Creativity with the power to change lives

Was wäre ein Werbefestival, wenn es nicht schon in Ankündigungen und Titel werblich ganz gewaltig auf die Tube drücken würde. Natürlich schüren Aussagen wie diese eine große Portion Neugier und wecken hohe Erwartungen an die präsentierten Kampagnen – und bei einzelnen Kampagnen wurden diese Erwartungen auch tatsächlich erfüllt.
Wie jedes Jahr war die Lions Health von Trends durchsetzt, von denen ich einige – genauso wie der Verfasser unseres Editorials – für absolut grenzwertig halte. Gefühlt jede internationale Pharmafirma, die in der Onkologie tätig ist, produziert Filme mit und über Patienten, die massiv auf die Tränendrüse drücken und das Leben der Patienten völlig unrealistisch im Stil von Modefotografie à la Peter Lindbergh oder Helmut Newton in Szene setzen. Die Videos haben keinerlei Informationsgehalt und es drängt sich die Frage auf, ob man Budgets nicht sinnvoller als für blanke Imagevideos verwenden könnte. Informationsbedarf gäbe es ja gerade in dieser Indikation mit all ihren bahnbrechenden Innovationen genug.

Umso mehr begeistert haben mich hingegen die folgenden Kampagnen, die tatsächlich mit ihrer Kreativität Leben verändert haben:

„The Tiniest Listing“ – eine Fundraising-Kampagne für das Cook County Hospital von Ogilvy & Mather, Chicago

In Chicago kommt eines von zehn Babys zu früh zur Welt und muss in den Inkubator. Aufgrund der prekären Versicherungssituation in den Vereinigten Staaten ist es vielen Eltern jedoch nicht möglich, die Kosten von 4.000 US-Dollar pro Nacht dafür aufzubringen.
Anstatt „gewöhnliche“ Spendenaufrufe zu starten, hat die Agentur kleine Inserate im Wohnungsanzeigen-Markt von Tageszeitungen platziert und die Babyinkubatoren als Mini-Apartments dargestellt mit der Bitte, eine Nacht für ein Baby in diesem Apartment zu buchen. Die Investition in die Anzeigen war marginal – wenige Hundert Dollar führten zu einem Spendenaufkommen von Hunderttausenden von Dollar, die das Überleben vieler Frühgeborenen retten.

 

 © Cannes Lions Health/lovethework.com

 

„The Imaginary Friend Society“ – Videos zur Aufklärung von jungen Patienten im Auftrag der Pediatric Brain Tumor Foundation von RPA aus Santa Monica

In 22 Videos werden medizinische Erklärungen und andere relevante Themen in kindgerechte Sprache übersetzt und von unglaublich entzückenden Charakteren präsentiert, die teilweise auf Basis von Kinderzeichnungen entstanden sind.

 

 © Cannes Lions Health/lovethework.com

 

Und dann noch etwas für die ­Tierfreunde unter den Lesern – „The Nest Adress“

Diese Kampagne hat das Leben von Störchen insofern verändert, als sie schlicht ihr Leben rettet. In Auftrag gegeben wurde sie vom Energie-Konzern Enel in Kooperation mit der rumänischen Ornithologischen Gesellschaft, ausgeführt von Publicis Rumänien.
Immer wieder gehen Storchennester, die auf Hochspannungsleitungen gebaut werden, in Flammen auf und die jungen, noch flugunfähigen Störche sterben darin. Eine App mit dem Titel „The Nest Adress“ ermöglicht der Bevölkerung, die „Adresse“ eines Nestes einzugeben. Enel stellt dann den Strom in diesem Abschnitt ab und die Nester werden mit einer Art Isolierung umhüllt, um die Störche zu schützen. 93% der auf Hochspannungsleitungen errichteten Storchennester konnten durch diese App rechtzeitig isoliert werden.
Für mich sind Kampagnen oder Kommunikationsideen immer dann besonders spannend, wenn man sich denkt: „Na klar, ist ja eh logisch, wie sollte man das sonst machen? Warum ist das noch niemandem früher eingefallen?“ Es ist aber offensichtlich niemandem eingefallen und auf einmal ist die Idee da. Und sie funktioniert. Und sie kann Leben verändern.

 

© Cannes Lions Health/lovethework.com