Raschen Zugang zu medizinischen ­Innovationen sicherstellen

Am 27. Februar 2025 hat das Forum der forschenden pharmazeutischen Indus­trie, kurz FOPI, Dr. Leif E. Moll, MBA, zu seinem neuen Präsidenten gewählt. Der Wirtschaftswissenschafter ist Managing Director von Merck in Österreich und war bereits seit November 2023 Vizepräsident des FOPI. Als Präsident möchte er den eingeschlagenen Kurs fortsetzen und gleichzeitig neue Akzente setzen.

PHARMAustria: Herr Dr. Moll, was sind Ihre Ziele als FOPI-Präsident?
Dr. Leif E. Moll, MBA: Mein Hauptziel ist es, den raschen Zugang zu Innovationen zu erhalten bzw. zu beschleunigen. Im Krankenhaus sieht die Situation diesbezüglich in Österreich noch gut aus, aber im niedergelassenen Bereich ist es unser Anliegen als FOPI, die Aufnahme neuer Therapien bzw. von Innovationserweiterungen in den Erstattungskodex zu erleichtern. Zudem möchten wir dazu beitragen, die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranzutreiben. Auch die Stärkung Österreichs als klinischer Forschungsstandort gehört zu unseren Zielen. Die Anzahl klinischer Studien ist in Österreich seit mehreren Jahren rückläufig. Um einen möglichst frühen Zugang zu innovativen Therapien zu erhalten, ist es aber wichtig, dass Österreich als Standort für klinische Studien attraktiv bleibt bzw. wieder gestärkt wird. Ein weiteres Ziel in meiner Amtszeit als ­FOPI-Präsident ist es, die Perspektive auf Gesundheitsausgaben zu verändern, damit man diese in Zukunft nicht mehr rein als Kosten, sondern mehr als Investitionen wahrnimmt. Denn Medikamente sind von wesentlicher volkswirtschaftlicher Relevanz!

Welche Aktivitäten sind geplant, um diese Ziele zu erreichen?
Wir analysieren laufend die Zugangssituation im extramuralen Bereich, um objektive Daten zu erhalten und diese dann mit den anderen Stakeholdern zu diskutieren. Zudem haben wir eine Metastudie über die pharmaökonomische Bewertung von The­­r­apien in Auftrag gegeben, die prägnante ­Ergebnisse gebracht hat. So könnte die ­Gesamtgesellschaft beispielsweise bei ­chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen durch breiteren Einsatz moderner Therapien oder auch durch Impfungen, z.B. die Gürtelroseimpfung, finanziell erheblich profitieren – vom Benefit für den Einzelnen / die Einzelne einmal ganz abgesehen.

Was sind in Ihren Augen die aktuellen Herausforderungen, mit denen die forschende pharmazeutische Industrie in Österreich konfrontiert ist? Und wie können diese bewältigt werden?
Eine große Herausforderung besteht aktuell darin, Österreich im internationalen Wettbewerb als attraktiven Pharmamarkt zu erhalten. Dies ist für Patient:innen wie auch Ärzt:innen wichtig. Wir brauchen klinische Studien und medizinische Fortbildungen in Österreich! Auch das Bewertungsboard stellt eine neue Herausforderung dar. Bisher konnten innovative Therapien im Spitalsbereich in Österreich sehr schnell eingeführt werden. Ob dies auch mit dem Bewertungsboard so sein wird, bleibt noch abzuwarten. Zudem geht es meiner Ansicht nach darum, die Wissenschafts- und Forschungsskepsis in Österreich abzubauen. Wir müssen das Vertrauen in Wissenschaft und Technologie als Treiber von Fortschritt hierzulande stärken, damit Innovation wieder als Leistung gesehen und entsprechend anerkannt wird.

Der neue FOPI-Präsident Dr. Leif E. Moll, MBA, sieht den Ausbau der Digitalisierung sowie eine effektivere Patientenlenkung als wichtigen Hebel für eine nachhaltige Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems.; © Adrian Almasan

Sie haben bereits erwähnt, dass es eine Ihrer Prioritäten ist, den schnellen Zugang zu Innovationen zu fördern. Wie sehen Sie aktuell den Zugang zu Innovationen in Österreich? Sollte dieser beschleunigt werden und wenn ja, wie?
Im extramuralen Bereich liegt Österreich im europäischen Mittelfeld, allerdings sehen wir hierzulande Verschreibungseinschränkungen. Befristungen im Erstattungskodex (EKO) sind fast schon üblich und auch In­dikationserweiterungen sind schwierig. ­Meiner Ansicht nach wäre eine Reform des EKO dringend angezeigt, um weiterhin einen schnellen und vor allem breiten Zugang zu ermöglichen.
Im intramuralen Bereich sind die Geschwindigkeit und die Breite des Zugangs sehr gut, aber wie gesagt: Das Bewertungsboard stellt hier ein mögliches Risiko dar, da es als zusätzliche Hürde dazu führen kann, dass sich der Zugang verlangsamt. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass das FOPI keineswegs gegen eine Nutzenbewertung ist – im Gegenteil. Uns ist es aber wichtig, dass dabei auch der Zusatznutzen sowie die Perspektive der Ärzt:innen und der Patient:innen berücksichtigt werden. Wir würden uns ­beispielsweise wünschen, dass bei der Anwendung des EKO auch ein begrenzter Zusatznutzen beispielsweise für bestimmte ­Patientengruppen berücksichtigt wird, ohne dass ein Preisabschlag erfolgt. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, der Sozialversicherung würden ein oder zwei Produkte pro Indikation ausreichen – aber nicht jede Lösung passt für alle Betroffenen!

Auch die nachhaltige Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems ist in letzter Zeit ein viel diskutiertes Thema. Welche Veränderungen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um das österreichische Gesundheitssystem langfristig finanzierbar zu halten und Patient:innen trotzdem weiterhin die bestmöglichen Therapien zur Verfügung stellen zu können?
Meiner Ansicht nach ist das solidarische Gesundheitssystem vergleichsweise nachhaltig finanziert. Aber die alternde Gesellschaft stellt eine große Herausforderung dar. Um daher die zukünftige Finanzierung zu stärken, gibt es aus meiner Sicht zwei relevante Ansatzpunkte:

  1. Eine Effizienzsteigerung durch die Verwendung von Gesundheitsdaten und den gezielten Einsatz von Digitalisierung. Dazu gehört auch der Ausbau von ELGA.
  2. Eine effektivere Patientenlenkung. Der Leitsatz „digital vor ambulant vor stationär“ geht hier bereits in die richtige Richtung. Derzeit landen noch immer zu viele Patient:innen, bei denen dies nicht nötig wäre, in den Spitälern. Wir müssen ein System etablieren, das die Patient:innen zu den passenden Points of Care lenkt. Dies wird ohne steuernde Eingriffe von außen, z.B. auch über Incentives, nicht funktionieren.

Vielen Dank für das Gespräch!