So sieht Österreichs Impfstrategie zur Corona-Impfung aus

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Gibt die Europäische Arzneimittelagentur am 21.12. grünes Licht, könnte am 27.12. mit den ersten Corona-Impfungen begonnen werden. Der Großhandel sieht sich gerüstet. Vorerst werden aber nur 10.000 Impfdosen geliefert. Bis Ende März können 450.000 Menschen geimpft werden. Breite Impfungen beginnen wohl erst in der zweiten Jahreshälfte. Wie lange der Impfstoff wirkt ist noch offen.

Der Verband der heimischen Arzneimittelvollgroßhändler (PHAGO) sieht sich für die Verteilung des potenziellen Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer gerüstet. Die Mitgliedsunternehmen hätten ihre Kühlkapazitäten entsprechend aufgestockt, erklärte PHAGO-Generalsekretärin Monika Vögele am Donnerstag. Die in Belgien produzierten Impfdosen werden in Österreich nicht zentral zwischengelagert, sondern nach ihrer Ankunft direkt zu 17 Standorten im ganzen Land gebracht. Wo die Großlager genau liegen, sagte Vögele nicht. „Die Standorte sind laut Innenministerium als kritische Infrastruktur klassifiziert. Wir wollen das darum nicht explizit kommunizieren. Aber es gibt in jedem Bundesland mindestens zwei davon.“ Die Vakzine werde bei der Anlieferung und Verteilung in speziellen Transportbehältern mit Trockeneis durchgehend bei einer Temperatur von minus 80 Grad Celsius gehalten – und an den Zielorten in spezielle Kühlschränke („Ultra-Freezers“) umgelagert. Diese garantieren ebenfalls eine Lagerung bei minus 80 Grad – und hätten eine Kapazität von jeweils 160.000 bis 170.000 Dosen. Spezielle Kühl-Lkw sind für die Weiterverteilung nicht notwendig. „Die Boxen müssen von außen nicht noch einmal extra gekühlt werden und können ganz normal transportiert werden. Das Trockeneis muss aber alle fünf Tage erneuert werden.“ Zusätzlich sei jede Kühlbox des Herstellers mit einem Temperatursensor versehen. „Hier wird sofort Alarm geschlagen, wenn sich die Temperatur im Inneren verändern sollte.“

Der Impfstoff kann nach dem Auftauen noch 120 Stunden, also fünf Tage, bei einer Temperatur zwischen zwei bis acht Grad gelagert werden. Er muss aber spätestens nach Ende dieser Frist verimpft worden sein. Laut Bundesregierung sollen die ersten 10.000 Impfdosen noch in diesem Jahr geliefert werden. Im Jänner sollen dann 240.825 Dosen, im Februar 331.500 Dosen und im März 375.375 Dosen folgen. Da für jede Person zwei Impfungen nötig sind, könnten bis Ende März 450.000 Menschen immunisiert sein. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA will am 21.12. ihre Entscheidung über die Zulassung des Impfstoffs von Biontech und Pfizer bekanntgeben. Fällt diese positiv aus, will die EU-Kommission in einem Schnellverfahren binnen zwei Tagen über die Marktzulassung entscheiden. Somit kann es bereits am 23. Dezember eine Entscheidung geben. In Österreich soll dann analog zum EU-weiten Coronavirus-Impfstart am 27. Dezember mit Impfungen begonnen werden. Voraussetzung für den Start kurz nach dem Heiligen Abend sei aber die Zulassung des Impfstoffs von Biontech und Pfizer, erläuterte EU-Kommissionssprecher Eric Mamer.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) Deutschlands hat zuletzt ihren Entwurf für die Priorisierung von Personengruppen bei den Impfungen verschickt. Das Dokument kann als „Blaupause“ dafür verstanden werden, wie in Österreich die Immunisierungen ablaufen werden. „Die Situation in Deutschland ist ähnlich jener in Österreich“, sagte zuletzt die Vakzinologin der Meduni Wien und Vorsitzendes des Nationalen Impfgremiums Österreichs, Ursula Wiedermann-Schmidt. „An der Spitze steht der Schutz von Personen mit einem hohen Infektionsrisiko und mit dem höchsten Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung und Tod. Dann geht es um Personen mit einem erhöhten Infektionsrisiko durch ihre berufliche Tätigkeit. Darauf folgt die gewünschte Reduktion der Übertragung von SARS-CoV-2 und schließlich die Impfung von Personen, welche für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur und des öffentlichen Lebens wichtig sind.“

Ein Problem, so Ursula Wiedermann-Schmidt: „Aus den bisher vorliegenden klinischen Studien wissen wir noch nicht, ob die Vakzine auch zu einer Verringerung des Infektionsrisikos führen. Primär sind die Phase-III-Studien abgelaufen, um zu beweisen, dass die Impfung Covid-19-Erkrankungen bzw. besonders die schweren Erkrankungen verhindert.“ Ob Immunisierte das Virus auch nicht mehr übertragen würden, werde sich wohl erst im Laufe der kommenden Monate herausstellen. Beim sogenannten Oxford-Impfstoff, der mit AstraZeneca entwickelt wird, dürfte laut ersten vorläufigen Daten eine Reduktion der Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 nur um 27 Prozent gelungen sein. Die Priorisierung von Personengruppen geschieht laut Experten unter der Prämisse, dass nicht sofort mit der Marktzulassung der ersten Covid-19-Vakzine genug Mengen für alle zur Verfügung stehen werden. „Wichtig ist, dass die breite Anwendung des Impfstoffes sicher noch dauern wird und erst mit Mitte des Jahres, zweite Jahreshälfte erfolgen wird“, sagt Wiedermann-Schmidt. (rüm/APA)

Deutsche Priorisierungen („Blaupause“ für Österreich):

  • Sehr hohe Priorität: Bewohner von Senioren- und Altenpflegeheimen, Personen über 80 Jahre, Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen (z.B. Notaufnahmen, medizinische Betreuung von Covid-19-Patienten), Personal in medizinischen Einrichtungen mit Kontakt zu vulnerablen Gruppen (Hämato-Onkologie, Transplantationsmedizin).
  • Hohe Priorität: Personen im Alter über 75 bis 80 Jahren, Personal mit Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen, Personen mit einer Demenz oder geistigen Behinderungen in Institutionen, Personal zur Betreuung solcher Personen.
  • Moderate Priorität: Personen von 70 bis 75 Jahren, Menschen mit Vorerkrankungen (Risiko) und deren engste Kontaktpersonen, Personen in Asylbewerberunterkünften, Obdachlosenunterkünften, enge Kontaktpersonen zu Schwangeren, Personal mit moderatem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen, auch zur Aufrechterhaltung der Krankenhaus-Infrastruktur, öffentlicher Gesundheitsdienst.
  • Erhöhte Priorität: Personen im Alter von 65 bis 70 Jahre, Personen mit Vorerkrankungen mit moderatem Risiko und deren engste Kontaktpersonen, Menschen mit niedrigem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen. Dann kommen Lehrer, Erzieher und Personen in prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen (Saisonarbeiter, Beschäftigte in Verteilerzentren, Fleisch verarbeitende Industrie).
  • Gering erhöhte Priorität: 60- bis 65-Jährige, Personal in Schlüsselpositionen von Landesregierungen, in der Bundesregierung, Beschäftigte im Einzelhandel und Berufsgruppen in kritischer Infrastruktur (z.B. Feuerwehr, Heer, Polizei, Abfallwirtschaft etc.).
  • Niedrige Priorität haben schließlich Personen unter 60 Jahre.