Sinn und Unsinn der ANA-Bestimmung

Antinukleäre Antikörper (ANA) findet man typischerweise bei all jenen heterogenen Krankheiten, die unter dem Begriff “Kollagenosen” zusammengefasst werden. Bei klinischem Verdacht wird als Suchtest die indirekte Immunfluoreszenz (IF) eingesetzt, wobei als Substrat methanolfixierte proliferierende humane Zelllinien dienen. Die Larynxkarzinomlinie HEp-2 exprimiert praktisch alle relevanten antinukleären Antigene in einem Ausmaß, welches eine fluoreszenzmikroskopische Bestimmung zulässt. Manche der zahlreichen nukleären Antigene zeigen ein charakteristisches Verteilungsmuster in der IF (homogen, gesprenkelt, …), das dem erfahrenen Untersucher erste Rückschlüsse ermöglicht. Ebenso kann in der IF eine orientierende Angabe zur Menge der ANA gemacht werden, was sich in der Titerhöhe ausdrückt.
ANA können gegen Chromatin und seine Bestandteile gerichtet sein (wie doppelsträngige DNA oder Histone), oder gegen so genannte extrahierbare nukleäre Antigene (ENA), zu denen Komponenten der Spleißosomen (z.B. Sm, U1-RNP) und Ribosomen sowie die Ro-Ribonukleoproteine gehören1. Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE, ~ 95% ANA-positiv), der Sklerodermie (SSc, ~ 90%), beim Sjögren-Syndrom (SjS, 90-100%) und bei den Myositiden Poly- und Dermatomyositis, beide 90-100% positiv) sind ANA ein wichtiger diagnostischer Baustein. Im Falle eines positiven ANA-Tests erlaubt deren genaue Spezifizierung eine weitere Diagnosesicherung und Differenzialdiagnose; manchmal lassen sich dabei auch schon Rückschlüsse auf die Krankheitsaktivität ziehen, wie im Falle der Anti-dsDNA-Ak bei SLE.

Referenzwerte und Bestimmungsmethoden

Die meisten der erwähnten Auto-Antikörper lassen sich durch verschiedene Laborverfahren bestimmen, wobei hier Sensitivität und Spezifität variieren; verlässliche Vergleichsstudien gibt es hierzu leider nicht.

Referenzwerte: Auch die Festlegung der Referenzwerte spielt eine große Rolle, nicht nur in der wissenschaftlichen Aufarbeitung, sondern auch ganz konkret im klinischen Alltag. So wurde nach langen Diskussionen in unserem Krankenhaus (AKH Wien) die Untergrenze für die ANA-Positivität angehoben (jetzt positiv bei einem Titer > 1 : 80), was die Zuweisung gesunder Personen mit schwachen ANA-Titern an unsere Ambulanz reduziert hat.

Falsch negativ: Die amerikanische rheumatologische Gesellschaft (ACR) hat bereits 2007 eine “ANA task force” gebildet: Es wurde festgestellt, dass viele große, kommerziell arbeitende Laboratorien die ANA-Diagnostik aus Kostengründen auf ELISA oder auf Multiplex-Assays umgestellt haben. Bei diesen Methoden wird allerdings im Vergleich zur IF nur eine limitierte Zahl von Auto-Antigen verwendet – mit der Konsequenz, dass falsch negative Ergebnisse auftreten und eine Diagnose verzögern können. Als grobe Schätzung gab die Task Force an, dass bis zu 35% der Patienten mit einer Autoimmunerkrankung auf Grund falsch-negativer ANA-Ergebnisse in ELISA oder Multiplex nicht korrekt diagnostiziert wurden2.

Verschiedene Labors: Die Auto-Ak-Bestimmung erfolgt in verschiedenen Labors nicht immer unter gleichen Bedingungen, mit den gleichen Verfahren oder mit den gleichen Referenzwerten, und es kann somit eine neuerliche Bestimmung in einem diesbezüglich gut etablierten Labor sinnvoll sein, auch wenn das kurzfristig zusätzliche Kosten macht.

ANA erhöht – krank?

Diese Frage kann nun unter Berücksichtigung des zuvor Gesagten einer vorsichtigen Beantwortung zugeführt werden: Positive ANA, vor allem, wenn sie niedrigtitrig sind, kommen auch bei etwa 25% der gesunden Bevölkerung vor, auch hier – wie bei den Kollagenosen – vermehrt bei Frauen3 (Bestimmung mittels ELISA, Cut-off bei > 20 Units). Die Prävalenz für Autoimmunerkrankungen überhaupt liegt aber nur bei 5-7% , das heißt, es gibt eine Vielzahl ANA-positiver Personen, die keine (Autoimmun-) Erkrankung haben und auch kein besonders hohes Risiko aufweisen, eine zu entwickeln.
Neben den gesunden ANA-positiven Personen gibt es auch Patienten mit (mehreren) serologischen/laborchemischen Merkmalen einer Kollagenose ohne weiteres klinisches Substrat, sodass zwar die Diagnose einer Kollagenose im Raum steht, eine Therapie aber nicht indiziert ist. In diesem Fall würde man eine Kontrolluntersuchung beim Rheumatologen empfehlen, aber auch diese Patienten sind nicht “krank”. ANA und andere Labortests sind wichtige diagnostische Bausteine, sie machen aber keine Diagnose und erfordern daher auch per se keine Therapie. Inwieweit ein “ANA-Screening” bei gesunden Personen tatsächlich eine Risikoeinschätzung hinsichtlich einer zukünftigen Erkrankung zulässt oder in Zukunft zulassen wird, ist unklar; derzeit gibt es keine diesbezüglichen Empfehlungen3,4.

Sinn und Unsinn der ANA-Bestimmung

Wie bei allen Parametern, die man bestimmen kann, sollen auch die ANA nicht ohne Grund angefordert werden und bedürfen einer gewissenhaften Interpretation der Ergebnisse.
Neben den ANA-positiven Kollagenosen gibt es selten, aber doch ANA-negative Kollagenosen (bis zu 5% beim SLE), d. h. ein negativer ANA-Wert schließt eine Kollagenose nicht aus. Andererseits gibt es zahlreiche Ursachen für erhöhte ANA-Werte, die mit einer Kollagenose nichts zu tun haben (Lymphome, verschiedene Hepatopathien, multiple Sklerose, entzündliche Darmerkrankungen, M. Hashimoto etc.), aber sehr wohl behandlungsbedürftige Erkrankungen sind.
Und schließlich können auch – wie erwähnt – ANA bei Gesunden erhöht sein, d. h. ein positiver ANA-Wert sagt nicht notwendigerweise etwas über eine tatsächlich vorliegende Krankheit aus. Diese Personen mit meist niedrigtitrigen ANA-Werten sollte man nicht ohne fachliche Interpretation der Laborergebnisse dem “Doktor Internet” überlassen, wo schwere Fälle, therapieresistente Fälle und unklare Verläufe sowohl in der Anzahl als auch in der Ausprägung in entsprechenden Foren deutlich überrepräsentiert sind, wodurch gesunde ANA-positive Personen ohne Grund verunsichert werden.

ANA-Bestimmung: wann und wie?

In welchen Fällen und wie soll man nun ANA bestimmen? Es gibt zurzeit keine eindeutigen Empfehlungen der Fachgesellschaften, und die vorliegende Fachliteratur ist nicht einfach in den klinischen Alltag umzusetzen. Mein persönlicher Zugang, der sich weitgehend mit der gängigen Praxis an unserer Spezialambulanz deckt, ist folgender:

  • (i) Methode: Die Immunfluoreszenz (IF) sollte der Goldstandard bleiben1,2.
  • (ii) ANA (+Untergruppen) immer bestimmen bei klinischem Verdacht auf eine Kollagenose.
  • (iii) ANA als Suchtest für eine Kollagenose als Ursache bei seronegativen oder “atypischen” Arthritiden oder bei serologischen/laborchemischen Auffälligkeiten (Blutbild,…); v.a. bei jüngeren und weiblichen Patienten.
  • (iv) ANA bestimmen bei Verdacht auf einen medikamentös induzierten Lupus (Drug-induced LE, DIL) bzw. routinemäßig nach etwa 6 Monaten bei Therapien, die zu DIL prädisponieren (z.B. TNF-Blocker).
  • (v) Befundbesprechung vereinbaren.

Priv.-Doz. Dr. Georg Stummvoll
Klinische Abteilung für Rheumatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien

1 Autoantikörper – Diagnostik und Pathogenese. Steiner G, in: Aktuelle Therapieoptionen beim Systemischen Lupus erythematodes, Aringer Hrsg. Uni-Med Verlag, Bremen, 2007.
2 ANA screening: an old test with new recommendations. Pier Luigi Meroni, Peter H Schur. Ann Rheum Dis 2010; 69:1420-1422 Published Online First: 28 May 2010
3 Antinuclear antibodies in healthy people: the tip of autoimmunity’s iceberg? Pisetsky DS, Arthritis Res Ther. 2011 Apr 21; 13(2):109. [Epub ahead of print]
4 Risk factors for ANA positivity in healthy persons. Li QZ, Karp DR, Quan J, Branch VK, Zhou J, Lian Y, Chong BF, Wakeland EK, Olsen NJ, Arthritis Res Ther. 2011 Mar 2; 13(2):R38. [Epub ahead of print]