Lauri Lindgren, Geschäftsführer Amgen Österreich; Nationale Gesundheitsdaten-Plattformen sind die Zukunft!

Am 1. Juli 2019 hat Lauri Lindgren die Leitung der österreichischen Niederlassung von Amgen in Wien übernommen. Der gebürtige Finne ist studierter Pharmazeut, bringt 15 Jahre Erfahrung in der Biotech-Industrie mit und arbeitet bereits seit 2009 für Amgen.
Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, immer im Dienste der Patienten zu agieren – getreu dem Firmenmotto „to serve patients“. Amgen ist daher bestrebt, aufgrund wissenschaftlicher und biotechnologischer Erkenntnisse Therapien, die das Leben der Patienten zum Besseren verändern, zu entwickeln. Das beginnt bereits in der Grundlagenforschung, wie Lindgren betont: „Unsere Wissenschafter bei Amgen arbeiten täglich daran, die menschliche Biologie und die Mechanismen des Körpers bis hin zur molekularen Ebene zu verstehen, um darauf basierend Hypothesen zu erstellen und in weiterer Folge Therapien für bestimmte Krankheiten zu entwickeln.“

Forschungserfolge der letzten Jahre

So konnte beispielsweise ein Molekül entdeckt werden, das zu einer Schwächung des Knochens beiträgt. „Wir haben aus den Erkenntnissen über dieses Molekül und über den Vorgang, der im Knochen abläuft, ein 3-D-Strukturprotein und in der Folge zwei Arzneimittel entwickelt, die bereits seit einigen Jahren auf dem Markt sind: Prolia®, das bei Osteoporose, und XGEVA®, das bei Krebs-induziertem Knochenverlust zum Einsatz kommt“, berichtet Lindgren. Als weiteres Beispiel für die innovativen Forschungsergebnisse des Unternehmens nennt er Repatha®, das den LDL-Cholesterinspiegel senkt: „Dieses Medikament konnten wir entwickeln, weil wir einen spezifischen Mechanismus im Lipidstoffwechsel identifiziert haben.“
Zudem hat Amgen vor einigen Jahren die „BiTE®“ (Bispecific T-Cell-Engager)-Plattform, die ursprünglich von dem deutschen Unternehmen Micromet entwickelt wurde, erworben. Im Rahmen der BiTE®-Technologie werden Antikörper hergestellt, die eine Verbindung zwischen der T-Zelle unseres Immunsystems und der Tumorzelle schaffen. Diese Verbindung aktiviert die T-Zellen und löst damit eine Immunreaktion und infolgedessen den Untergang der Tumorzelle aus. „Mit den Ressourcen von Amgen konnten wir diese großartige Forschung erweitern und auch bereits ein Produkt – Blincyto® – auf den Markt bringen, das bei akuter lymphatischer Leukämie eingesetzt wird“, berichtet Lindgren.
Darüber hinaus befinden sich im Onkologiebereich noch weitere BiTE®-Moleküle gegen diverse Tumorarten in der Pipeline. „Derzeit reden wir hier noch über frühe klinische Daten, diese sehen aber sehr vielversprechend aus. Weitere klinische Studien müssen durchgeführt werden, aber wir hoffen, die nächsten positiven Daten in naher Zukunft präsentieren zu können“, so Lindgren.

 

 

Keine reine Kostendiskussion führen

Gerade in der Onkologie spielt die Präzisionsmedizin eine zunehmende Rolle. „Dies führt dazu, dass immer mehr Arzneimittel auf den Markt kommen, die nicht mehr allen Patienten mit beispielsweise Lungenkrebs helfen, sondern nur jenen, die eine spezifische Mutation aufweisen. Zudem wissen wir, dass sich eine Krebserkrankung verändern kann, das heißt, ein Arzneimittel, das zum Zeitpunkt X wirkt, kann einige Zeit später wirkungslos sein, und vice versa. Daher benötigen wir Testverfahren, mit deren Hilfe genau ermittelt werden kann, welches Arzneimittel in einem konkreten Fall zu einem speziellen Zeitpunkt wirksam ist. Die Therapien werden also komplexer, aber auch effektiver werden. Im optimalen Fall werden sie für die Patienten so auch besser verträglich“, erläutert Lindgren die Vorteile der Präzisionsmedizin.
Gerade vor diesem Hintergrund der immer individuelleren Therapieoptionen wünscht sich der Geschäftsführer von Amgen Österreich eine offene Diskussion über die Kosten und die Ressourcen der zukünftigen innovativen Behandlungen. Lindgren: „Wir müssen dabei aber auch über die Vorteile für die Patienten und was diese für die Gesellschaft bedeuten, reden, nicht nur über die finanziellen Aspekte.“

Erste Schritte in Richtung Gentherapien

Das Feld der medizinischen Forschung habe sich vergrößert, ist Lindgren überzeugt, nicht zuletzt aufgrund zunehmender Datenmengen und der Digitalisierung. Amgen hat hier in den letzten Jahren durch Akquisitionen und Kollaborationen zusätzliche Expertise aufgebaut. Beispielsweise mit deCODE genetics, einer Tochterfirma in Island, die auf Genomanalysen und die Identifizierung von genetischen Risikofaktoren spezialisiert ist, die sie anhand einer großen Biobank durchführen kann.
„Es geht dabei natürlich nicht um die genetischen Daten eines einzelnen Menschen, sondern darum herauszufinden, ob es bestimmte Aspekte in den Genen gibt, die uns dabei helfen können, bestimmte Krankheitszustände besser zu verstehen. Ziel ist ein besseres Verständnis unseres Genoms und die Gewinnung von Erkenntnissen, welche Rolle das Genom bei verschiedenen Krankheiten spielen kann. Damit können wir einerseits unsere Ansätze in der Wirkstoffentdeckung und -entwicklung verifizieren und uns andererseits in Richtung Gentherapien bewegen“, erklärt Lindgren. So weiß die Forschung heutzutage beispielsweise, dass Menschen mit einer bestimmten Genmutation ein höheres Risiko einer Erkrankung aufweisen. „Am Anfang wissen wir oft nicht, warum das so ist. Aber wenn wir die Biologie der Krankheit genau verstehen, können wir daran arbeiten gegenzusteuern“, unterstreicht Lindgren die Bedeutung der Genforschung.

Übergreifende Datenplattformen einrichten

Lindgren attestiert dem österreichischen Gesundheitswesen eine hohe Qualität. Weitere Vorteile sieht er in den vielen klinischen Studien, die in Österreich durchgeführt werden – ein wichtiger Aspekt für ein globales Unternehmen. Einen Nachteil sieht er in einer fehlenden übergreifenden Datenplattform – ein Problem, das nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern besteht.
„Je mehr wir in Richtung Präzisionsmedizin gehen, desto mehr sprechen wir von der Herausforderung, zu ermitteln, welche Behandlungen den größten Wert bieten – und um das zu ermitteln, benötigen wir Daten“, so Lindgren. Seiner Ansicht nach gibt es diesbezüglich bereits mehrere gute lokale Initiativen und auch einige Register, die aber oft von einem einzigen Krankenhaus oder sogar nur von einem einzigen Arzt betreut werden. Dabei wäre es von großer Bedeutung, überregionale Datenbanken zu haben. Auch hier wünscht er sich, dass bald eine Diskussion gestartet wird, um die Situation zu verändern: „Es ist wichtig, dass das Diskussionsergebnis gemeinsame Ziele für Österreich definiert, was die Nutzung von Gesundheitsdaten unter Wahrung des Datenschutzes betrifft. Die Zielsetzung sollte eine Ausrichtung sein, was wir mit besseren Daten erreichen wollen, wie sich Österreich international positionieren will und welche Arten von Plattformen verfolgt werden sollen. In den Diskussionen ist es wichtig, dass alle relevanten Interessengruppen des Gesundheitssystems einbezogen werden – dazu zählen auch politische Entscheidungsträger, Entscheidungsträger im Gesundheitswesen, medizinisches Fachpersonal und relevante Akteure der Life-Science-Industrie.“

Portfolio erweitern

Eine Verpflichtung für die Zukunft sieht Lindgren darin, sich als Unternehmen weiterhin der Forschung zu widmen und aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen neue Medikamente zu entwickeln. Außerdem hofft der Österreich-Geschäftsführer, dass Amgen in den kommenden Jahren weitere neue innovative Medikamente einführen wird – die aktuellen Daten sehen, wie erwähnt, vielversprechend aus.

 

 

Zahlen-Rap

  • 115 Mitarbeiter beschäftigt Amgen in Österreich, 21.000 weltweit.
  • 15 Medikamente hat Amgen derzeit in Österreich auf dem Markt.
  • 2020 wird Amgen global 40 Jahre, Amgen Österreich 25 Jahre alt.