Epigenetische Faktoren bei Asthma

Jeder Mensch ist anders, selbst eineiige Zwillinge sind nicht zu 100 % ident. Zu unterschiedlich sind die äußeren Einflüsse und die Genetik eines Menschen. Insbesondere epigenetische Einflüsse rückten zuletzt vermehrt in den Fokus der Entstehung und der Ausprägung einer Erkrankung. Unter Epigenetik versteht man – laut Wikipedia – ein Fachgebiet der Biologie, das sich mit der Frage befasst, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung der Zelle zeitweilig festlegen. Sie untersucht die Änderungen der Genfunktion, die nicht auf Veränderungen der Sequenz der Desoxyribonukleinsäure (DNA), etwa durch Mutation oder Rekombination, beruhen und dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden.

Umwelteinflüsse nehmen somit eine essenzielle Rolle in der Asthmaentwicklung ein, wobei sowohl auslösende Faktoren als auch protektive Faktoren beschrieben sind. Insbesondere die Gabe von oder die Exposition zu protektiven Faktoren könnte einen Durchbruch sowohl in der Therapie als auch in der Prävention ergeben. Ein Wegbereiter hierfür waren die Arbeiten von Josef Riedler und Erika von Mutius über den allergieprotektiven Effekt von frühkindlicher Kuhstallexposition und Trinken unpasteurisierter Milch.

Phänotypisierung: Auch die bessere und genauere Phänotypisierung von Asthma bronchiale könnte mittels Epigenetik erfolgen. Bis dato stehen uns in der Routinediagnostik lediglich die Allergieparameter Gesamt-IgE und spezifisches IgE, die Eosinophilenzahl im Blut und das FeNO im Exhalat zur Verfügung. Zu bedenken ist aber, dass epigenetische Diagnostik zumeist nicht im Blut, sondern nur im spezifischen Gewebe durchgeführt werden kann. So zeigten CpG-Gensequenzen (CpG: 5′-Cytosin-Phosphat-Guanin-3′), die aus Epithelzellen der Nasenschleimhaut und der glatten Muskelzellen der Atemwege stammten, ein deutlich stärkeres Signal als aus Blut gewonnene CpGs. In Zahlen ausgedrückt: Während im Blut im Median lediglich 1,3 Veränderungen gefunden wurde, zeigte die Untersuchung in Epithelzellen im Median 9,3 Veränderungen. Bei atopischer Dermatitis konnten methylierte DNA-Sequenzen nur in der Haut gefunden werden.

Essenzielle Steuermechanismen: Epigenetische Phänomene sind essenzielle Steuermechanismen. Sie könnten uns eine Vielzahl von medizinischen Fragen erklären, etwa die individuelle Entstehung von Erkrankungen, deren Verlauf und das Ansprechen auf Therapie. Die drei wesentlichsten epigenetischen Mechanismen sind die DNA-Methylierung, die Histon-Modifikation und die microRNA-(miRNA-)Expression, „non-coding“ RNA und transkriptionelles Gene-Silencing (Tab.). Durch die Methylierung einzelner Gensequenzen, die reich an Cytosin und Guanin sind (CpG-Inseln), wird deren Aktivität verstärkt oder inhibiert. So beruht die Steroidresistenz von Asthmatikern etwa auf DNA-Methylierung, aber auch auf verminderter Histondeacetylierung (Inhibition der Histondeacethylase-2, HDAC2).

 

 

Epigenetische Einflüsse auf die Asthmatherapie: Als multifaktorielle, inflammatorische Erkrankung des Bronchialsystems steht die antiinflammatorische Therapie in der Asthmatherapie an erster Stelle. Zuletzt wurde auch bei leichtgradigem Asthma stets die Verwendung eines Controllers empfohlen (GINA 2019). Allerdings ist schon länger bekannt, dass es auch Asthmatiker gibt, die auf Steroid weniger ansprechen (Steroidresistenz). Auslösende Faktoren sind hier neben genetischer Disposition (Chromosom 22 – APOBEC3B und APOBEC3B) etwa das Rauchen, das zur Reduktion der HDAC2 führt. Eine Steroidtherapie führt zu epigenetischen Veränderungen durch generellen Verlust der Histonacetylierung durch Aktivierung diverser Histondeacetylasen und durch Entfernung von NF-KB vom Glukokortikoidrezeptor. Vor kurzem wurde gezeigt, dass methylierte CpG-Inseln auf den Genen IL12B und CORT zu einem besseren Ansprechen auf eine Steroidtherapie und damit einer Verringerung der Exazerbationen führten. Auch bei der allergenspezifischen Immuntherapie spielen epigenetische Einflüsse im Desensibilisierungsprozess eine wesentliche Rolle. So scheint die Demethylierung der Treg-spezifischen demethylierten Region von FOXP3 wesentlich für die anhaltende immunsuppressive Wirkung der regulatorischen T-Zellen (Treg) zu sein. In einer Hausstaubmilbenstudie konnte gezeigt werden, dass die vermehrte Methylierung am IL-4-Promotor zur Inhibition des TH2-Signals führt.

Epigenetische Veränderungen und Asthmadiagnose: Die DNA-Methylierung ist mit dem Entstehen von Allergieneigung und erhöhten IgE-Werten assoziiert. Des Weiteren können Patienten mit Asthma bronchiale, saisoneller allergischer Rhinitis, atopischer Dermatitis und Lebensmittelallergien unterschieden werden. Pränatales Rauchen führt zu multiplen DNA-Methylierungen, wobei zuletzt gezeigt werden konnte, dass pränatales Rauchen bei weitem mehr Veränderungen bewirkt als postnatales Passivrauchen oder jugendliches aktives Rauchen. Epigenetische Veränderungen sind dafür bekannt, auch über mehrere Generationen Einflüsse zu haben. Ein Beispiel dafür ist die Belastung/Exposition der Mutter gegenüber dem Plastikweichmacher Butylbenzylphthalat, welches zu einer erhöhten Asthmainzidenz bei den Kindern führt. Parallel dazu wurde in einem Mausmodell das butylbenzylphthalatinduzierte Asthma nachgestellt. Die DNA-Hypermethylierung von CD4+-T-Zellen wurde als Ursache gefunden, und eine Behandlung mit einem DNA-Demethylierer konnte im Mausmodell Asthmaexazerbationen verhindern.

Schlussfolgerungen: Das Wissen um epigenetische Mechanismen brachte und bringt besseres Verständnis zu Pathogenese und Therapie von Asthma bronchiale. Bei aller Begeisterung für die Epigenetik und ihr Potenzial muss man die Studienresultate bezüglich Praxisrelevanz und klinischer Umsetzung kritisch sehen. Sobald verlässliche Biomarker zur Verfügung stehen, ist zu erwarten, dass die Therapie spezifischer eingesetzt werden kann und insbesondere teure Therapien (Biologika) nur den Patienten zukommen, die auch davon profitieren. Zuletzt liegt in der Epigenetik ein wesentliches Potenzial in der Asthmaprävention.


Literatur beim Verfasser