COVID-19 und Schwangerschaft


Autor: o. Univ.-Prof. Dr. Clemens Tempfer, MBA

Allgemeines zu COVID-19

Der Erreger der COVID-19-Erkrankung, das SARS-CoV-2-Virus, zeigt eine ausgeprägte Homologie mit dem SARS-CoV- und dem MERS-CoV-Virus. Die Infektion erfolgt, indem das Virus mit der S1-Untereinheit an der Spitze des Spike-Glykoproteins der Virushülle an den ACE-2-Rezeptor bindet, der im Menschen ubiquitär, also auch im respiratorischen Epithel, Gehirn und olfaktorischen System exprimiert wird.
Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 5 (2–14) Tage. Bei einem Großteil der Infizierten verläuft die Erkrankung asymptomatisch (je nach Population und Studie zwischen 50 bis 80 %). Neben unspezifischen Symptomen wie Fieber, Husten, Myalgie oder Kopfschmerz bestehen auch spezifische Symptome wie Diarrhö, Geruchsverlust und die ­COVID-19-Pneumonie mit in fast allen Fällen charakteristischen Lungen-Veränderungen. Betagte und hochbetagte Personen sind überproportional gefährdet, nach Daten aus Deutschland (März/April 2020) ereigneten sich bei einem Anteil von ca. 19 % an ≥ 70-jährigen Infizierten in dieser Altersgruppe­ 86 % der Todesfälle.
Bei hospitalisierten Patienten beträgt die Letalität 4–15 %, in 17–29 % tritt ein Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) auf.
Die Angaben zur Letalität (Case Fatality Rate) schwanken zwischen 0,0008 % und 4 % in Abhängigkeit von der Testfrequenz und der untersuchten Population (Beispiele: 0,0008 % auf der USS Theodore Roosevelt mit einer jungen, gesunden Population von US-Militärangehörigen vs. 1 % auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess mit einer älteren Population von Kreuzfahrttouristen vs. 3,8 % bezogen auf die gesamte getestete Population während der ersten Infektionswelle in Deutschland).
Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen, Schwangere jedoch nicht häufiger als Nichtschwangere.

Schwangere als COVID-19-Risikopopulation

Da die in der jüngeren Vergangenheit be­obachteten Coronavirusausbrüche durch SARS-CoV und MERS-CoV zu einer hohen Gefährdung Schwangerer mit ARDS, disseminierter intravasaler Gerinnung (DIC), Nierenversagen, bakteriellen Pneumonien und einer Letalität von 25 % führten (Rasmussen, 2020), wurde am Anfang der SARS-CoV-2-Pandemie eine Katastrophe mit Blick auf Schwangere befürchtet. Anlass zur Entwarnung gaben allerdings schon die ersten Daten aus kleineren Fallserien zu Schwangeren mit ­COVID-19 aus China mit einem Symptomspektrum ohne Abweichung gegenüber Nichtschwangeren, lediglich wenigen Fällen mit COVID-19-Pneumonie ohne Aggravierung im weiteren Verlauf der Schwangerschaft, grundsätzlich nicht erhöhter Frühgeburtsrate, keinem erhöhten Risiko für Aborte, nicht erhöhter maternaler Mortalität und einem normalen neonatalen Outcome und initial auch keiner Evidenz für eine vertikale­ Transmission (Chen, 2020; Liu, 2020; Dashraath, 2020). Allerdings zeigte sich schon damals der Hinweis auf einen erhöhten intensivmedizinischen Betreuungsbedarf (Mullins, 2020).

Dieses positive Bild hat sich jedoch nach neueren und aussagekräftigeren Untersuchungen aufgrund einer weitaus höheren Fallzahlen geändert. Schwangere müssen nun doch als COVID-19-Risikopersonen betrachtet werden. In einer rezent publizierten Analyse von 161 Studien mit 3.985 Schwangeren war die Rate an intensivpflichtigen Erkrankungsverläufen mit 6 % deutlich höher als bei nichtschwangeren Personen (Rodrigues, 2020). Die mit 1,3 % angegebene maternale Mortalität ist bei diesem jungen und in der Regel gesundheitlich nicht vorbelasteten Kollektiv im Vergleich zu den Raten bei einem altersentsprechend und von den Komorbiditäten her vergleichbaren Kollektiv Nichtschwangerer ebenso als deutlich erhöht zu betrachten. Spontanaborte, intrauterine Fruchttode und neonatale Todesfälle traten allerdings auch in den Studien mit hohen Fallzahlen nicht in erhöhtem Ausmaß im Vergleich zu Schwangeren ohne COVID-19 auf. Allerdings zeigt sich in fast allen Untersuchungen eine deutlich erhöhte Frühgeburtsrate mit bis zu 23 %. Diese hohe Rate war in den meisten Fällen iatrogen bedingt, wobei die Beendigung der Schwangerschaft mit dem Ziel einer danach optimalen COVID-19-Therapie als wesentlicher Einflussfaktor zu nennen ist.

Nach neuen Daten auch vertikale Transmission möglich
 Nachdem in den frühen, kleineren Studien zunächst kein Risiko für eine vertikale Transmission gefunden wurde (Fan, 2020; Peng, 2020; Schwartz, 2020), hat sich das Bild nunmehr geändert. Es gibt nun klare Daten, dass eine vertikale Transmission möglich ist und das Risiko etwa 2–4 % beträgt. In einer rezent publizierten Studie mit insgesamt 936 Mutter-Kind-Paaren betrug betrugt die Rate an vertikalen Transmissionen 3,2 % (Kotlyar, 2021). Unterstützt werden diese Ergebnisse histomorphologisch durch die bei Schwangeren mit COVID-19 gefundene charakteristische plazentare Histologie mit Intervillositis und Trophoblastnekrosen.

Risiko einer Transmission durch Stillen
 In frühen kleineren Studien zeigte sich keine SARS-CoV-2-Infektion der Brustmilch (Peng, 2020). In neueren Untersuchungen gibt es nun jedoch klare Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für eine horizontale Transmission – wie in einer Übersichtsarbeit mit 49 Studien und 331 Neonaten (Caparros-Gonzales, 2020), die in 7/331 Fällen (2 %) SARS-CoV-2-RNA in der Brustmilch nachweisen konnte. Dennoch wird SARS-CoV-2-infizierten Müttern vom Stillen nicht abgeraten.

Erhöhtes Thromboserisiko bei ­COVID-19 – nicht bei Schwangeren!

Eine COVID-19-Erkrankung, nicht jedoch eine asymptomatische SARS-CoV-2-Infektion erhöht signifikant das Thromboserisiko („Immunothrombose“) mit schwerwiegenden Folgen und einer Thrombose-Prävalenz von 20–43 % bei intensivpflichtigen Erkrankten (Ranucci, 2020). Nachdem eine Schwangerschaft per se das thromboembolische Risiko erhöht, überrascht es besonders, dass gerade bei Schwangeren mit COVID-19 keine Hinweise auf eine zusätzliche Risikoerhöhung für venöse oder arterielle Thrombosen gefunden wurden. So erlitt z. B. in einer britischen Untersuchung keine einzige von 427 Schwangeren mit SARS-CoV-2-Infektion eine venöse Thrombose (Knight, 2020). Deshalb besteht nach übereinstimmender Empfehlung nationaler und internationaler Fachgesellschaften (RCOG, ISUOG, ­ISIDOG) kein Anlass für eine medikamentöse Prophylaxe SARS-CoV-2-infizierter Schwangerer über die Standard-Heparinisierung hinaus. Zusätzlich empfohlene Maßnahmen wie die Fortführung einer Heparinisierung nach einem Krankenhausaufenthalt über mindestens 10 Tage (RCOG, RCPI) oder für die gesamte Dauer der Schwangerschaft (SGGG) sind möglich, jedoch fehlt dafür nach derzeitiger Datenlage eine starke Evidenz.

SARS-CoV-2-Impfung bei Schwangeren

Aufgrund des Ausschlusses von Schwangeren in den zulasssungsrelevanten Studien sind derzeit keine SARS-CoV-2-Impfungen zur Verabreichung an Schwangere zugelassen. Aus medizinischer Sicht besteht trotzdem keine Rationale für die Annahme einer schädlichen Wirkung. Wie zu den problemlos in der Schwangerschaft verabreichbaren Totimpfstoffen bestehen auch zum Mechanismus der mRNA-Impfstoffe keine Bedenken. Bei den dokumentierten Fällen von unwissentlich schwanger in den Studien aufgenommenen Frauen (BionTech: n = 23; Moderna: n = 13) kam es bislang zu keinen nachteiligen Folgen für den Schwangerschaftsverlauf und in reproduktionstoxikologischen Studien zum Moderna-Impfstoff bei Ratten zu keiner Feto- oder Embryotoxizität nach wiederholter Exposition mit dem Impfstoff.
Nach einer Empfehlung der American Society of Obstetricians and Gynecologists (ACOG)1 und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)2 sollte Schwangeren und Stillenden bei Erfüllung entsprechender Kriterien (z. B. erhöhtes Expositionsrisiko) eine Impfung auch außerhalb der Zulassung (Off-Label-Anwendung mit entsprechenden rechtlichen Implikationen) angeraten und verabreicht werden.

Was machen wir im Kreißsaal?

Ein Screening auf SARS-CoV-2 bei stationärer Aufnahme von Schwangeren wird unterschiedlich gehandhabt, ist jedoch sinnvoll. Bei einem „Universal Admission Screening“ sind ca. 4 % der Schwangeren SARS-CoV-2-positiv und ca. 1 %, wenn nur bei klinischem Verdacht ein Screening erfolgt ­(Gasparros, 2020). Eine FFP2-Maske und eine entsprechende Schutzkleidung für das Team sind bei Entbindung einer SARS-CoV-2-infizierten Frau Standard. Die Anwesenheitserlaubnis für Partner/Begleitpersonen während der Geburt wird je nach Klinik unterschiedlich geregelt.

Die Empfehlung des Royal Australian and New Zealand College of Obstetricians and Gynaecologists (RANZCOG) zum Management von Schwangeren mit COVID-19 bildet nach Einschätzung des Autors die derzeitige Evidenzlage optimal ab:

  • normales geburtshilfliches Management
  • Early Skin Contact – Bonding soll ­unterstützt werden
  • Stillen ist bei Einhaltung von Hygienemaßnahmen möglich, das Tragen einer Maske wird für die Mutter empfohlen (Anm.: ohne Evidenz)
  • ACE-Hemmer sind präpartal ohnehin kontraindiziert und postpartal möglich (Anm.: nach der Studienlage reduziert das Absetzen von ACE-Hemmern nicht das ­Infektionsrisiko für SARS-CoV-2)
  • Standard-Heparin + 14 d post Entlassung­ (Anm.: möglich, aber ohne starke Evidenz)
  • Bei sauerstoffpflichtiger COVID-19-­Erkrankung: 6 mg Dexamethason/d/10 d
  • Remdesivir nur innerhalb von Studien
  • kein Hydroxychloroquin
  • postexpositionelle Therapie mit Ak-Cocktails nur innerhalb von Studien

Nach einem Vortrag beim WebSeminar „COVID-19 in der Frauenheilkunde“, MedAhead, 26. 1. 2021, Wien.

  1. www.acog.org/clinical/clinical-guidance/practice-advisory/articles/2020/12/vaccinating-pregnant-
    and-lactating-patients-against-covid-19
  2. www.dgpm-online.org/gesellschaft/publikationen/neuigkeiten/news/covid-19-impfung-vonschwangeren-
    und-frauen-mit-kinderwunsch0/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_
    news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=b1775dd85dcbaf29f5176c268997a69d
Weitere Literatur beim Verfasser