Patientenvertreter durch „Laienstatus“ benachteiligt

Zu Beginn der virtuellen Veranstaltung präsentierte der Bundesverband Selbsthilfe Österreich (BVSHOE) die Ergebnisse einer von medupha durchgeführten Umfrage zum Thema „Informationsbedarf von Patientenorganisationen in Österreich“. Das Projekt wurde vom BVSHOE initiiert und vom Joint Standing Committee „Patient ­Advocacy“ von FOPI (Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie) und PHARMIG (Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs) unterstützt.
Die Umfrage ergab unter anderem, dass die Patientenvertreter (befragt wurden 28 österreichweit tätige Selbsthilfegruppen und ­Patientenorganisationen) als gleichwertige Partner gesehen und in Entscheidungen ­einbezogen werden wollen. Durch das in ­Österreich bestehende Laienwerbeverbot für ­verschreibungspflichtige Arzneimittel sind Patientenvertreter, die per Gesetz als „Laien“ definiert werden, jedoch von vielen Informationen abgeschnitten. Das ist für die befragten Patientenorganisationen unbefriedigend und nachteilig. Daher wird die Anerkennung als Fachexperten und ein besserer Zugang zu medizinischen Fachinformationen – z.B. über den Zutritt zu Fachkongressen oder den Zugriff auf Online-Fachliteratur – gefordert. Ein Großteil der Befragten wünscht sich dabei dezidiert einen stärkeren Wissensaustausch mit der Pharmaindustrie, um so über die Entwicklung neuer Medikamente und laufende klinische Studien auf dem letzten Stand zu sein.

 

 

Appell an Entscheidungsträger

Im Anschluss an die Umfragepräsentation diskutierten unter der Moderation von Corinna Milborn (Informationsdirektorin bei ProSiebenSat.1 PULS 4) Peter Lehner, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger, ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, PhD, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, und Angelika ­Widhalm, Vorsitzende des Bundesverbands Selbsthilfe Österreich, bei einem anschließenden Round Table, wie der Informationsbedarf von Patientenvertretern besser erfüllt werden könnte.
Widhalm forderte aufgrund ihrer Erfahrungen der letzten Jahre, die durch die Umfrage bestätigt werden, die politischen Entscheidungsträger auf, den aktuellen Status von Patientenvertretern zu überdenken: „Patientenorganisationen sind die vierte Säule im Gesundheitswesen, leisten einen beträchtlichen Beitrag und sind seit Langem Partner auf Augenhöhe von Ärzteschaft, Pharma, Forschung und Politik. Was in vielen Fällen schon selbstverständlich gelebt wird, muss endlich auch gesetzlich geregelt sein.“
Auch Szekeres betonte, dass es sinnvoll wäre, Patientenorganisationen möglichst viel Wissen zu vermitteln, beispielsweise über Kongresse, Fachinformationen und Ähnliches, denn: „Patientenvertreter können als Betroffene die Situation oft viel besser beurteilen und damit viel einbringen. Der einfühlsamste Arzt kann nicht spüren, was der kranke Patient fühlt“, so Szekeres. Er fände es sinnvoll, wenn Patienten Zugang zu Studien bekämen und in Österreich eine Ausbildung für Patientenorganisationen ähnlich wie in Deutschland eingeführt ­würde.
Auch Lehner hält Selbsthilfegruppen ohne Frage für qualifiziert, Informationen an ­Patienten weiterzugeben und sich auszutauschen. „Dementsprechend gibt die Sozialversicherung ein klares Bekenntnis zu ­Patientenorganisationen ab und leistet auch einen Beitrag zur Finanzierung. Bei der ­legistischen Frage der Mitbestimmung braucht es aber den Gesetzgeber“, erklärte er.