Empowerment gelingt durch Dialog

Für Mag.a pharm. Sabine Schmölzer, Pharmazeutin und Patient Advocacy Lead bei Takeda Pharma in Österreich, geht es bei Gesundheitskompetenz darum, Wissen zu erhalten, das dazu befähigt, Inhalte rund um Prävention, Erkrankungen und Therapie (besser) zu verstehen und auf dieser Basis Handlungen zu setzen. „Damit eine Steigerung der Gesundheitskompetenz, die alle Expert:innen als notwendig ansehen, erfolgt, müssen Patientenstimmen mehr gehört werden“, fordert Schmölzer. Sie wünscht sich in diesem Zusammenhang, dass Patient:innen als Expert:innen ihrer Erkrankung im Gesetz verankert werden – darüber werde zwar schon lange diskutiert, aber bisher ohne Ergebnis.

Aktive Rolle der Patient:innen ­unterstützen

Schmölzer betont weiter, dass Pharmaunternehmen in den letzten Jahren zunehmend mehr Zeit darin investieren, Patient:innen und ihre Lebenssituation zu verstehen: „Daher treten wir selbst verstärkt in den Dialog mit Betroffenen.“ Auch für Mag. Christoph Slupetzky, Patient Engagement & Advocacy Lead Janssen Aus­tria, ist der Austausch zwischen Pharmaunternehmen und Patient:innen sehr wichtig, deswegen schätzt er beispielsweise die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen, denn „es ist uns ein Anliegen, Patient:innen in ihrer aktiven Rolle entlang des Krankheitsverlaufs zu bestärken. Weg von der Haltung ‚dem Schicksal ausgeliefert sein‘ hin zu ‚ich trage aktiv zur Behandlung bei‘“.

Und können Pharmaunternehmen zur Steigerung der Gesundheitskompetenz beitragen? Ganz klar ja, sagt Slupetzky und nennt auch gleich einige Beispiele: „Unsere Dis­ease-Awareness-Programme zielen auf ein Grundverständnis einer Erkrankung ab und geben im Idealfall einen klaren ,Call to Action‘ für frühzeitige Vorsorge und wichtige Anlaufstellen. Zudem verstehen wir bei Janssen unsere Rolle auch im Aufdecken von Versorgungslücken und bieten Plattformen für den Austausch verschiedener Stakeholder-Gruppen – Patientenvertreter:innen, Fachpersonal, politische Entscheidungsträger:innen –, um ungelösten Bedarf transparent zu machen und an gezielten Verbesserungen mitzuwirken.“

Für Patient:innen – nur mit Patient:innen!

Mag.a Stephanie Schremmer und Marlene Hausleitner, MA, MSc, beide Patient Community Partner bei Roche Austria GmbH, unterstreichen ebenfalls den hohen Stellenwert von Patientenorganisationen. Daher unterstützt Roche einerseits Projekte von Patientengruppen und bindet diese andererseits oftmals in eigene Projekte ein. „Die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen ist eine Bereicherung, manchmal sogar eine Voraussetzung, um die passende Sprache anzuwenden, die gewünschte Zielgruppe zu erreichen und die richtigen Themenschwerpunkte zu setzen (was beschäftigt die Community aktuell am meisten)“, erklärt Schremmer. Natürlich könne die Kooperation auch die Reichweite und Glaubwürdigkeit einer Kampagne positiv unterstützen, so Schremmer weiter, „allerdings gibt es auch Patientenorganisationen, die Vorbehalte haben, mit der Pharmaindustrie zu kooperieren, da dieser Abhängigkeit bzw. der Industrie Beeinflussung vorgeworfen werden könnte. Gleichzeitig gibt es in Österreich keine Basisfinanzierung für Patientenorganisationen, was zwangsläufig zu einer Notwendigkeit der Finanzierung und Kooperation durch/mit Pharma führt …“.

Hausleitner ergänzt in diesem Zusammenhang: „Generell müsste die Tätigkeit der Patientengruppen von den Entscheidungsträger:innen des Gesundheitssystems mehr geschätzt, genutzt und gefördert werden!“

In die Schuhe der Patient:innen schlüpfen

Für Schmölzer beruht eine hohe Gesundheitskompetenz auf der Voraussetzung, dass Bürger:innen auf gesicherte Informationen zugreifen können. „Dabei ist es wichtig, dass diejenigen, die die Information erstellen, in die Schuhe der Betroffenen schlüpfen, damit sie diesen genau das anbieten, was sie in der Situation benötigen.“Slupetzky sieht das Abholen der Zielgruppe ebenfalls als wichtige Voraussetzung für eine gelungene Gesundheitsinformation: „Damit gemeint ist einerseits, Informationen über niederschwellige Kanäle zu transportieren, und andererseits, eine möglichst einfache und aktivierende Sprache zu verwenden bzw. Unterlagen in weiteren Sprachen zur Verfügung zu stellen.“ Neben den Betroffenen selbst sollte immer auch deren Umfeld im Fokus stehen, denn „Lebenspartner:innen, Familie, Freund:innen sind eine wichtige Stütze“, betont er.

Auch Schremmer und Hausleitner unterstreichen die Bedeutung der verschiedenen Kanäle in der Patientenkommunikation, vor allem einer Kombination aus Print und Online: „Gerade bei älteren Personen ist Print oftmals noch Mittel der Wahl, aber auch bei jüngeren sind Patientenbroschüren als Ergänzung zu digitalen Formaten wie beispielsweise Webseiten, Videos und Podcasts sinnvoll. Ganz wichtig ist auch der persönliche Austausch mit der Community, sei es in Form von Informationsveranstaltungen, AdBoards oder Meetings.“

Das Laienwerbeverbot für rezeptpflichtige Produkte sei bei allen Patienteninformationen natürlich oberstes Gebot, so Hausleitner weiter. Dabei sei zu beachten, dass auch Patientenvertreter:innen trotz ihres großen Wissens als Laien gelten. „In der Commu­nity der Patientenvertreter:innen wird über eine gesetzliche Änderung zwar seit Langem diskutiert, von den Entscheidungsträger:innen wurde bisher aber nichts beschlossen“, berichtet Hausleitner. Weitere Qualitätskriterien für Patienteninformationen sind laut Schremmer eine laiengerechte Sprache und Zielgruppenorientiertheit: „Dabei muss auch bedacht werden, dass sich nicht alle Betroffenen auf demselben Wissensniveau bewegen – wieder ein Argument dafür, warum der Dialog mit den Zielgruppen so bedeutsam ist.“

Awarenesskampagnen zur Orientierung

Awarenesskampagnen sollen in der Gesellschaft das Wissen über eine Erkrankung und zum Umgang damit erhöhen. „Ich bin davon überzeugt, dass Awarenesskampagnen der erste Schritt sind, um Themen, die noch nicht klar geregelt sind, anzusprechen“, betont Schmölzer. Sie hält solche Kampagnen daher insbesondere bei seltenen Erkrankungen für sehr wichtig. „Solche Awarenesskampagnen sollten u.a. einen Symptom-Checker sowie mögliche Anlaufstellen enthalten“, so Schmölzer weiter. Slupetzky sieht dies ähnlich und ergänzt: „Awarenesskampagnen sollen eine klare Orientierung geben, wohin man sich als Betroffene:r wenden kann, und Motivation zur Vorsorge bzw. zu einer frühzeitigen Abklärung vermitteln.“ Bei der Umsetzung ist es in seinen Augen essenziell, Betroffene und deren Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen und zu involvieren.

Realität sichtbar machen

Schmölzer hält Patientenvideos für ein gutes Tool in einer Awarenesskampagne, denn „es ist wichtig, Patientengeschichten abzubilden, damit die Realität sichtbar gemacht wird.“ Schremmer wünscht sich zudem Awareness auch auf der Metaebene, z.B. dazu, was Patientenorganisationen Wertvolles für die Gesellschaft leisten, oder auch, um relevante Begrifflichkeiten zu klären (z.B. Patientenvertreter:innen versus Patientenanwält:innen), „denn hier gibt es Informationsdefizite in der Bevölkerung und in der Politik.“

Slupetzky ist auch in Bezug auf Awarenesskampagnen ein Befürworter breiter Zusammenarbeit, um die besten Ideen und Zugänge zu ermöglichen: „Jede:r Partner:in hat ein spezifisches Handlungsfeld – je besser man sich inhaltlich und in der Abdeckung ergänzt, desto größer der Effekt. Patientenorganisationen spielen eine Kernrolle; sie bringen sehr viel Wissen, Glaubwürdigkeit und Alltagserfahrung im Umgang mit der Erkrankung ein, brauchen aber mitunter Unterstützung in der Umsetzung von Aware­nesskampagnen. Essenziell sind jedenfalls eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, klare Zielsetzungen und eine gute Koordination von Zuständigkeiten.“