Editorial 3/20

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen erstmals als Präsident der ÖGN die neueste Ausgabe von neurologisch einleitend präsentieren darf! Ich hoffe, Sie hatten in dieser beruflich und mitunter auch privat immer noch äußerst schwierigen Zeit der Pandemie ausreichend Gelegenheit und Muße, den Sommer entspannt und wieder Kraft tankend zu verbringen!

Die vorliegende Ausgabe von neurologisch bietet Ihnen wieder ein Potpourri an Nachrichten aus der ÖGN, Informationen aus den zahlreichen Arbeitsgruppen zu unterschiedlichsten neurologischen Erkrankungen, Kongressberichte und ein Schwerpunktthema. Letzteres hat sich über die letzten Jahre als das Herzstück von neurologisch herauskristallisiert. Die Beiträge zum jeweiligen Schwerpunktthema sind immer exzellent und top-aktuell von überwiegend österreichischen Expert*innen verfasst und halten internationalen Standards der Wissensvermittlung zum jeweiligen Thema uneingeschränkt stand. Auch diesmal ist es den drei Editoren Dr. Elmar Höfner, Prim. Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Peter Lackner und Dr. Peter Sommer gelungen, hervorragende Beiträge namhafter Autor*innen zum Thema „Neuro­logische Notfälle“ in zwei Teilen (Teil 2 folgt dann in der Ausgabe 04/2020 von neurologisch) zusammenzustellen. Zweifellos ist der neurologische Notfall ein zentrales Thema unseres tagtäglichen Wirkens, und das auf mehreren Ebenen. Abgesehen von (differenzial-)diagnostischen, therapeutischen und logistischen Herausforderungen akutneurologischer Erkrankungen, die spezifische neurologische Fachkenntnisse erfordern, sind neurologische Notfälle genuine und immanente Ausbildungsinhalte in der Sonderfachausbildung Neurologie, der kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung, aber auch in der unverändert dringlich geforderten Spezialisierung in neurologischer Intensivmedizin als Weiterführung des/der bewährten gleichnamigen Additivfacharztes/-ärztin.

Die neurologische Notfallversorgung in Österreich ist grundsätzlich sehr gut und beruht auf einer üblicherweise lückenlosen Versorgungskette von der extramuralen Erstversorgung (oft durch niedergelassene Neurolog*innen) über neurologische Notfallambulanzen bis zur stationären Versorgung an den akutneurologischen Abteilungen und Kliniken mit ihren neurologisch fachspezifischen Einrichtungen wie Stroke Units und neurologischen Intensivstationen. Durch dieses auf allen Ebenen fachspezifische neurologische Akutmanagement haben betroffene Patient*innen nachweislich ein besseres Outcome ihrer akutneurologischen Erkrankung. Als „Case Manager“ stehen Neurolog*innen bei vielen neurologischen Notfällen im Zentrum interdisziplinär bestens eingespielter Akutnetzwerke mit verlässlichen medizinischen und logistischen Par­t­ner*innen, beispielhaft genannt sei die wohlgelebte Zusammenarbeit mit (Neuro-)Radiologie, interventioneller Radiologie, Neurochirurgie, Gefäßchirurgie und Kardiologie, u. a. im Rahmen des Comprehensive Stroke Center. Gerade die COVID-19-Pandemie, vor allem während ihres Höhepunktes im März/April 2020, hat eindrücklich gezeigt, wie gleichermaßen robust, belastbar und funktionabel die Versorgung (akut-)neurologischer Patient*innen in Österreich selbst in einer völlig unerwarteten Krisenzeit ist.

Ebenso grundsätzlich wie die grundsätzlich gute akutneurologische Versorgung ist auch der grundsätzlich damit verbundene Anspruch auf stetige Verbesserung und Optimierung auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, weil die beschriebene Versorgungskette akutneurologischer Patient*innen (gegenwärtig …) nicht flächendeckend im selben Ausmaß gegeben ist. Das Erreichen der Rahmenbedingungen zur bestmöglichen Versorgung und Betreuung neurologischer (Akut-)Patient*innen zählt zu den dezidierten Aufgaben der ÖGN gemeinsam mit den Leiter*innen Neurologischer Kliniken/Abteilungen und den involvierten assoziierten Gesellschaften.

Eine weitere Kernaufgabe der ÖGN ist die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung auf qualitativ höchstem und aktuellem Niveau – diesem Anspruch unterliegt auch der Themenschwerpunkt der vorliegenden (sowie der nächsten) Ausgabe. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Serles, Präsident der Österreichischen Schlaganfallgesellschaft, widmet sich mit seinen Koautoren DDr. Simon Fandler-Höfler und OA Dr. Peter Sommer ausführlich dem Management akuter Schlaganfälle. „Time is brain“ ist das Mantra der prähospital-, aber auch der intramuralen Versorgungsphase. Die Autoren fassen in sehr übersichtlicher Weise die diagnostischen und therapeutischen Schritte entsprechend ihrer zeitlichen Dimension zusammen. Als Ausdruck der guten wie gleichsam wichtigen engen interdisziplinären Zusammenarbeit hat Prim. Univ.-Prof. Dr. Philip Eisenburger, Leiter der Abteilung für Notfallmedizin und Innere Medizin der Klinik Floridsdorf in Wien, gemeinsam mit Dr. Anna Steinacher und Dr. Milan Vosko internistische und neurologische Bewusstseinsstörungen zusammengefasst, die, wie so oft in der Akutsituation, primär unklarer Genese sind. Sehr übersichtlich werden die schnellen Herangehensweisen (Anamnese, häufigste richtungsweisende Symptome, diagnostische Untersuchungen) zur Aufklärung der akuten Bewusstseinsstörung dargestellt und beispielhaft auf Intoxikationen, aber auch kurz auf spezifische neurologische Akuterkrankungen (SHT, Schlaganfall, intrazerebrale Blutung, Status epilepticus, Meningitis/Enzephalitis) eingegangen.
Ein sehr wichtiger – weil nicht immer im Rahmen von Zusammenfassungen zu neurologischen Notfällen explizit hervorgehoben – Beitrag betrifft akute Schluckstörungen, dem sich Dr. Elmar Höfner aus neurologischer und Univ.-Prof. Dr. Doris-Maria Denk-Linnert aus otolaryngologischer Sicht ausführlich und praxisrelevant widmen. Abgerundet wird der erste Teil zu neurologischen Notfällen durch eine Übersicht zur Aphasie als Leitsymptom einer akuten neurologischen Erkrankung, fundiert und anschaulich aufbereitet von Dr. Johannes Wille und Prim. Dr. Philipp Werner.

Abschließend möchte ich Ihnen – abgesehen von den geschilderten Beiträgen zum Themenschwerpunkt – auch noch die interessanten Neuigkeiten aus den einzelnen Arbeitsgruppen zu speziellen neurologischen Erkrankungen sowie die beiden beschriebenen Fallberichte einer seltenen neurologischen Erkrankung (wir Neurolog*innen lieben ja Fallberichte, oder?) zur Lektüre nahelegen.

Ich hoffe sehr, dass Ihnen das Lesen der vorliegenden Ausgabe Freude bereiten wird, dass Sie das Gefühl nicht loswerden, dass Sie dadurch das eine oder andere Neue erfahren haben und dass Sie deshalb auch der nächsten Ausgabe von neurologisch wohlwollend entgegenblicken!

Herzliche Grüße!