Die Patienten warten …

Der Studienstandort Österreich sei aktuell mit einigen großen Veränderungen konfrontiert, die teilweise durch europäische, teilweise durch globale Veränderungen bedingt seien, erläutert Dr. Holger Bartz, Medical Director bei Janssen. Seiner Ansicht nach kommt es zu einer Verschiebung von Studien in Richtung Schwellenländer. Dies habe, betont Bartz, weniger mit Kosten zu tun, als vielmehr damit, dass es bei Studien verstärkt erforderlich sei, verschiedene Ethnien der Studienteilnehmer zu integrieren.
„Dieser und weitere Faktoren haben zu einer Abnahme von Studien in Österreich geführt“, weiß Bartz aus der Praxis. Wobei seiner Ansicht nach die Größe oder vielmehr „Kleinheit“ von Österreich kein Nachteil sein muss: „Österreich hat in Sachen Forschung ein sehr gutes Renommee; die Experten und die Forschungszentren hierzulande genießen international einen sehr guten Ruf; es gibt High-End-Medizin und gut diagnostizierte Patienten – all dies sind herausragende Standortvorteile. Wir müssen diese nur zielführender für Studien nutzen.“ Seine Vorschläge dazu: die Infrastruktur zwischen den Experten und den Zentren verbessern sowie Zuweisungsnetze intensivieren. Zudem müsse man, so Bartz, im Vorfeld eine realistische Einschätzung abgeben, wie viele Studienteilnehmer man tatsächlich finden könne.

Mit dem Zeitgeist gehen

Auch der Forschungsbereich in einem Pharmaunternehmen habe sich in den letzten Jahren sehr verändert, berichtet Bartz: „Es ist zu einer deutlichen Globalisierung gekommen, auch die europäischen Behörden haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Für uns als Pharmaunternehmen bedeutet dies, dass wir uns bemühen müssen, durch ständiges Anpassen immer auf der Höhe des Zeitgeists zu sein.“ Einige Veränderungen sieht der Medical Director auch durch die Digitalisierung ausgelöst. Diese habe nicht nur die Studiendurchführung verändert, sondern zudem dazu geführt, dass eine genauere Datenerhebung zur Initiierung von Studien bereits möglich sei, erklärt Bartz.

Präzisionsmedizin wird kommen

Auch die Forschung selbst hat sich verändert. Bartz dazu: „Pathophysiologische Prozesse werden beispielsweise heute viel mehr berücksichtigt. Die Präzisionsmedizin wird der Endpunkt der derzeitigen Entwicklung sein. Dabei sollten wir bedenken, dass Präzisionsmedizin nicht immer notwendig ist; doch dort, wo Bedarf herrscht, können wir dadurch in der Behandlung einen Schritt weiter kommen. Denn wir wissen aus Erfahrungen z.B. in den Bereichen Onkologie, Autoimmun- und Infektionserkrankungen, dass die Therapie umso effektiver wirkt, je spezifischer sie ist. Wichtig ist, dass wir die derzeitigen Erkenntnisse in Studien umsetzen, um zur Präzisionsmedizin zu gelangen – und dann ist es von großer Bedeutung, mit den daraus entstehenden Innovationen rasch beim Patienten zu sein, wobei natürlich Kosten und Ressourcen im Auge behalten werden müssen.“
Bartz’ persönlicher Motor hinter seiner Tätigkeit sind die großen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre: „Wir können heute Erkrankungen behandeln, bei denen ich als junger Arzt noch vor der Situation stand, dass es hoffnungslos war, wie z.B. bei HIV. Wir haben Interventionsmöglichkeiten bei chronischen Erkrankungen – hier haben die monoklonalen Antikörper in den letzten 20 Jahren Unvorstellbares möglich gemacht. Ein gutes Beispiel sind die jüngsten Entwicklungen in der Schuppenflechte (Psoriasis): Durch die IL-23-Inhibition kann ein guter Teil der Patienten erscheinungsfrei werden, womit man noch vor wenigen Jahren niemals gerechnet hat. Dabei mithelfen zu dürfen, dass diese Entwicklung von Innovationen weitergeht, ist die Triebfeder meiner Motivation.“

 

Dr. Holger Bartz

Ich habe in den letzten Jahrzehnten erlebt, wie aus Forschungsansätzen Arzneimittel ­entstanden sind und damit Menschen ­geholfen werden konnte, die kaum noch ­Hoffnung hatten. Diese Innovationsleistung müssen wir weiter vorantreiben.