Relevanz der MRD-Testung

Die Rolle der minimalen Resterkrankung (Minimal Residual Disease, MRD) hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert, zumal sie bereits in vielen Zentren Teil der Routineevaluierung des Therapieansprechens bei Patienten mit multiplem Myelom (MM) ist. Obwohl das MM in den meisten Fällen inkurabel ist, hat sich dennoch die Gesamtüberlebenszeit durch die Einführung neuer Substanzen (immunmodulierende Substanzen, IMIDs; Proteinaseinhibitoren, PI; neue Antikörper) deutlich erhöht und liegt mittlerweile bereits bei 7 bis 10 Jahren, wobei einige Patienten sogar als funktionell geheilt definiert werden können. Parallel dazu haben sich die Ansprechraten auch durch die neuen Therapieregime dramatisch erhöht, sodass nahezu alle Patienten, die im Rahmen einer Erstlinie mit einer Triplett-Therapie behandelt werden (z. B. ein IMID, ein PI kombiniert mit einem Steroid), ein Ansprechen zeigen und bis zu 80 % der Patienten sogar ein komplettes Ansprechen (Complete Response, CR) aufweisen.

Verfeinerte Definitionen des Ansprechens

Die Internationale Myelom Arbeitsgruppe (IMWG) hat daher konsequenterweise eine Verfeinerung der Definitionen des Therapieansprechens als wichtigen therapeutischen Endpunkt vorgenommen und definiert die Präsenz von unter einer Myelomzelle auf 100.000 (10–5) normale Plasmazellen im Knochenmark (KM) als MRD-negativ. In nahezu allen Studien sowie einer Metastudie konnte gezeigt werden, dass das Vorliegen einer MRD-Negativität zu einem verlängerten progressionsfreien Überleben (PFS) als auch zu einem verlängerten Gesamtüberleben (OS) führt, die MRD-Negativität sozusagen als Surrogatparameter dienen kann. Prinzipiell gibt es 2 Methoden, um die MRD zu messen: zum einen durchflusszytometrisch mittels der Multiparameter Flow Cytometry (MFC), wobei man sich hier unterschiedliche immunphänotypische Profile zwischen normalen und abnormalen Plasmazellen zunutze macht (Detektionsniveau von 10–5 bis 10–6); zum anderen mittels Next Generation Sequencing (NGS), bei der das individuelle, jeder Myelomzelle eigene VDJ-Rekombinationsprodukt quantitativ sequenziert wird und mit der eine Sensitivität von einer Myelomzelle auf eine Million (10–6) normaler Plasmazellen erreicht werden kann. Beim ASH 2019 wurden einige Studien vorgestellt, die MRD als sekundären Endpunkt analysierten:

Bei Patienten mit Hochrisiko-SMM (Smoldering Multiple Myeloma), die in > 50 % binnen 5 Jahren in ein aktives Myelom übergehen, wurde mittels der Kombinationstherapie von 9 Zyklen Ixazomib-Lenalidomid-Dexamethason (IRd) gefolgt von 14 Zyklen einer Erhaltungstherapie ohne Dexamethason untersucht, wie viele Patienten nach 2 Jahren progressionsfrei sind. Die Gesamtansprechrate lag bei 93 %, wobei > 50 % eine VGPR (Very Good Partial Remission) oder besser erreichten. Die MRD-Rate lag bei den Respondern bei 70 %, wobei nach 15 Monaten Nachbeobachtungszeit keine Progression in ein MM zu beobachten war (Abstract #580).

Bei den transplantationsuntauglichen neu diagnostizierten Myelompatienten (NDMM) wurde die MAIA-Studie (Daratumumab-Lenalidomid-Dexamethason [D-Rd] vs. Rd) mit einer nunmehr 36-monatigen Nachbeobachtungszeit präsentiert, wobei das Gesamtansprechen (ORR) eindeutig zugunsten des Daratumumab-Arms verschoben war (ORR 93 % mit D-Rd vs. 82 % mit Rd). Ein signifikant höherer Anteil von D-Rd- vs. Rd-Patienten erreichte eine MRD-Negativität (29 % vs. 9 %) und wies auch eine anhaltende (≥ 12 Monate) Negativität auf (11 % vs. 2 %). Erwartungsgemäß konnte auch das progressionsfreie Überleben (PFS 1 und PFS 2) signifikant durch Zugabe von Daratumumab verlängert werden (Abstract #1875). Eine weitere Phase-III-Studie bei transplantationsuntauglichen NDMM-Patienten mit nunmehr ebenso einer > 3-jährigen Nachbeobachtungszeit war die ALCYONE-Studie (9 x Daratumumab-Bortezomib-Melphalan-Prednison [D-VMP] mit Daratumumab-Erhaltung vs. VMP ohne Erhaltungstherapie) wobei auch in diesem Kontext sowohl das PFS und erstmalig auch nunmehr das OS signifikant verlängert waren. Die MRD-Rate stieg von der Erstauswertung nach 16 Monaten von 22 % auf 28 % nach mittlerweile 40 Monaten Nachbeobachtungszeit (Abstract #859).

Von besonderer Bedeutung ist die MRD-Messung bei transplantationstauglichen jüngeren NDMM-Patienten, zumal diese einer Konsolidierung mittels autologer Stammzelltransplantation (ASCT) zugeführt werden sollten und hierbei die höchsten MRD-Negativitätsraten – und damit auch die Voraussetzung einer ultimativ anzustrebenden Heilung – erreicht werden können. Exemplarisch sei hier das Update der CASSIOPEIA-Studie genannt, bei der ein randomisierter Vergleich zwischen D-VTd (Daratumumab-Bortezomib-Thalidomid-Dexamethason) vs. VTd einen signifikanten Vorteil hinsichtlich des PFS (93 % vs. 85 % nach 18 Monaten), der CR-Raten (39 % vs. 26 %) und MRD-Negativitätsraten (64 % vs. 44 %) erbrachte (Abstract #692).

Besonders eindrucksvoll war die Präsentation des MASTER-Trials, einer Quadrupeltherapie, in der die Substanzen Daratumumab, Carfilzomib, Lenalidomid and Dexamethason (Dara-KRd) in der Erstlinientherapie kombiniert wurden, gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation (ASCT) sowie einer MRD-getriggerten Konsolidierung mittels jeweils 1 bis maximal 2 Blöcken bestehend aus 4 x KRd. Es wurden 81 zumeist Hochrisikopatienten behandelt, wobei alle Patienten ein Ansprechen zeigten und nach der MRD-getriggerten Konsolidierungsphase als bestes Ansprechen unabhängig vom zytogenetischen Profil eine MRD-Negativitätsrate (NGS-MRD-Detektionsniveau < 10–5) von 82 % aufwiesen (Abstract #860). Diese Studie belegt eindrucksvoll, dass mit Dara-KRd bisher unerreichte MRD-Negativitätsraten auch bei Hochrisikopatienten erreicht werden können und dass eine MRD-getriebene (Response-adaptierte) Therapie bei den meisten fitten ASCT-tauglichen Patienten durchführbar ist und somit ggf. die physischen und finanziellen Belastungen einer kontinuierlichen Therapie signifikant reduziert werden können.