CAR-T-Zell-Therapie beim Multiplen Myelom

SPECTRUM Onkologie: Welche Möglichkeiten einer CAR-T-Zell-Therapie bieten sich für Patienten mit Multiplem Myelom? Wie ist die Datenlage hierzu?
Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Maria Krauth: Bis dato stehen uns mit Ciltacabtagen Autoleucel (Cilta-cel) und Idecabtagen Vicleucel (Ide-Cel) zwei zugelassene Optionen zur Verfügung. Im August 2021 erfolgte die Zulassung von Ide-Cel, der ersten von der EMA zugelassenen zellbasierten Gentherapie beim Multiplen Myelom überhaupt. Ide-Cel ist indiziert zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Multiplem Myelom (RRMM), die mindestens drei vorangegangene Therapien erhalten haben (einschließlich eines Immunmodulators [IMiD], eines Proteasom-Inhibitors [PI] und eines Anti-CD38-Antikörpers) und deren Erkrankung sich seit der letzten Behandlung verschlechtert hat. Die Zulassung basiert auf der multizentrischen Phase-II-Studie KarMMa, die Gesamtansprechrate (ORR) lag bei 72 %, die Rate an Komplettremissionen (CR) betrug 28 %.1 Im Mai 2022 folgte die (bedingte) Zulassung von Cilta-Cel zur Behandlung erwachsener RRMM-Patienten, die mindestens drei vorangegangene Therapien erhalten haben, darunter ein IMiD, ein PI und ein Anti-CD38-Antikörper, und bei denen die Krankheit unter der letzten Behandlung progredient war.2 Die Zulassung basiert auf der laufenden, offenen, multizentrischen Phase-Ib/II-Studie CARTITUDE-1, die beeindruckende Daten hinsichtlich Response (ORR weit über 90 %) und klinischem Outcome zeigte – und das nicht nur bei schwer vortherapierten Patienten, sondern auch in früheren Therapielinien und auch bei Hochrisikopatienten.
Welche Patienten sind überhaupt für eine CAR-T-Therapie geeignet – sprich, welches Kollektiv profitiert?
Prinzipiell ist die CAR-T-Zell-Therapie für alle Patienten geeignet, auch für ältere Patienten kann diese Art der Therapie unter gewissen Voraussetzungen eine Möglichkeit darstellen. Da im Wesentlichen von derselben Belastung wie bei einer autologen Stammzelltransplantation (ASZT) auszugehen ist, eignet sich die CAR-T-Zell-Therapie wohl am besten für junge, aber auch für ältere fitte Patienten.
Wo wird sich Ihrer Meinung nach die CAR-T-Zell-Therapie einreihen?
Aktuell liegen uns die meisten Daten zu schwer vortherapierten Patientenkollektiven und im relapsierten Setting vor. Es läuft jedoch aktuell eine Vielzahl an Studien, in denen CAR-T-Zellen bereits in frühen Linien (sogar in der Erstlinie) oder im ersten Relaps eingesetzt werden. Die Daten hierzu sind beeindruckend, weshalb sich aus meiner Sicht die CAR-T-Zell-Therapie künftig viel weiter vorne einreihen und wahrscheinlich in den nächsten Jahren ein essenzieller Bestandteil einer effektiven frühen Therapielinie sein wird.
Gibt es bevorzugte Therapien vor einer CAR-T-Zell-Therapie?
Die Studien zu CAR-T-Zellen sind generell so angelegt, dass Patienten bereits mit IMiDs, PIs und Anti-CD38-Antikörpern vortherapiert sind. Es sollte darauf geachtet werden, dass unmittelbar vor einer CAR-T-Zell-Therapie keine Alkylanzien zum Einsatz kommen, da es hierdurch zu einer Beeinträchtigung der Immunzellen kommt.
Welche Therapien sind nach einer CAR-T-Zell-Therapie denkbar?
Eine der Hauptfragen im Moment ist gewiss das optimale Sequencing einzelner Therapieformen. Vermutlich wird es so sein, dass nach einer CAR-T-Zell-Therapie, sofern sie nicht schon verabreicht wurden, bispezifische Antikörper zum Einsatz kommen oder wiederum die Kombination einzelner Substanzen, die bereits verabreicht wurden.
Benötigen Patienten mit Multiplem Myelom, die für eine CAR-T-Zell-Therapie vorgesehen sind, eine Bridging-Therapie?
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Herstellung von CAR-T-Zellen komplex und zeitaufwendig ist. Der Zeitfaktor, der limitierende Faktor von CAR-T-Zell-Therapien, ist v. a. der Tatsache geschuldet, dass die Modifikation der körpereigenen T-Zellen des Patienten für die CAR-T-Therapie bis dato nur in den USA ausgeführt werden kann. Da in dieser Zeit die Krankheit ansonsten zu rasch voranschreitet, benötigen die meisten Patienten eine Bridging-Therapie. Bei einer sehr rasch progredienten Erkrankung kann in den meisten Fällen nicht darauf gewartet werden, bis das CAR-T-Zell-Produkt hergestellt ist, und müssen möglicherweise andere Therapiekonzepte zum Einsatz kommen. Hier sehe ich den Vorteil eher bei bispezifischen Antikörpern, da diese im Gegensetz zu CAR-T-Zellen off the shelf sofort verfügbar sind.
Wie viele Patienten in Österreich eignen sich für eine CAR-T-Zell-Therapie?
Sicherlich all diejenigen Patienten, die sich auch für eine ASZT eignen würden. Betrachtet man das mediane Alter unserer Patienten, ist dies zwar nicht der Hauptteil aller Myelom-Patienten, aber für einen großen Teil bereits eine Option.
Werden CAR-T-Zell-Therapien künftig an allen Zentren in Österreich angeboten werden?
Nein, das glaube ich nicht, da die CAR-T-Zell-Therapie eine Therapieform ist, die einer speziellen Expertise bedarf. Aufgrund ihrer Komplexität wird die CAR-T-Zell-Therapie nur in qualifizierten Zentren durchgeführt und erfolgt die Infusion der CAR-T-Zellen ausschließlich auf einer Spezialstation. Das Verfahren unterliegt intensiver Kontrolle und strengen Qualitätsstandards. Die Etablierung in allen Zentren wäre eine enorme Herausforderung. Die CAR-T-Zell-Therapie wird in Österreich allgemein seit 2016 in Studien und seit 2019 in der Routine angewendet.3 In Österreich haben sich sechs Zentren zu einem österreichischen CAR-T-Zell-Netzwerk zusammengeschlossen, eine flächendeckende Anwendung in Österreich ist somit gegeben.
Ist das Nebenwirkungsprofil einer CAR-T-Zell-Therapie mit den bisherigen Substanzen vergleichbar?
Das Nebenwirkungsprofil ist ein ganz anderes, als wir es von unseren bisherigen Therapien (IMIDs, PIs, Anti-CD38-Antikörper) kennen. Eine CAR-T-Zell-Therapie kann mit schweren Nebenwirkungen einhergehen. CAR-T-Zellen zeigen als Immunkonstrukt Nebenwirkungen, die durch das Immunsystem ausgelöst werden, wie das sogenannte Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) oder auch Neurotoxizität (Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom, ICANS). Da bei ersten Anzeichen dieser Nebenwirkungen eine sofortige Einleitung entsprechender Maßnahmen gewährleistet sein muss, ist eine Verabreichung von CAR-T-Zell-Therapien nur an spezialisierten Zentren möglich.
Vielen Dank für das Gespräch!