Printanzeigen und Verschreibungsverhalten

Dr. Markus Rachinger, MSc, Geschäftsführer der swot Werbeagentur, hat sich in seiner Masterarbeit zum Lehrgang „Master of Advanced Oncology“ an der Medizinischen Universität Ulm, Deutschland, mit dem Einfluss von Anzeigenschaltungen in onkologischen Fachzeitschriften auf das Verschreibungsverhalten von Onkologen beschäftigt – und dabei teilweise überraschende Erkenntnisse gewonnen. „Ich habe mich in meiner Masterarbeit der Schnittstelle zwischen Medizin, Fachgruppe Onkologen und pharmazeutischer Industrie gewidmet. Mein Forschungsinteresse war es herauszufinden, ob Anzeigen einen Einfluss auf das Verschreibungsverhalten von Ärzten haben, und wenn ja, welche Schlüsse daraus abgeleitet werden können“, berichtet Rachinger. In seiner Arbeit hat er die Entwicklung von 19 Medikamenten, welche 2019/2020 in Österreich im Bereich Onkologie neu eingeführt wurden, genauer untersucht.
Dabei hat er die Anzeigenschaltungen in den fünf wichtigsten onkologischen Fachzeitschriften des Landes der Entwicklung des Verschreibungsverhaltens der österreichischen Onkologen innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Produktlaunch gegenübergestellt. „Die Daten hierfür wurden mir dankenswerterweise von IQVIA zur Verfügung gestellt, und zwar um den Störfaktor Dosierung bereinigt. Denn da die ­Medikamente natürlich unterschiedliche Dosierungsschemata aufweisen, war ein Vergleich der Daten nur möglich, wenn diese Unterschiede beseitigt werden. Daher hat IQVIA Daten auf Basis von ,Patient Treatment Days‘ (PTD) erstellt“, beschreibt Rachinger die Vorgangsweise.

Fokus auf den Onkologiebereich

Betreut wurde die Masterarbeit von Prof. Dr. Rainer Muche, Vizerektor des Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Universität Ulm. „Dieser hat mich natürlich darauf hingewiesen, dass die Daten aufgrund der geringen Fallzahl mit Vorsicht zu interpretieren sind. Dennoch sind Trends ableitbar, auch wenn ich betonen möchte, dass diese Zahlen aus Österreich nicht 1:1 auf den gesamten DACH-Raum umgelegt werden können. Zudem habe ich mich auf den Bereich Onkologie fokussiert, für andere Indikationen wären eigene Untersuchungen erforderlich. Auch die Kreativität der verschiedenen Anzeigen, den ausgelösten Impact sowie andere Marketingmaßnahmen neben den Anzeigenschaltungen habe ich ausgeklammert, da diese Aspekte im Rahmen dieser Arbeit nicht überprüfbar waren. Mir ging es um eine rein quantitative Untersuchung: Ausgaben für Anzeigen versus Verschreibungspotenziale – übrigens ein Thema, das weltweit bisher noch nie untersucht wurde“, erläutert Rachinger.

4 Gruppen – 4 Ergebnisse

Rachinger hat die 19 untersuchten Medikamente in 4 Gruppen eingeteilt: eine Gesamtgruppe, eine Gruppe der Orphan Drugs (Medikamente für seltene Erkrankungen, die eine spezielle Zulassung benötigen und ein geringeres Verschreibungspotenzial aufweisen; erste Therapieoption in ihrer Indikation), eine Gruppe der innovativen Medikamente (Neueinführungen, aber es gibt Mitbewerb; keine Indikationserweiterung) sowie eine Gruppe für Indikationserweiterungen (Verschreibungsbasis bereits vorhanden; diese Gruppe startete somit nicht bei null wie die Orphan Drugs und die innovativen Medikamente).
„In der Gesamtgruppe zeigte sich bei der Korrelation zwischen Ausgaben für Anzeigen und Entwicklungen der PTDs ein leicht positives Bild. Die PTDs waren gering gestiegen (siehe Abb. 1). Doch es war notwendig, sich das in den einzelnen Gruppen genauer anzuschauen“, so Rachinger.

Orphan Drugs: Anzeigen führten zu mehr Verschreibungen

„In der Gruppe der Orphan Drugs zeigte sich eine hoch positive Korrelation zwischen Anzeigenwerbung und Entwicklung der Verschreibungen: Es war deutlich sichtbar, dass die Anzeigen mehr Verschreibungen der Onkologen auslösten“, berichtet Rachinger (siehe auch Abb. 2). Er führt dies darauf zurück, dass die Stärke der Anzeigenwerbung darin besteht, für eine rasche Bekanntmachung zu sorgen. „Genau diese Stärke kommt bei einer neuen therapeutischen Möglichkeit in Bereichen, in denen es bisher keine Therapieoptionen gab, besonders zum Tragen“, so Rachingers Interpretation.

Innovative Medikamente profitieren ebenfalls

Auch bei den innovativen Medikamenten zeigte sich eine positive Korrelation zwischen Ausgaben für Anzeigenwerbung und Verschreibungen. Allerdings fiel diese geringer aus als in der Gruppe der Orphan Drugs. Rachinger erklärt den geringeren Anstieg der Verschreibungen damit, dass es in dieser Gruppe ja bereits Produkte gab, gegen die sich die neuen Medikamente behaupten mussten.
Die Ausgaben für Anzeigenwerbung wirkten sich aber in den Gruppen Orphan Drugs und innovative Medikamente auf jeden Fall positiv auf das Verschreibungsverhalten aus.

Paradoxon im Bereich Indikationserweiterungen

Konträr dazu waren die Ergebnisse in der Gruppe der Indikationserweiterungen. Rachinger: „Hier zeigte sich eine negative Korrelation zwischen Ausgaben für Anzeigenschaltungen und Verschreibungsverhalten.“ Zwar stiegen die Verschreibungen ebenfalls an, die Investitionen in Anzeigenwerbung erzielten aber nicht den in den beiden anderen Gruppen beobachteten Effekt. „Es gab bei den Indikationserweiterungen eindeutig die höchsten Schaltvolumina, aber diese wurden nicht adäquat zum Potenzial der Verschreibungszuwächse gewählt“, erklärt Rachinger. Er gibt daher die klare Empfehlung ab, bei Indikationserweiterungen die zu erwartenden Verschreibungszuwächse sehr genau zu analysieren und daraus die Schaltvolumina abzuleiten.

Fazit

Unternehmen sollten laut Rachinger bei Orphan Drugs mutiger agieren und für den Produktlaunch größere Anzeigenspendings einplanen. „Der Anstieg der Verschreibungen flacht laut meiner Untersuchung auch dann nicht ab, wenn bei Orphan Drugs mehr Geld in Anzeigenschaltungen investiert wird – im Gegenteil“, erläutert er. Auch bei innovativen Medikamenten sei die Anzeige ein probates Mittel, um mehr Verschreibungen zu generieren.
Bei Indikationserweiterungen sollten die Verschreibungspotenziale genau betrachtet werden: „Meine Zahlen legen den Schluss nahe, dass bei gut eingeführten Medikamenten gerne viel Geld in die Hand genommen wird, um eine Indikationserweiterung durch Anzeigen zu bewerben. Doch zu viel bringt in diesem Fall nicht viel – es geht um adäquate Anzeigenspendings in Korrelation zum erwartbaren Verschreibungszuwachs“, betont Rachinger, der Folgestudien mit größeren Fallzahlen und über den onkologischen Bereich hinaus für wünschenswert hält.

Forschungsfrage

„Is there an effect of journal advertisements on prescription behavior of medical oncologists in Austria? “ (Gibt es einen Effekt von Printwerbung auf das Verschreibungsverhalten von Fachärzten für Onkologie in Österreich?)
• Krebshilfe
• Clinicum Onko
• Onko News Austria
• Spectrum Onkologie
• Jatros Hämatologie & Onkologie

Untersuchungsdesign

➔ 19 Neueinführungen in Österreich 2019/2020 im Bereich Onkologie
➔ Anzeigenschaltungen in den 5 wichtigsten onkologischen Fachzeitschriften
➔ Entwicklung des Verschreibungsverhaltens der österreichischen Onkologen bezüglich dieser 19 Produkte innerhalb der ersten 6 Monate nach Launch