Seltene Erkrankungen: Endlich Zentren und Netzwerke

Alle Jahre wieder gestalten wir eine klinik-Ausgabe zum Thema ­Orphan Diseases. Alle Jahre hat man das Gefühl, irgendwie auf der Stelle zu treten.
Seit den ersten Awareness-Kampagnen und politischen Absichtserklärungen auf nationaler Ebene sind bereits viele Jahre vergangen. Die ­erste nationale Initiative ging damals von Betroffenen – Patientenorganisationen und wenigen behandelnden Ärzten – aus, die weiteren nationalen Bemühungen auf politischer Ebene folgten letztlich den EU-Vorgaben. Den Empfehlungen des Europäischen Rates vom Juni 2009 (!) folgend wurde ein nationaler Aktionsplan für seltene Erkrankungen (NAP.se) erarbeitet. Dieser wurde dann – nach jahrelangen Vorarbeiten und nach noch längerem Fine-Tuning mit allen Stakeholdern – Anfang 2015 (!) endlich publiziert.
Die für wahrscheinlich fast alle Beobachter unverständlich lange Entstehungsdauer ist auch den Besonderheiten des komplexen österreichischen Gesundheitswesens geschuldet. Der lange Entstehungsprozess hat am Ende aber zu einem Dokument geführt, in das alle relevanten Systempartner involviert waren. Der Schritt vom Papier zur Umsetzung hat nun begonnen, auch dieser wird Zeit in Anspruch nehmen …

Ähnlich viel Geduld ist nun auch in der Designation von österreichischen Expertisezentren im Rahmen der europäischen Referenznetzwerke gefordert. Diese sollen europaweit eine maximale Bündelung von Expertise ermöglichen. 2 österreichische Referenzzentren sind bereits designiert, weitere 6 könnten Mitte nächsten Jahres folgen. Auch dieser Prozess läuft bei uns langsamer oder später als in anderen Staaten, die Anzahl der designierten Zentren ist vergleichsweise niedrig – und das trotz hohen Engagements und unbestritten hoher vorhandener Expertise. Neben der Evaluation in medizinischer Hinsicht ist auch hier von Anfang an die Gesundheitsplanung involviert. Zentren können nur ­designiert werden, wenn auch die Ressourcen gewährleistet sind. Die Expertise soll weiter als bis zur Spitalstür wirken und nicht an Bundesländergrenzen enden müssen … Wieder geht es um Verhandlungen mit den Systempartnern, um die Konzepte auch nachhaltig abzusichern …
Der österreichische Weg ist also auch beim Designationsprozess von ­Expertisezentren ein gründlicher und angesichts des fragmentierten ­österreichischen Gesundheitssystems ein besonderer.

Doch sind dadurch für Patienten auch Verbesserungen wahrnehmbar? Als Erfolg der letzten Jahre wird unisono eine merkbar gesteigerte ­Awareness für seltene Erkrankungen und ein mittlerweile positives wohlwollendes Gesprächsklima der Systempartner beschrieben. Bis die Entwicklungen aber versorgungsrelevant werden und die gebündelte ­Expertise tatsächlich auch bei Patienten und – Stichwort: „undiagnosed diseases “, hohe Dunkelziffer – auch bei potenziellen Patienten ankommt, wird es wohl noch dauern.
Wir freuen uns, mit diesem Themenheft wieder einen weiteren kleinen Schritt in Richtung mehr Awareness und nachhaltiger Verankerung der seltenen Erkrankungen im österreichischen Gesundheitssystembegleiten zu können!

AutorIn: Susanne Hinger

Chefredakteurin


Klinik 05|2017

Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH
Publikationsdatum: 2017-11-08