Stammzelltransplantation – wo stehen wir?

Autologe Stammzelltransplantation

An dem Konzept der autologen STZ hat sich in den letzten 20 Jahren nicht viel verändert. Der Stellenwert des Verfahrens liegt in der Applikation von Chemotherapie in Dosen jenseits der sonst limitierenden Hämatotoxizitätsgrenze der Einzelsubstanzen bzw. der Substanzkombinationen. Durch die anschließende Rückgabe zuvor gewonnener patienteneigener Blutstammzellen kann die Aplasiedauer nach dieser „Konditionierungstherapie“ auf 10–14 Tage verkürzt bzw. eine Blutbildrekonstitution erst ermöglich werden.1 Wenngleich die Therapie mit bedeutender Toxizität und der Notwendigkeit eines breiten supportiven Managements assoziiert ist, ist das Verfahren in der heutigen Zeit angesichts einer Rate der transplantassoziierten Mortalität (TRM) < 2 % als sicher anzusehen.2

Die Hauptindikation der autologen SZT liegt im Bereich der Plasmazellerkrankungen, insbesondere des multiplen Myeloms, zur Erreichung oder Konsolidierung einer möglichst tiefen Remission nach vorangehender Induktionstherapie. Letztere besteht heute in der Regel aus einer Dreierkombination, welche zumindest einen Proteasomeninhibitor (PI) +/– eine immunmodulatorische Substanz („Imid“) enthalten sollte. Als Konditionierungstherapie hat sich die Gabe von Hochdosis-Melphalan (200 mg/m2) etabliert, wenngleich eine weitere Optimierung der Konditionierungstherapie möglich erscheint.3 Kritiker der autologen Stammzelltransplantation beim multiplen Myelom sahen bzw. sehen ihre Bedeutung angesichts der Entwicklung der genannten und anderer „neuer Substanzen“ im Abnehmen begriffen. Tatsächlich stammen viele Studien, welche der autologen SZT einen Überlebensvorteil bescheinigen, aus der Zeit vor der Verfügbarkeit dieser Medikamente. Klar ist allerdings, dass auch im Zeitalter des Standardeinsatzes von PIs und Imiden die frühzeitige Hochdosischemotherapie mit autologer SZT einen deutlichen Vorteil hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) bietet. Diese Ergebnisse wurden anschaulich in einer rezenten Metaanalyse in JAMA Oncology herausgearbeitet, welche die vier wichtigen randomisierten, kontrollierten Studien der letzten 5 Jahr zu dem Thema zusammenfasst (Tab. 1).4 Wenn nicht konsolidierend nach Induktion eingesetzt, sollte die autologe SZT spätestens nach dem ersten Rezidiv verfolgt werden. Diese Strategie führte in der IFM-2009-Studie zu einem gleichen Überleben wie bei Upfront-Transplantation und konnte bei 79 % der Patienten nach erstem Rezidiv angewandt werden.5

 


Da die autologe SZT wie auch sonst alle verfügbaren Therapien zu keiner Kuration des multiplen Myeloms führen, wurden verschiedene Strategien zur Erhaltung einer Remission getestet. Als Standard hat sich eine Erhaltungstherapie mit Revlimid® nach SZT etabliert, wenngleich diese als durchaus toxisch zu betrachten ist (bis zu 30 % Abbruchsrate).6 Dieses Vorgehen wurde auch in der rezenten BMT-CTN-0702-Studie bestätigt, welche keine Überlegenheit einer autologen Tandem-SZT bzw. einer autologen SZT + intensivierten Konsolidierung zeigte.7

Bei Lymphomen wird die autologe SZT nach vorheriger Hochdosischemotherapie mit BEAM (BCNU, Etoposid, Ara-C, Melphalan) vor allem bei Patienten mit chemotherapiesensiblem erstem Rezidiv angewandt. Exemplarisch kann so ein erkrankungsfreies Langzeitüberleben von 50 % bei Patienten mit diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL), dem häufigsten Non-Hodgkin-Lymphom, erreicht werden.8 Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass weniger als 50 % der Patienten mit Rezidiv nach R-CHOP einer autologen SZT zugeführt werden können, wohingegen der Rest nicht auf Salvage-Therapie anspricht. Der Anteil der Patienten, welche durch eine autologe SZT wirklich geheilt werden, ist unter Betrachtung des Gesamtkollektivs somit eher gering. Dies wurde auch von der rezenten SCHOLAR-1-Studie unterstrichen, welche entsprechende Daten aus mehreren Interventions- und Beobachtungsstudien zusammenfasste.9 Die große Hoffnung in diesem Setting liegt bei den CAR-T-Zellen, welche beeindruckende Ergebnisse bei Patienten mit fortgeschrittenem rezidiviertem oder refraktärem DLBCL zeigen konnten und auch bereits in Österreich zugelassen sind.10
Abschließend sei erwähnt, dass sich auch zunehmend positive Daten für die Immunablation durch Hochdosis­chemotherapie mit autologer SZT bei Autoimmunerkrankungen wie multipler Sklerose oder Sklerodermie erheben lassen. Eine detaillierte Beschreibung dieses Indikationsspektrums würde allerdings den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Allogene Stammzelltransplantation

Die allogene STZ ist ein Standardtherapieverfahren bei akuten Leukämien, Myelodysplasien und myeloproliferativen Neoplasien: Diese Erkrankungen sind in den meisten Fällen nicht durch konventionelle Chemotherapie heilbar, sodass die allogene SZT oftmals die einzige kurative Therapiemöglichkeit darstellt. Der Effekt der Therapie beruht zu einem bedeutenden Teil auf dem Transfer eines neuen Immunsystems von Spender auf Empfänger, welches im Sinne einer Alloreaktivität residuale Erkrankung eradizieren bzw. kontrollieren soll. Gefürchtet war und ist die allogene SZT vor allem auf Grund der intensiven und toxischen Konditionierungstherapien sowie immunologischer Komplikationen, insbesondere der Graft-versus-Host Disease (GVHD). Glücklicherweise konnten bedeutende Fortschritte auf diesen Gebieten erzielt werden, sodass heute eine TRM ≤ 20 % nach 2 Jahren als Benchmark angestrebt werden kann. Möglich wurde dies vor allem durch die Entwicklung toxizitätsreduzierter Konditionierungstherapien mit erhaltener antileukämischer Aktivität11, besserer supportiver Therapien12 und Entwicklungen im Bereich der GVHD-Prophylaxe. Bezüglich Letzterer sind positive Studien zum Gebrauch von Anti-T-Lymphozytenglobulin (ATLG) hervorzuheben, welches das Risiko vor allem einer chronischen GVHD drastisch senkt.13–15 Neue Strategien zur Immunsuppression beinhalten den Einsatz von Post-Transplant-Cyclophosphamid (PTCy), welches in einer rezenten Phase-II-Studie mit einer TRM von nur 11 % nach 1 Jahr vergesellschaftet war.16

Seitens der Spenderauswahl ergibt sich zurzeit erstmals seit Aufbau der großen Spenderregister ein Rückgang der Transplantationen mit nichtverwandten Stammzellspendern zu Gunsten eines Anstiegs an haploidenten Transplantationen.17 Letztere bezeichnet die Verwendung eines verwandten Spenders, welcher mit dem Patienten nur zu 50 % in seinen genetischen HLA-Merkmalen (hauptverantwortliche Gene für Organabstoßung) übereinstimmt. Eine Transplantation mit HLA-Unterschieden zwischen Spender und Empfänger war bis vor kurzem nur unter Inkaufnahme exzessiver GVHD- und TRM-Raten durchführbar. Die Verwendung des zuvor erwähnten PTCy als Immunsuppression hat jedoch das Feld revolutioniert und ermöglich nun die Transplantation über bedeutende HLA-Disparitäten hinweg. Die Ergebnisse großer Registerstudien weisen auf eine Gleichwertigkeit zwischen haploidenter und HLA-gematchter nichtverwandter sowie verwandter Transplantation hin.18, 19 Sollten sich diese Ergebnisse in den nun beginnenden prospektiven, randomisierten Studien bestätigen, hätte dies eine deutliche Vereinfachung und Beschleunigung der Abwicklung von allogenen SZTs zur Folge, da sich im Umfeld der meisten Patienten ein potenzieller haploidenter Spender (Kinder, Eltern, Tanten/Onkel, Neffen/Nichten, Halbgeschwister) finden lässt.
Als letzter Aspekt soll hervorgehoben werden, dass die allogene SZT zunehmend als Teil eines fortgesetzten Behandlungskonzeptes denn als endgültige Therapie angesehen wird. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass ein Rezidiv der Grunderkrankung nach SZT weiterhin den Hauptgrund für ein Therapieversagen darstellt. Bei Patienten mit molekular angreifbarer Erkrankung (z. B. Philadelphia-positive ALL, FLT3-ITD-mutierte AML) dürfte zum Beispiel die Fortführung einer Erhaltungstherapie mit den entsprechenden zielgerichteten Medikamenten (z. B. Imatinib, Sorafenib) die Rezidivrate senken und möglicherweise das Überleben verbessern. Andere Strategien verfolgen eine Immunomodulation früh nach Transplantation und zeigen ebenfalls viel­versprechende Resultate in Phase-I/II-Studien (z. B. Panobinostat).20 Auch im Zeitalter der Genmodifikation und der chimären Antigenrezeptortechnologie tun sich synergistische Einsatzmöglichkeiten der allogenen SZT auf21, sodass in den nächsten Jahren weitere spannende Entwicklungen auf dem Gebiet zu erwarten sind.

 

 

Zusammenfassung

Studien in der „modernen Ära“ der Myelomtherapie konnten die Effektivität der autologen SZT zumindest hinsichtlich einer deutlichen PFS-Verlängerung bestätigen, sodass die Therapie bei dafür in Frage kommenden Patienten weiterhin routinemäßig eingesetzt werden sollte. Die autologe SZT ermöglich außerdem in 50 % der Fälle ein erkrankungsfreies Langzeitüberleben bei Patienten mit chemotherapiesensiblem Rezidiv eines DLBCL, kann jedoch nur bei weniger als der Hälfte der Patienten sinnvoll eingesetzt werden. Die allogene SZT ist die einzige kurative Therapie für die meisten Patienten mit akuter Leukämie, Myelodysplasie oder myeloproliferativen Neoplasien. Die Therapie ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden, sodass heute NRM-Raten ≤ 20 % anzustreben sind. Das Rezidiv der Grunderkrankung bleibt der Hauptgrund für Therapieversagen nach allogener SZT, wobei Entwicklungen im Bereich der Erhaltungstherapie und Immunmodulation das Feld in dauernder Bewegung halten.

 

1 Transplant Jahresbericht 2018. ÖBIG Transplant, Bundesministerium für Gesundheit, 2019
2 Saad A et al., Biol Blood Marrow Transplant 2014; 20(3):402–408 e1
3 Bashir Q et al., Lancet Haematol 2019; 6(5):e266–e275
4 Dhakal B et al., JAMA Oncol 2018; 4(3):343–350
5 Attal M et al., NEJM 2017; 376(14):1311–1320
6 McCarthy PL et al., JCO 2017. 35(29):3279–3289
7 Stadtmauer EA et al., JCO 2019; 37(7):589–597
8 Gisselbrecht C et al., JCO 2010; 28(27):4184–90
9 Crump M et al., Blood 2017; 130(16):1800–1808
10 Wohlfarth P et al., Memo 2018; 11(2):116–121
11 Rambaldi et al., Lancet Oncol 2015; 16(15):1525–1536
12 Mart FM et al., NEJM 2017; 377(25):2433–2444
13 Kroger et al., NEJM 2016; 374(1):43–53
14 Fink J et al., Lancet Haematol 2017; 4(6):e293–e301
15 Bonifazi F et al., Lancet Haematol 2019; 6(2):e89–e99
16 Bolanos-Meade J et al., Lancet Haematol 2019; 6(3):e132–e143
17 Passweg JR et al., Bone Marrow Transplant 2018; 53(9):1139–1148
18 Shaw BE, Blood Adv 2017; 1(6):401–406
19 Fuchs EJ, Blood Adv 2017; 1(6):397–400
20 Zeiser R et al., Biol Blood Marrow Transplant 2019; 25(4):e128–e140
21 Chapuis AG et al., Nat Med 2019; 25(7):1064–1072
22 Palumb A et al., NEJM 2014; 371(10):895–905
23 Gay F et al., Lancet Oncol 2015; 16(16):1617–29
24 Cavo M et al., Blood 2017; 130 (Suppl 1):397