Pflegereform − Von der Theorie zur Praxis: ein schwieriger Weg

Mit der Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) im Sommer 2016 wurde zum einen die gesetzliche Grundlage zu einer Reformierung der Berufsausbildung der Pflegeberufe geschaffen, zum anderen wurden Berufsbilder und Kompetenzbereiche neu gestaltet.
Künftig wird es also drei Berufsbilder geben: neben dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege die Pflegefachassistenz (PFA) und die Pflegeassistenz (PA).

Wie erfolgt die Ausbildung?

Das Berufsbild der Pflegeassistenz ersetzt de facto die bisherige Pflegehilfe. Die Ausbildung dauert ein Jahr und erfolgt an Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege (Umfang 1.600 Stunden). Neu geschaffen wurde die Qualifikationsstufe der Pflegefachassistenz, deren Ausbildung 2 Jahre dauert und ebenfalls an Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege erfolgt (Umfang 3.200 Stunden).
Für die dritte Stufe, die Berufsgruppe des gehobenen Dienstes für Gesundheit- und Krankenpflege, stehen vorläufig noch beide Ausbildungswege (alt und neu) zur Verfügung. Ab 2024 soll die Berufsausbildung für den gehobenen Dienst jedoch ausschließlich im universitären Bereich (3 Jahre FH-Studium) mit Bachelorabschluss erfolgen (4.500 Stunden, 180 ECTS).

Durchgängige Bildungskarrieren. Mit der Ausbildungsreform waren mehrere Ziele beabsichtigt: Zum einen sind die Ausbildungsinhalte aufeinander abgestimmt, und der Ausbildungspfad ist somit durchgängig. Das heißt beispielsweise, dass jemand, der zunächst nur die einjährige Ausbildung zur Pflegeassistenz absolviert hat, zu einem späteren Zeitpunkt unter Anrechnung der erworbenen Kenntnisse in die Ausbildung zur Pflegefachassistenz einsteigen kann.

Stichwort: Generalist. Ein weiteres Ziel der Reform ist es, die Pflegeausbildung zu generalisieren und Spezialisierungen erst nach den Grundausbildungen zu ermöglichen. Konkret bedeutet das auch das Aus für die beiden speziellen Grundausbildungen „Kinder- und Jugendlichenpflege“ und „psychiatrische Krankenpflege“. Beide Ausbildungen sollen 2020 auslaufen; die spezifischen Wissensinhalte werden in die allgemeine Ausbildung für die allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege integriert.

Spezialisierungen als Add-on. Spezialisierungen werden erst im Anschluss an die generalistische Grundausbildung möglich (vertiefend 30 ECTS, befugniserweiternd 90 ECTS). Neben der Spezialisierung für Lehr- und Führungsaufgaben wird es 10 setting- und zielgruppenspezifische Spezialisierungen geben, diese sind taxativ im GuKG gelistet. Derzeit sind erst Curricula für 3 von 10 Spezialisierungen fertig. Wann genau die restlichen Lehrpläne fertiggestellt sein sollen, ist noch unklar.

Kritische Stimmen

Vielfach wurde die Berufsreform unter dem Schlagwort „Akademisierung der Pflege“ diskutiert. Aus Sicht des Gesetzgebers und der Gesundheitsplanung gilt jedoch eine zeitgemäße Aufwertung des Berufsbildes und damit auch eine Überführung in den tertiären Bildungssektor als notwendig.
Für Diskussionen sorgte auch der Kompetenzbereich des neu geschaffenen Berufsbildes der Pflegefachassistenz, denn diese soll etliche Kompetenzen, die bis jetzt beim diplomierten Personal lagen, übernehmen. Skeptiker fürchten daher auch ein Downgrading der Aufgabenverteilung. Betrachtet man jedoch den derzeitigen Personalstand in Österreichs Krankenhäusern, dann fällt auf, dass der Anteil an diplomierten Kräften außergewöhnlich hoch ist: Derzeit entfallen im Österreich-Schnitt etwa 85% auf den gehobenen Dienst, nur 15% auf Pflegehilfe. Mit der Pflegereform und der neu geschaffenen gut ausgebildeten Pflegefachassistenz soll daher auch geplantermaßen der Personalschlüssel in Richtung Pflegefachassistenz verschoben werden.

Herausforderungen und offene Fragen

Mit der Gesetzesnovelle ist der erste Schritt der Pflegereform gesetzt, der zweite erfolgt mit dem Start der Ausbildung. Spätestens wenn nächstes Jahr die ersten Pflegefachassistenten ihre Ausbildung beenden, sollten aber auch die Weichen für den vermutlich größten und schwierigsten Schritt, die Implementierung in der Praxis, gestellt sein.
Wer soll die frisch ausgebildeten Pflegekräfte, deren Berufsbild es bislang noch gar nicht gibt, dann in der Praxis begleiten und schulen? Der ÖGKV hat mit seinem Projekt „Theorie-Praxis-­Transfer“ die Rahmenbedingungen formuliert, unter denen die praktische Anleitung erfolgen kann. Nun liegt es an den Trägerorganisationen, für die Umsetzung zu sorgen. Denn Theorie und Praxis sind „zwei Paar Schuhe“.
Die Pflegereform wird nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, die theoretische Ausbildung praktisch auf den Boden zu bringen. Es geht also darum, auch die entsprechenden Ressourcen – nämlich Pflegekräfte, die die Praxisanleitung übernehmen können, und vor allem Zeit – zur Verfügung zu haben. Das praktische Lernen muss in den Versorgungsalltag integriert werden.
Das ist keine leichte Aufgabe. Schließlich muss ein System mit drei Kompetenzbereichen anstelle (oder wohl besser parallel zu) eines mit bislang zwei Kompetenzbereichen implementiert werden – und das im laufenden Betrieb. Noch sind viele Fragen offen und die Strukturen noch nicht geschaffen. Der Ball liegt bei den Trägerorganisationen.
Dringend geklärt werden sollte auch die Frage der Spezialausbildungen. Derzeit sind erst 3 der 10 Curricula fertig. Der Ball liegt hier im Ministerium bzw. bei der GÖG. Die Zeit läuft auch hier …

 

 

 

 

 

Im Interview: MMag. Dr. Elisabeth Rappold

Die Pflegereform

Die Neuregelung soll bis 2024 stufenweise in Kraft treten – wo stehen wir, was ist offen, was ist schon gut gelungen?

Derzeit wird der gehobene Dienst in die tertiären Ausbildungslehrgänge an den FH übergeführt, und die Pflegefachassistenz-Ausbildung wird an den bisherigen Gesundheits- und Krankenpflegeschulen aufgebaut. Wir werden an den FH sicher mehr Lehrpersonal mit akademischen Qualifikationen sowie ausreichend Lehrpersonal mit Kompetenzen in der Kinder- und Jugendlichenpflege sowie psychia­trischen Gesundheits- und Krankenpflege benötigen.

Wie weit ist die Ausarbeitung der Curricula fortgeschritten?

Wir als GÖG sind an der Curriculaentwicklung beteiligt. Dabei gehen wir partizipativ vor und binden Expertinnen und Experten ein. Die Curriculaentwicklung umfasst vier Phasen und wird 2022 abgeschlossen sein.

Welche Spezialisierungen wird es geben, und bis wann sind die Lehrpläne dazu fertig?

Die Spezialsierungen sind im § 17 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, GuKG, abschließend aufgezählt: Kinder- und Jugendlichenpflege, psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege, Intensivpflege, Anästhesiepflege, Pflege bei Nierenersatztherapie, Pflege im Operationsbereich, Krankenhaushygiene, Wundmanagement und Stomaversorgung, Hospiz- und Palliativversorgung sowie psychogeriatrische Pflege. Die Spezialisierungen werden in den nächsten Jahren bearbeitet.

Gibt es für die Diplomierten genug FH-Plätze?

Derzeit wird in den Ländern an der Überführung an die Fachhochschulen gearbeitet. Dabei ist der Umsetzungsstand in Österreich unterschiedlich.

Wie wird die Durchlässigkeit zwischen den Berufsgruppen sichergestellt?

Grundsätzlich ist es möglich, sich von der Pflegeassistenz zur Pflegefachassistenz weiterzuentwickeln. Derzeit wird ein Validierungsinstrument erarbeitet, mit dem bereits erworbenes Wissen aus der beruflichen Tätigkeit der Pflegeassistenz für die Pflegefachassistenzausbildung angerechnet werden kann.

Wo sind aus Ihrer Sicht bei der Umsetzung noch offene Fragen?

Die Pflegefachassistenz ist als Beruf noch nicht bekannt. Es gilt einerseits das Berufsbild bekannt zu machen, PflegefachassistentInnen in Arbeitsprozesse einzubinden, Gehälter zu klären und andererseits die richtigen BewerberInnen anzusprechen. An der passenden Berufsgruppenzusammensetzung von Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und diplomiertem Personal wird derzeit in den Organisationen gearbeitet.

Ist der Beruf dadurch wirklich attraktiver und versorgungsorientierter geworden?

Pflege ist ein sinnstiftender, befriedigender Beruf, und dennoch ist die Art der Arbeit anstrengend. Die Attraktivität von Pflegeberufen wird nicht durch die Einführung eines neuen Berufes oder die Professionalisierung des gehobenen Dienstes für GuK alleine bewirkt, das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Mit der GuKG-Novelle wurde ein wichtiger Beitrag geleistet. Vieles bleibt aber noch zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte Renate Haiden

 

Im Interview: Mag. Karl Schwaiger

Wo steht die Umsetzung?

Die Neuregelung soll bis 2024 stufenweise in Kraft treten – wo stehen wir, was ist offen, was ist schon gut gelungen?

Insgesamt gibt es in Österreich regionale Unterschiede. In den meisten Bundesländern wurde die Zahl der Studienplätze ausgebaut, und die Überführung von der Sekundarstufe in den tertiären Bereich wird aktiv vorangetrieben. Die Zahl der Studienplätze ist aber nicht in allen Bundesländern gleich hoch, da wird es noch einen weiteren Schritt benötigen, damit wir hier auf ein einheitliches Angebot kommen.

Hat sich der Bewerbermarkt schon verändert?

Wir sehen schon, dass wir mehr Bachelorbewerber bekommen. Wir sehen auch, dass wir uns bei der Praxisanleitung auf die Studenten einstellen müssen. Die Praxisanleitung wird ausgebaut, und wir führen das sehr engagiert durch, um die Praxiskataloge auch erfüllen zu können. Natürlich erfordert das jetzt ein besonderes Engagement der Kollegen, die als Praxis­anleiter tätig sind. Wir müssen diesen Mitarbeitern Weiterbildungsangebote anbieten, damit wir den gesetzlichen Auftrag für ein „theoriegeleitetes Praktikum“ auch wirklich gut erfüllen können.

Ist ein Qualitätsverlust zu befürchten – im Sinne einer Verschiebung von Planstellen hin zu Pflegefachassistenz?

Das ist eine gewünschte Entwicklung. Wir müssen unsere Aufgaben und Qualitätslevels entsprechend der Pflegebedürftigkeit der Patienten verteilen. Wir haben bisher zu 80% Mitarbeiter des gehobenen Dienstes im Einsatz und nur 20% Pflegeassistenz, das ist aber in dieser Verteilung nicht immer erforderlich. Qualitätsverlust ist es keiner, wenn man die Organisation entsprechend anpasst und sicherstellt, dass der Patient jene Versorgung bekommt, die er benötigt. Und der Pflegebedarf an einer Intensivstation sieht eben anders aus als etwa an einer Normalstation.

Wie werden sich die neuen Berufsbilder in der Praxis bewähren?

Wir wissen es noch nicht genau, weil die Pflegefachassistenz haben wir noch nicht im System. Da kommen die ersten Absolventen Mitte März. Wir gehen aber davon aus, dass es erfahrene Kräfte sind, die sich ja auch schon als Pflegeassistenz bewährt haben und jetzt mit der zusätzlichen Qualifikation neue Aufgaben übernehmen können. Dass es drei Kompetenzstufen gibt, ist ja nur ein vorübergehender Ansatz, denn die Pflegeassistenz soll in den Krankenanstalten bis zum Jahr 2025 auslaufen. Es gibt nur eine Hintertüre: Wenn man zu diesem Zeitpunkt feststellt, dass eine Versorgung nicht sichergestellt wäre, dann würde man per Verordnung den Zeitpunkt verändern können.

Ist der Beruf wirklich attraktiver und versorgungsorientierter geworden?

Aus meiner Sicht war es unabdingbar, dass man den gehobenen Dienst in eine tertiäre Ausbildung überführt. Das ist wichtig, um auch in Zukunft genug Personal für den Job zu gewinnen. Das Ausbildungsangebot in der Sekundarschule ist für heutige Verhältnisse nicht mehr attraktiv genug.

Wo sind aus Ihrer Sicht bei der Umsetzung noch offene Fragen?

Die wesentliche Frage ist und bleibt: Wie gewinnen wir Interessenten für diesen Beruf? Das erfordert auch die Unterstützung der öffentlichen Hand, um eine breit angelegte Imagekampagne zu starten.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte Renate Haiden

MMag. Dr. Elisabeth Rappold

Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Gesundheit Österreich GmbH (GÖG)/ÖBIG

Foto: R. Ettl


Mag. Karl Schwaiger

1. Vizepräsident ÖGKV, Pflege­direktor, Salzburger Landeskliniken Hallein, Tamsweg und St. Veit/Pg.

Foto: Rupert Mühlbacher


AutorIn: Susanne Hinger

Chefredakteurin klinik

Foto: Felicitas Matern


Klinik 06|2017

Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH
Publikationsdatum: 2017-12-12