Ist der crossmediale Ansatz der „Königsweg“?

PHARMAustria: Warum führt im Pharmamarketing am crossmedialen Ansatz kein Weg vorbei?

Mag. Michael Ogertschnig, Zentrum für Management im Gesundheits- und Pharmawesen, Donau-Universität Krems, Österreich: „Kunden bewegen sich auf immer mehr Plattformen und Kanälen. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie überall dort vertreten sein müssen, wo sich ihre Kunden befinden. Dabei ist eine einheitliche Kommunikation über die unterschiedlichen Kanäle hinweg wichtig, um den Kunden ein einheitliches Kundenerlebnis bieten zu können. Dieser einheitliche Auftritt reduziert sich allerdings nicht nur auf das Erscheinungsbild im Sinne des Corporate Designs, sondern es muss sichergestellt werden, dass Kunden über jeden Kanal die gleichen Informationen finden können.“

Prof. Dr. Sven Reinecke, Institut für Marketing und Customer Insight, Universität St. Gallen, Schweiz: „Grundsätzlich stimme ich zu, dass der crossmediale Ansatz im Pharmamarketing wichtig ist. Aber im Rx-Bereich wird der Außendienst der Lead Channel bleiben. Alle, die versuchen, den Außendienst weitgehend durch andere Kanäle zu ersetzen, werden Schwierigkeiten bekommen, weil sie dem Wettbewerb mehr Raum geben. Daneben sind auch die anderen gut eingeführten Kanäle – Kongresse, Fachzeitschriften etc. – von Bedeutung. Content Marketing wird in den nächsten Jahren extrem wichtig werden, und natürlich sollte man nicht auf die neuen digitalen Medien vergessen. Aber die Empfehlung vieler Agenturen, vollständiges 360-Grad-Marketing zu betreiben, teile ich nicht – vor allem kann sich das kaum ein Unternehmen leisten. Meiner Ansicht nach sollte man besser gezielte Schwerpunkte setzen und sich auch fragen, auf welche Zielgruppen man sich fokussieren will.“

Prof. Dr. Ralph Tunder, Health Care Management Institute (HCMI), EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Deutschland: „Dass am crossmedialen Vorgehen gegenwärtig kein Weg vorbeiführt, kann so bedingungslos nicht gesagt werden. Fokussiert man sich beim Marketing ausschließlich auf Fortbildungen, Tagungen, Kongresse und Fachzeitschriften, dann erfasst man schon die wesentlichen Kanäle. Hier ergeben sich bereits viele Touchpoints. Schauen wir in die mittelfristige Zukunft, wird mit der Zunahme junger, internetaffiner Ärzte die Bedeutung des crossmedialen Vorgehens sicherlich zunehmen. Diese junge Generation von Ärzten gehört schon zu den Digital Natives; mit ihr steigen auch die Ansprüche an einfache, spezifische, schnell verfügbare Informationen. Kann man diese bereitstellen und interessant crossmedial aufbereiten, dann besteht die Möglichkeit, Guide der Information Journey für die Ärzte zu werden. Man führt sie intelligent (smart) und zielgerichtet, also nicht überfrachtet, sondern schlank (lean) durch die crossmedialen Informationskanäle.“

Univ.-Prof. Dr. Nils Wlömert, Institut für Retailing & Data Science, Department für Marketing, Wirtschaftsuniversität Wien, Österreich: „Im Berufsalltag von Ärzten ist die Effizienz von Behandlungsentscheidungen ein wesentlicher Faktor. Um diese Entscheidungen bestmöglich vorzubereiten, sollten relevante Informationen mithilfe eines integrierten Omnichannel-Ansatzes konsistent über verschiedene ­Online- und Offline-Kanäle bereitgestellt werden, die je nach Situation genutzt werden können. Insbesondere digitale Kanäle ermöglichen es Pharmaunternehmen, die Kommunikation mithilfe von Daten gezielter und effizienter zu gestalten. Darüber ­hinaus steigen durch positive Omnichannel-Erfahrungen im Business-to-Consumer-Bereich die Erwartungen von Business-to-Business-Kunden, ähnlich personalisierte Lösungen auch im Berufsalltag angeboten zu bekommen. Dieser Digitalisierungsprozess hat sich durch die Coronapandemie in vielen Bereichen noch beschleunigt.“