Perioperatives Management bei Vorhofflimmern

Das perioperative Management von antikoagulierten Patient:innen mit Vorhofflimmern erfordert ein noch sorgfältigeres Abwägen der Verhinderung von Schlaganfällen zum Blutungsrisiko. NOAKs sind dabei anwender- und patientenfreundlich, da ihre Plasmakonzentration und Antikoagulationswirkung nach dem Absetzen vorhersagbar abnehmen.

Die Gruppe der Nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) wird seit Jahren mit hoher Effektivität und Sicherheit zur Verhinderung von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern eingesetzt. Der Sicherheitsaspekt bezieht sich dabei vor allem auf Blutungen, die bei jeder Antikoagulation vermehrt auftreten können und deshalb vorsichtig gegen die gewünschte Wirkung abgewogen werden müssen. Besonders bei geplanten, aber auch bei ungeplanten Operationen führt dies oft zu Unsicherheiten und Fragen.1

Perioperativer NOAK-Einsatz

Tritt bei Patient:innen mit Vorhofflimmern, die mit NOAKs behandelt werden, die Notwendigkeit einer nicht vorab geplanten Operation auf, muss diese zuerst anhand der Dringlichkeit eingeschätzt werden. In allen Fällen wird außerdem ein Bluttest mit allen relevanten Koagulationsparametern und eine NOAK-Plasmaspiegelbestimmung durchgeführt. Ist die Operation für wenige Tage aufschiebbar, empfiehlt die European Heart Rhythm Association (EHRA) ein weiteres Vorgehen wie bei geplanten Eingriffen. Ist die Operation für 12–24 Stunden aufschiebbar, wird sie entsprechend verzögert und erst durchgeführt, wenn nach neuerlichem Erheben der Koagulationsparameter diese keine relevante Wirkung mehr anzeigen. Bei akuten (Not-)Operationen kann vor dem Eingriff ein NOAK-Antidot verabreicht werden, wenn dies laut Labortest notwendig bzw. verfügbar und zugelassen ist.1

Geplante Operationen werden nach ihrem Blutungsrisiko unterschieden. Eingriffe wie bis zu drei Zahnextraktionen, Augenoperationen oder kleine dermatologische Operationen sollten im Talspiegel der NOAK-Plasmakonzentration, also 12 bzw. 24 Stunden nach der letzten NOAK-Einnahme, erfolgen. Die Antikoagulation kann am selben oder spätestens nächsten Tag wieder begonnen werden. Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban sollten laut EHRA bei Interventionen mit niedrigem Blutungsrisiko wie z. B. komplexen zahnärztlichen Eingriffen, Endoskopien mit Biopsie oder kleinen orthopädischen Operationen je nach Kreatinin-Clearance (CrCl) mindestens 24 oder 36 Stunden davor pausiert werden. Bei Interventionen mit hohem Blutungsrisiko wie z. B. komplexen Endoskopien, thoraxchirurgischen Eingriffen oder großen orthopädischen Eingriffen empfiehlt die EHRA eine Pause mindestens 48 Stunden davor. Dabigatran sollte bei vorliegender Nierenfunktionsstörung jeweils früher pausiert werden, da dieses hauptsächlich über die Niere ausgeschieden wird. Eine schriftliche Zusammenfassung des Plans sollte an die beteiligten Chirurg:innen, Hausärzt:innen und Patient:innen weitergegeben werden. Dabei werden Patientencharakteristika wie Alter, Schlaganfallrisiko und frühere Blutungen ebenso berücksichtigt wie Faktoren im Zusammenhang mit der Operation.1 Daten der PAUSE-Studie zeigen, dass bei Absetzen der NOAKs Faktoren wie Alter ≥ 75 Jahre, weibliches Geschlecht, Körpergewicht < 70 kg und CrCl < 50 ml/min mit einem größeren Risiko für höhere verbleibende NOAK-Level zum Zeitpunkt des Eingriffs einhergehen.2

Bridging und NOAK-Wiederaufnahme: Einer der Vorteile einer Antikoagulation mit NOAKs im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten ist die fehlende Notwendigkeit eines präoperativen Bridgings mit niedrigmolekularem Heparin (LMWH) oder unfraktioniertem Heparin (UFH). Da die vorhersagbare Abnahme des antikoagulatorischen Effekts von NOAKs deren zeitgerechte kurzfristige Unterbrechung ermöglicht, können sie ohne Bridging pausiert werden. Nach Niedrigrisikointerventionen mit sofortiger und vollständiger Blutstillung können NOAKs nach 6–8 Stunden wieder aufgenommen werden. Hochrisikointerventionen können eine Verzögerung von 48–72 Stunden erforderlich machen, wobei in diesem Fall 6–8 Stunden nach der Operation prophylaktisch LMWH gegeben werden sollte. Auch wenn bei künstlicher Beatmung oder postoperativer Übelkeit keine orale Tabletteneinnahme möglich ist, sollte Heparin in Betracht gezogen werden.1

Sicherheitsdaten

Die Sicherheit von NOAKs in Bezug auf das perioperative Management zeigt sich am Beispiel von Edoxaban. In einer Studie mit 1.155 Patient:innen mit Vorhofflimmern oder venöser Thromboembolie wurde das Auftreten von schweren Blutungen 5 Tage vor bis 30 Tage nach verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Eingriffen untersucht. Die Unterbrechungsdauer der Edoxabangabe konnten die behandelnden Ärzt:innen selbstständig bestimmen, wobei die Gabe bei 67,6 % der Patient:innen vor (Median 2 Tage), bei 26,7 % nach (Median 3 Tage) und bei 24,2 % vor und nach der Intervention unterbrochen wurde. Die Dauer der Unterbrechung entsprach somit nicht immer der EHRA-Empfehlung, führte aber nicht zu erhöhten Blutungs- oder Ischämieraten. Das Blutungsrisiko stieg mit dem im EHRA-Guide beschriebenen Risiko, war jedoch insgesamt und auch bei EHRA-Hochrisikointerventionen niedrig. Es traten keine klinisch signifikanten Unterschiede in den Blutungsraten gemäß Alter oder Nierenfunktion auf.3 Dies passt auch zu älteren Daten, in denen gezeigt wurde, dass Edoxaban das Risiko für schwere Blutungen gegenüber Warfarin bei gleichem Risiko für Schlaganfall/systemische embolische Ereignisse signifikant reduziert. Da die Blutungs- und Todesraten mit dem Alter generell steigen, bringt die Behandlung mit Edoxaban im Vergleich zu Warfarin bei älteren Patient:innen eine noch stärkere absolute Reduktion an Sicherheitsereignissen als bei jüngeren.4

Resümee

NOAKs können bei geplanten oder ungeplanten Operationen ohne Bridging pausiert werden. Zu beachten sind die Dringlichkeit des Eingriffs, dessen Blutungsrisiko sowie Patientencharakteristika. Die NOAK-Gabe kann nach einer Niedrigrisikointervention innerhalb von 24 Stunden wieder gestartet werden, bei Hochrisikointerventionen nach 48–72 Stunden.