Update: Zystische Fibrose

Die zystische Fibrose (CF) ist in der kaukasischen Bevölkerung die häufigste der „orphan diseases“ und kommt im europäischen und amerikanischen Raum mit einer Inzidenz von 1 : 3.500 vor. Durch Therapiefortschritte der letzten 2 Jahrzehnte konnte die Erkrankung den Kinderschuhen entwachsen, bereits die Hälfte der Patienten ist im Erwachsenenalter. Somit ist auch die Betreuung von der rein kinderärztlichen Versorgung in die Hände der Erwachsenenmedizin übergegangen.
Die Erkrankung ist durch die Multiorganproblematik und die mit zunehmendem Alter gehäuft auftretende Inzidenz von Komorbiditäten gekennzeichnet, all dies ist für die Patienten, aber auch für die Betreuung eine schwierige Herausforderung.
Im seit 2015 vorgelegten NAP.se (Nationaler Aktionsplan für Seltene Erkrankungen) hat die CF aufgrund der guten nationalen und europäischen Vernetzung teilweise Beispielcharakter.

CFTR-Protein

Das CF-Gen am Chromosom 7 ist für die Bildung eines Proteins verantwortlich, das CFTR-Protein (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator Protein), das an der Wand von Epithelzellen für den Chloridtransport nach außen verantwortlich ist. Wenn das CFTR-Protein diese Transportaufgabe nicht erfüllen kann, kommt es zu verminderter Konzentration von Cl, Na und Wasser im Bereich des Lumens und dadurch zu erhöhter Viskosität des Sekretes in folgenden Gangsystemen: respiratorisches Epithel, intestinales Epithel, Gallengänge, Pankreasgänge, Nebenhoden und Vas deferens.

Betroffene Organe und klinische Auswirkung

Das Problem des zähen Schleimes führt einerseits zur Verstopfung und Zystenbildung in den Organen, andererseits zur sekundären Infektion, Inflammation und letztendlich zur Zerstörung des betroffenen Organes.
Das hauptsächlich limitierende Organ mit den größten therapeutischen Herausforderungen ist sicherlich die Lunge, doch bei manchen Patienten sind Probleme der Leber oder der Nebenhöhlen vorherrschend. Eine milde Form der CF kann eventuell erst bei der Abklärung des unerfüllten Kinderwunsches bei Infertilität des Mannes diagnostiziert werden.
Weiters kommt es über die Schweißdrüsen zur vermehrten Ausscheidung von Na und Cl, da der Primärschweiß nicht rückresorbiert werden kann. Dadurch kann es bei verminderter NaCl-Zufuhr zur Elektrolytentgleisung, einer hypochlorämischen Alkalose, kommen, die typisch für CF-Patienten ist.
Aufgrund der unterschiedlichen Organmanifestationen ist die Diagnosestellung rein klinisch nicht immer leicht.

Neugeborenen-Screening

Um die Diagnosestellung nicht zu verzögern und so wertvolle Monate oder Jahre der Therapie zu versäumen, wurde in den meisten europäischen Ländern und den USA das Neugeborenen-Screening für CF eingeführt.
In Österreich besteht seit 18 Jahren ein flächendeckendes nationales CF-Screeningprogramm. Dieses ist rein enzymatisch (Erhöhung des immunreaktiven Trypsinogens – IRT) und erfolgt zweistufig. So werden in Österreich ca. 25 CF-Kinder pro Jahr mit CF diagnostiziert.

  1. Schweißtest. Der erste Schritt zur Diagnosestellung bei klinischem Verdacht auf CF ist der Schweißtest. Der Schweißtest kann bei klinisch stabilen Patienten ab der 2. Lebenswoche in jedem Lebensalter durchgeführt werden und ist schmerzlos. Organisatorisch wird diese Untersuchung an Kinderabteilungen durchgeführt, diese führen die Untersuchung auch bei Erwachsenen mit Verdacht auf CF durch.
  2. Genetische Untersuchung. Bei positivem Schweißtest wird nachfolgend eine genetische Untersuchung durchgeführt.

 

Genetik

Der Erbgang ist autosomal rezessiv, somit sind die Träger gesund und wissen in den seltensten Fällen um ihre Trägerschaft, die Trägerhäufigkeit ist 1 : 25.
Die Genveränderung, die zur Erkrankung führt, wurde 1989 entdeckt. Wir kennen heute über 1.900 Mutationen. Ein großer Teil der Mutationen kann in Klassen eingeteilt werden, die den Mechanismus des Defektes angeben. Die Klassen I–III werden als schwere Mutationen bezeichnet, die Klassen IV–V als leichtere.
Bei Kombination einer schweren mit einer leichten Mutation ist das klinische Bild durch die leichte Mutation geprägt. Die bekannteste Mutation dF508 ist eine Klasse-II-Mutation, sie kommt in Österreich in homozygoter Form bei ca. 50% der Patienten vor.

Therapie

Die Grundpfeiler der Therapie teilen sich in die pulmonale und die gastroenterologische Behandlung.

Pulmonale Therapie. Zur Reinigung der Lunge wird eine Inhalationstherapie mit nachfolgender Physiotherapie auf alle Fälle 2-mal täglich durchgeführt, die Physiotherapie wird in weiterer Folge altersentsprechend angepasst. Je nach den Befunden des Rachenabstriches oder Sputums erfolgt eine antibiotische Therapie. Die Hauptkeime sind Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae, Pseudomonas aeruginosa oder Aspergillus fumigatus, manchmal auch multiresistente Keime, wie Burkholderia cepacia oder MRSA. Gegen den Pseudomonas aeruginosa gibt es seit Jahren inhalative On-Off-Konzepte, sodass die stationären i. v. Therapien deutlich zurückgegangen sind.

Gastroenterologische Therapie. Die Substitution der Pankreasenzyme erfolgt ebenfalls ab der Diagnosestellung in jedem Lebensalter und zu jeder Mahlzeit. Zusätzlich erfolgt eine Substitution mit fettlöslichen Vitaminen. Da der gute Ernährungsstatus direkt proportional mit der Lungenfunktion und der Lebenserwartung ist, wird ab Beginn der Diagnose auf eine hyperkalorische Ernährung Wert gelegt, meist klappt die notwendige Kalorienaufnahme nur mit Zusatzshakes, bei Dystrophie ist auch eine zeitweilige Versorgung mit einer Peg-Sonde erforderlich.

Transplantation (TX)

Als letzte Möglichkeit bei Organversagen besteht die Vorstellung zur Transplantation. Der Zeitpunkt der Vorstellung zur Listung ist eine medizinische Gratwanderung, das erste Ansprechen auf eine mögliche TX sollte ca. 12 Monate vor der tatsächlichen Listung sein, damit sich Patient und Familie gut informieren und psychisch darauf einstellen können, aber auch medizinische Vorsorgemaßnahmen, wie intensivere Ernährungstherapie, Ausdauertrainingsprogramm, in Ruhe erfolgen können.
Die Listung selbst sollte dann erfolgen, wenn die Lungenfunktion konstant < 30% FEV1 ist, ein durchgehender Sauerstoffbedarf erforderlich ist und kein stabiler Status zwischen den Exazerbationen erreicht werden kann.
Die Ergebnisse der Lungentransplantation sind sehr gut, sowohl im Kindes als auch im Erwachsenenalter, bei CF finden sich ähnliche Ergebnisse wie bei anderen Indikationen. Bei Besiedelung mit multiresistenten Keimen sind die Ergebnisse generell schlechter.
Die Leber-TX ist selten erforderlich, bei ca. 1% der meist männlichen Patienten kann es zur schweren Leberzirrhose kommen, dies oft schon im Kindesalter. Bei wenigen Patienten muss auch an eine kombinierte Lungen-Leber-TX gedacht werden.

Modulatoren: „Kausale Therapie“

In den letzten Jahren haben sich Therapieansätze auf zellulärer Ebene entwickelt, diese beeinflussen den Aufbau oder die Funktion des CFTR-Proteins in der Epithelzelle (CFTR-Modulatoren).

Korrektoren: Das fehlgebildete CFTR-Molekül kann trotz des falschen Aufbaues an die Zell­oberfläche transportiert werden; z. B. kann dies bei dF508 durch die Substanz VX-809 (Lumacaftor) bewirkt werden.

Potenziatoren: Das funktionsuntüchtige CFTR-Protein an der Zelloberfläche kann durch diese Substanzen aktiviert und so zumindest eine 10–15%ige Funktion erreicht werden, z. B. durch VX-770, Ivacaftor.

Für die Gating-Mutation G551D (Klasse-III-Mutation) ist Ivacaftor (Kalydeco®) seit 2012 zugelassen und kann für Patienten mit dieser Mutation ab dem 6. Lebensjahr verordnet werden. Erfreulicherweise ist diese orale Therapie systemisch wirksam und bringt somit eine Verbesserung aller betroffenen Organsysteme. In den Zulassungsstudien konnten deutliche Verbesserungen des Schweißtestes, der Lung
enfunktion, der Häufigkeit pulmonaler Exazerbation und der Gewichtsentwicklung gezeigt werden. Leider sind Patienten mit dieser Mutation die Minderheit der CF-Patienten – ca. 4%.

Für die Patienten mit der Mutation dF508 homozygot wurde die Kombination des Korrektors mit dem Potenziator (VX-809 mit VX-770) untersucht und zeigt ebenfalls signifikante, allerdings 4–5%ige Verbesserungen. Die Zulassung in den USA wurde von der FDA bereits bewilligt, von der EMA wird sie Ende 2015 erwartet. („Orkambi [TD]“)

Zusammenfassung

Die Erkrankung CF ist leider immer noch unheilbar. Trotzdem können aufgrund der Therapiekonzepte der letzten 2 Jahrzehnte durchschlagende Erfolge der Lebenserwartung und der Lebensqualität erreicht werden. Über die Hälfte der 18-jährigen Patienten, die in eine Erwachsenenbetreuung eintreten, haben eine normale Lungenfunktion, ein normales Gewicht und eine abgeschlossene Schul- oder Lehrausbildung. Ein Großteil der Erwachsenen ist lange Zeit im Beruf tätig. Die Familienplanung kann für Frauen, aber auch für Männer unter Zuhilfenahme künstlicher Fertilisierung erfolgen.
Sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter ist der Therapieaufwand enorm und oft die Hauptlast der Erkrankung, die Betroffenen sollten in der Umsetzung optimal unterstützt werden. In einer Zeit der knapper werdenden Ressourcen, sowohl im Personalbereich der CF-Zentren als auch in der Bewilligung der Medikation, ist eine starke Selbsthilfegruppe unumgänglich und eine enge Zusammenarbeit mit den Zentren ist sehr wünschenswert.
Große Hoffnung für die kommenden Jahre bietet die Weiterentwicklung der Modulatoren-Therapie, die der kleinen Patientengruppe mit einer Gating-Mutation bereits deutliche Verbesserungen bringt. Diese Therapiemöglichkeit ist letztendlich für alle Mutationsklassen wünschenswert.