App auf Rezept: Werden digitale Gesundheitsanwendungen erstattungsfähig?

Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie Patient:innen medizinische Versorgung suchen und erhalten, grundlegend verändert. Die zunehmende Verbreitung von digitalen Gesundheitsanwendungen bietet großes Optimierungspotenzial.

Gesundheits-Apps stellen weltweit bereits einen riesigen Markt dar. Auch in Österreich hat sich mittlerweile eine Szene für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) entwickelt. DiGAs sind innovative Medizinprodukte, die Patient:innen bei der Bewältigung von Krankheiten oder der Verbesserung ihrer Gesundheit und Lebensqualität unterstützen.
Aktuell ist in Österreich die „App auf Rezept“ noch im Pilotstadium, da rechtliche Rahmenbedingungen erst erarbeitet werden müssen. Ein erster politischer Grundstein ist der sogenannte „Digital Austria Act“, ein Arbeitsprogramm, um die Digitalisierung in Österreich strukturiert voranzubringen.

Deutschland ist hier schon einen Schritt weiter: Im Jahr 2019 hat man gesetzliche Grundlagen geschaffen, um die Entwicklung neuer Gesundheits-Apps zu fördern und sie auch an die Patient:innen zu bringen. Ein Fast-Track-Verfahren ermöglicht eine rasche Zulassung. Unter bestimmten Voraussetzungen, wie der Verschreibung durch Arzt oder Ärtzin, werden die Apps auch von der Krankenkasse bezahlt. Eine weitere Voraussetzung ist, dass sie als Medizinprodukte mit niedriger Risikoklasse eingestuft werden und damit bestimmten Sicherheitskontrollen unterliegen. An die 40.000-mal wurden in Deutschland bereits Apps für mehr Gesundheit verschrieben – das zeigt, dass das Potenzial für diese digitalen Lösungen durchaus vorhanden ist. Sie unterstützen Ärzt:innen dabei, das Behandlungsspektrum bei bestimmten Erkrankungen zu erweitern – vor allem dort, wo langfristige Veränderungen des Verhaltens und des Lebensstils erforderlich sind, etwa bei Menschen mit Diabetes. Ohne großen Mehraufwand kann eine lückenlose Überwachung stattfinden, etwa bei Menschen mit Herzerkrankungen, und schließlich bieten Apps „Therapie ohne Wartezeit“. Das hilft letztlich auch dem Gesundheitssystem: Menschen werden zum Selbstmanagement ihrer Beschwerden ermutigt und tragen so aktiv zu ihrer Gesundheit bei. Der digitale Assistent ist 24/7 verfügbar und einfach in den Alltag integrierbar.

„Digital vor ambulant vor stationär“

In Österreich werden derzeit mehr als 20.000 Gesundheits-Apps von der Bevölkerung genutzt – vom Arzt oder von der Ärztin verschrieben oder gar von der Krankenkasse bezahlt wird bislang keine. „Neue Möglichkeiten benötigen auch neue Denkansätze“, sagt Dr. Kasia Greco, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Wien, mit einem Blick nach Deutschland: „Wir müssen uns bemühen, rasch die Rahmenbedingungen für den breiten Einsatz von DiGAs zu schaffen. Ich denke, dass durch den Digital Austria Act etwas in Bewegung kommt.“ Gleichzeitig appelliert sie, der Bevölkerung die Angst zu nehmen, denn ohne User:innen werden auch die Vorteile für das Gesundheitswesen ausbleiben. Auch Florian Tursky, MSc. MBA, Staatssekretär für Digitalisierung, ortet Aufholbedarf im heimischen Gesundheitsweisen: „Wir können nicht länger Datensilos verwalten. Digitaler Fortschritt wird in der Privatwirtschaft gelebt, die Bevölkerung erwartet zunehmend, dass auch die öffentliche Hand so funktioniert.“

Länder wie Finnland machen es vor, dass „digital vor ambulant vor stationär“ – so lautet die Kaskade, mit der man sich mehr Effizienz und eine Entlastung im Gesundheitswesen erwartet – durchaus machbar ist. Der Datenschutz darf dabei kein Hindernis sein. „Einfache Lösungen holen die Bevölkerung ab, wie etwa das E-Rezept. Der durchschnittliche Bürger hat nur 1,2 Amtswege im Jahre, aber viel mehr Kontakte mit der Sozialversicherung und wie man sieht, klappt der digitale Weg hier sehr gut“, betont Tursky.

DiGAs: Lust oder Frust?

Inwieweit digitale Anwendungen in Österreich von Fortschritt oder Stillstand begleitet werden, diskutierten im Rahmen der SV-Lounge kürzlich Senatsrat Mag. Richard Gauss (MA24), Dr. Arno Melitopulos-Daum (ÖGK), Dr. Monika Riedel (IHS) und Ing. Mag. (FH) Christine Stadler-Häbich (AUSTROMED). Gemeinsam ist ihnen der Wunsch, dass es im Sinne der Innovationskultur und der Standortpolitik durchaus schneller gehen könnte. „Für 2024 sind bereits Pilotprojekte angedacht, hoffen wir, dass auch die Erstattung geregelt wird. DiGAs sind wie viele Apps selbsterklärend und brauchen meist keine große Infrastruktur oder Know-how bei den Anwendungen. Wer für Eigenverantwortung bei den Patient:innen plädiert, der kann hier rasch mit geeigneten Beispielen in die Umsetzung gehen“, ist Stadler-Häbich überzeugt.

Für einen niederschwelligen Zugang und eine Orientierung am Nutzen plädiert auch Gauss und sieht Vorteile auch in der Patientenlenkung. Für Melitopulos-Daum geht der bundesweite Prozess auch zu langsam, daher setzte die ÖGK auf kleinere Projekte in den Ländern und will zeitnah einen systemischen Mehrwert generieren.