Tipps für crossmediales Marketing

Die Ausgangslage beschreibt Jens Schemmel, Geschäftsführer der mcs GmbH – Healthcare Werbeagentur, Berlin, Deutschland, wie folgt: „Jahrzehntelang haben Pharmaunternehmen massiv in den analogen Bereich, u.a. in den Vertrieb, investiert und die entsprechende Struktur ausgebaut. Einerseits fällt es ihnen jetzt schwer, das Alteingesessene loszulassen, andererseits müssen sie anerkennen, dass der digitale Wandel immer entscheidender bei der Marktpositionierung ist.“ Daher ist bei vielen Unternehmen nun Unterstützung im Transformationsprozess, vor allem durch Beratung, gefragt. Dabei gehe es aber nicht darum, alles Analoge zu verwerfen, sondern eher darum, die Möglichkeiten des Digitalen zu entdecken und die vorab messbaren Potenziale für die Brands zu nutzen, betont Schemmel. Das Ziel dabei: Entwicklung nachhaltiger Lösungen für eine optimale Performance, d.h. weniger Budget und mehr Output.

Mix von Analog & Digital finden

Erich Bergmann, Geschäftsführer von DENKEN HILFT!, Agentur für durchdachte Kommunikation, empfindet die neumodische Bezeichnung „crossmedial“ eigentlich als „uralten Hut“, denn letztendlich sei damit nichts anderes gemeint als integriertes Marketing, das in seinen Augen schon immer der Schlüssel zum Erfolg war, nur gebe es in der heutigen Zeit aufgrund neuer digitaler Techniken zusätzliche Kommunikationskanäle. Seiner Ansicht nach herrscht in der Pharmaindustrie aktuell große Verunsicherung, weil der Druck in Bezug auf digitales Marketing riesengroß sei: „Jeder glaubt im Moment, dass digitales Marketing der ,heilige Gral‘ erfolgreichen Pharmamarketings sei. Dabei wird aber oft übersehen, wie digital ausgeprägt das Informationsverhalten seitens der heutigen relevanten Arztgeneration überhaupt ist. Ein Mitgrund, wieso ,crossmediales Marketing‘ oft nur in der Vernetzung digitaler Aktivitäten gesehen wird“, so Bergmann, der in diesem Zusammenhang auf die aktuell noch eher bescheidenen Responses bei digitalen Aktivitäten verweist: „Wenn einmal an einem Webinar 40 Ärzte teilnehmen, glaubt man schon, man hat riesigen Erfolg, und vergisst oft nach­zurechnen, welcher Promille-Satz das – bezogen auf die relevante Verordnerzielgruppe – wirklich ist. Hinsichtlich solcher Response­raten bei z.B. klassisch analogem Direktmarketing hätte man als Product Manager wohl bald ‚seinen Hut nehmen können‘“, meint Bergmann. In seinen Augen kommt es vielmehr darauf an – zumindest bis der Generationenwechsel in der Ärzteschaft zu den „Digital Native Docs“ vollzogen ist –, einen ausgewogenen Mix aus digitaler und analoger Kommunikation zu finden und dort eine intelligente und funktionierende Vernetzung dieser beiden Kommunikationswege zu ermöglichen.

 

 

Vom Content zur Story

Dr. Walter Kaiser, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens DocWorld AG in der Schweiz, sieht es als Ziel der Marketingkommunikation, Content als Story aufzu­bereiten und die Botschaften so zu den ­Adressaten zu bringen. „Dabei müssen Informationen über verschiedene Kanäle zur Zielgruppe der Ärzte transportiert werden, weil sich diese kaum nach einem ersten Kontakt für ein neues Medikament entscheiden, sondern in der Regel mehrere Kontakte – entlang einer Doctor’s Journey – nötig sind, bis eine Verschreibung oder ein anderes Marketingziel erreicht wird“, erläutert er. Bei der Beschränkung auf nur einzelne Kanäle verzichte man auf Kontaktmöglichkeiten – in seinen Augen ein wichtiges Argument für Multichannel- bzw. crossmediales Marketing. „Zudem lassen sich nicht alle Informationen/Botschaften gleich gut über die verschiedenen Kanäle vermitteln. Manche Dinge gehen besser über Print, andere über Video etc.“
Daneben sei aber auch die individuelle Präferenz der Ärzte wichtig, so Kaiser: „Aus Ärztebefragungen in der Schweiz wissen wir beispielsweise, dass rund die Hälfte der Hausärzte postalische Mailings, die andere elektronische Newsletter für gleiche Inhalte bevorzugt.“ Wer seine Zielgruppe so kleinzellig und individuell wie möglich kennt, ist also klar im Vorteil. Die dafür erforderlichen Daten sind derzeit aber nicht oder nur eingeschränkt verfügbar bzw. vorhanden. „In der Regel verfügen wir über keine detaillierten ,Kundenprofile‘ von Ärzten. Wir kennen zum Beispiel kaum ihre besonderen Interessen, sodass wir sie nicht optimal ansprechen können. Daher müssen wir – ohne oder mit wenig Datengrundlagen – versuchen, Kontakte aufzubauen“, erklärt Kaiser. Dabei müsse man hartnäckig sein und darauf achten, dass Kontakte nicht nur geknüpft, sondern anschließend auch aufrechterhalten werden, indem weitere Schritte folgen, „um beim Arzt eine Aktion auszulösen, einen Lead zu generieren, z.B. nach einem Außendienstbesuch eine Einladung senden, einen Newsletter übermitteln etc. Die Doctor’s Journey soll weitergehen, bis das Ziel erreicht ist“, so Kaiser.

 

 

Effizienz steigern

„Crossmediales Marketing ist dann besonders effektiv, wenn man zusätzlich zu den analogen auch die digitalen Möglichkeiten nutzt. So lassen sich aus der Analyse von Märkten und Zielgruppen im digitalen Raum Einsichten gewinnen, aus denen ein passender strategischer Ansatz abgeleitet und passender Content erstellt werden kann, um die jeweiligen Medien sowohl im Analogen als auch im Digitalen geschickt zu verzahnen“, berichtet Schemmel aus der Praxis. Bergmann betont, dass man beachten müsse, dass prinzipiell jeder Kanal seinen eigenen Charakter aufweist, wie die Botschaften aufbereitet sein müssen, um Channel-konform zu funktionieren. „Wichtig dabei ist, dass es ein konzeptionell logisches Zusammenspiel der Kommunikationskanäle gibt. Es muss darauf Bedacht genommen werden, welcher Teil der Kommunikation über welchen Kanal am besten funktioniert. Hier muss für die Zielgruppe ein nachvollziehbares Zusammenspiel fühlbar sein, das dann im Kopf ein komplexes Ganzes ergibt“, erklärt Bergmann.

Den Ton der Zielgruppe treffen

In den Augen von Schemmel nutzen noch nicht alle Pharmafirmen die Potenziale des crossmedialen Marketings aus. Wenn man die Möglichkeiten in Anwendung bringen will, unterstreicht er die Bedeutung des zielgruppenfokussierten Arbeitens: „Es gibt eine grundlegende Strategie, die verfolgt wird und die für alle Kanäle gilt. Bei der Verknüpfung unterschiedlicher Kanäle ist es wichtig, dass unbedingt auf die Zielgruppe geachtet wird, auf ihre Interessen, ihre Bedürfnisse und den angemessenen ‚Tone of Voice‘. Das heißt gleichzeitig, dass es schwieriger wird, eine Lösung für alle Probleme zu finden.“