häufig wird auch in Diskussionen zur Prävention von Spätschäden suggeriert, dass die von Spätschäden Betroffenen selbst daran schuld sind, wodurch die Stigmatisierung weiter angeheizt wird. Daher sollte die Wortwahl vorsichtig getroffen werden (Risikoreduktion statt Prävention), um die Schuldgefühle von Betroffenen zu mindern. Durch eine bewusstere Sprache sollen den Betroffenen Bedenken genommen werden, mit dem Betreuerteam und auch anderen Personen mit Diabetes über Spätkomplikationen zu sprechen, da Unwissen oft zu einer verzögerten Therapie der Komplikationen führt. Somit ist die Wortwahl im Arzt-Patienten-Gespräch, in der medialen Berichterstattung, aber auch in der Diskussion in Online-Foren ein wesentlicher Aspekt zur Vermeidung von Stigmatisierung.

Zielwerte und Technologie in der Schwangerschaft

N. Lalic, Belgrad, Serbien

Bei Patientinnen mit Gestations-, aber auch vorbestehendem Diabetes mellitus ist eine optimale glykämische Kontrolle während der Schwangerschaft unumgänglich, um das Risiko für mütterliche und fetale Komplikationen zu reduzieren. Vor allem ab der 16. Schwangerschaftswoche, ab der Hyperinsulinämie und Insulinresistenz rasch ansteigen, ist eine engmaschige Überwachung der Blutzuckereinstellung erforderlich, wobei kontinuierliche Glukose-Monitoring-Systeme mit einem verbesserten neonatalen Outcome assoziiert sind. Aktuelle Konsensusempfehlungen sehen für Patientinnen mit pT1D einen Zielbereich von 3,5–7,8 mmol/l und eine Time in Range ≥ 16 Stunden vor; für Patientinnen mit GD oder pT2D liegt derzeit noch geringe Evidenz vor. Hinsichtlich der Insulinapplikation sind sowohl kontinuierliche Infusion als auch mehrmals tägliches Spritzen effektiv. Zudem zeigte sich in Studien, dass durch den Einsatz von CGM eine Verbesserung der TIR erreicht werden kann, wobei der Erfolg unabhängig von der Art der Insulinabgabe ist. Insgesamt erreicht die Kombination von CSII und CGM eine verbesserte metabolische Kontrolle und ist mit gutem neonatalem Outcome assoziiert.

Künstliche Bauchspeicheldrüse im Alltag

C. Boughton, Cambridge, UK

Hybrid-Closed-Loop-Systeme halten mehr und mehr Einzug in die tägliche Routine von Patienten mit Typ-1-Diabetes und können sowohl die glykämische Kontrolle als auch die Lebensqualität von Benutzern positiv beeinflussen. Um von den Möglichkeiten dieser neuen Technologie optimal profitieren zu können, sind eine ausführliche Schulung und umfassende Unterstützung von Patienten und Betreuern unumgänglich: Vermittlung einer realistischen Erwartungshaltung sowie der Grundlagen der korrekten Anwendungen (u. a. Berechnung von Broteinheiten, regelmäßiger Pumpentausch, zeitgerechte Bolusgabe, Umgang mit Hypoglykämien) und die Auswahl des für den jeweiligen Patienten passenden Systems. Hinsichtlich der Patientenselektion vermittelte die Präsentation zwei Key Messages: Der Benefit von Hybrid-Closed-Loop-Systemen konnte in allen untersuchten Patientenkohorten (pädiatrisch, Erwachsene, adipös, geriatrisch) demonstriert werden; prinzipiell kommen alle Patienten mit Typ-1-Diabetes zumindest für einen versuchsweisen Einsatz der Systeme in Frage.

CGM als (weltweiter) Standard?

G. Freckmann, Ulm, Deutschland; I. Hirsch, Seattle, USA

Die Verbreitung von Systemen zur kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM) nimmt stetig zu. CGM ersetzt bereits teilweise die konventionelle Blutzuckerselbstmessung (SMBG), insbesondere bei Typ-1-Diabetes. An vielen Kliniken gilt CGM als Monitoring- Standard und wird das SMBG in Ländern mit hohem Einkommen als besserer Therapiestandard ablösen.
Global betrachtet wird SMBG allerdings weiterhin eine wesentliche Rolle spielen und für viele Patienten die einzige Möglichkeit des Diabetes-Monitorings bleiben. Laut einer aktuellen Prognose (IDF Atlas 2019) ist der SMBG-Markt aufgrund der zunehmenden Diabetesprävalenz (insbesondere in Afrika und Asien) sogar im Wachstum begriffen.
Als problematisch bei CGM erweist sich die – im Gegensatz zu SMBG – fehlende Standardisierung dieses relativ neuen Verfahrens.
Bei SMBG-Geräten stellt eine ISO-Norm die Präzision sicher. Für CGM-Geräte fehlt eine solche Norm. Ein oft verwendeter Parameter, der die Zuverlässigkeit der zu testenden Systemen feststellen soll, ist die mittlere absolute relative Abweichung (MARD). Dabei werden die erhobenen CGM-Werte den Blutzuckerwerten eines Referenzsystems gegenübergestellt. Dieser Parameter unterliegt aber vielen verschiedenen, variablen Faktoren – unter ihnen nicht zuletzt das Studiendesign – und ermöglicht daher nur eine limitierte Vergleichbarkeit der CGM-Systeme.
Die CGM-Arbeitsgruppe der IFCC (International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine) unter dem Vorsitz von G. Freckmann wurde eingesetzt, um Nachvollziehbarkeit von CGM-Werten zu ermöglichen bzw. passende Parameter zu finden, um die Zuverlässigkeit von CGM-Geräten evaluieren zu können.