Transformation eröffnet Chancen

Aktuell sieht sich die Pharmawirtschaft mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. An erster Stelle steht dabei für Mag. Martin Munte, Präsident der Pharmig, der Umbau des Sozialversicherungssystems: „Das Einreichen neuer, innovativer Medikamente muss auch nach der Zusammenlegung der 21 Kassen auf 5 genauso zügig vereinbart werden können wie bisher. Im Idealfall sollte es hier sogar zu einer Verbesserung kommen, damit neue Medikamente in Zukunft rascher zu den österreichischen Patienten gelangen. In der Übergangsphase 2019 bis zur Implementierung 2020 ist daher darauf zu achten, dass diese Ströme weiterhin gut funktionieren und es keine Unterbrechungen gibt.“
Eine weitere Herausforderung besteht für Munte darin, die Rahmenbedingungen für klinische Studien zu verbessern: „In der Vergangenheit konnte Österreich klinische Studien rasch implementieren. Diesen Standortvorteil haben wir leider durch die EU-weite Vereinheitlichung verloren. Um wieder vermehrt klinische Studien nach Österreich zu holen, müssen wir die Planbarkeit, Schnelligkeit und Implementierung klinischer Studien verbessern. Wesentlich ist dabei auch, die Frage nach personellen Ressourcen zu klären.“
Im Hinblick auf den zunehmenden Ärztemangel sowie das Zeitproblem bei den Kassenärzten hält Munte Ärztezentren, aber auch die Telemedizin für mögliche Lösungsansätze, die man weiter verfolgen müsse. So engagiert sich die Pharmig auch verstärkt im Bereich der Digitalisierung und Vernetzung, um hier positive Akzente zu setzen.

Kassenreform: Verschlankung sinnvoll

Bezüglich der Kassenreform kann Munte die bestehenden Ängste mancher Stakeholder wie auch in der Bevölkerung zwar verstehen, für ihn überwiegen jedoch die Chancen. „Wir als Pharmig wollen auf ­jeden Fall dazu beitragen, dass die Leistungen der Pharmabranche sowie der Wert von Arzneimitteln weiterhin geschätzt werden und die Chancen für Innovationen in ­Österreich gut bleiben.“ Dafür sei, so der Pharmig-Präsident weiter, eine transparente, offene Kommunikation über die ­Veränderungen erforderlich: „Wir wollen ­beispielsweise wissen, dass wir auch nach der Umstrukturierung Ansprechpartner für unsere Anliegen wie Kassenanträge etc. haben. Eine Verschlankung des Verwaltungsapparats und die u.a. daraus resultierende Effizienzsteigerung sind sicher sinnvoll, aber es dürfen keine Nachteile für die Patienten entstehen.“
Die Kostenbremse der Regierung für die Krankenkassen kann Munte nachvollziehen, denn wenn man einen Veränderungsprozess beginnt, möchte man den finanziellen Rahmen überschaubar halten. Wichtig sei es, darauf zu achten, dass es zu keinen Leistungskürzungen – auch zu keinen versteckten Leistungskürzungen – komme, so der Pharmig-Präsident.

Faire Preise bewahren

Auch bei der Diskussion über Medikamentenkosten fordert Munte eine Abkehr von der herrschenden Polemik zurück zu Daten und Fakten, denn die Pharmaquote bei den Gesundheitsausgaben liegt seit mehreren Jahren stabil zwischen 12% und 13%. „Österreich befindet sich unter dem EU-Durchschnitt der Preislandschaft; wir wollen aber natürlich für Innovationen entsprechende Preise erreichen, um Investitionen in der Entwicklung eines Medikaments wieder hereinzuverdienen“, unterstreicht Munte. Die Finanzschraube bei Medikamenten dürfe nicht so weit angezogen werden, dass Produktionen aus Österreich nach Asien oder in andere Länder abwandern, führt der Pharmig-Präsident weiter aus. Munte fordert die Zahler zudem auf, zu erkennen, dass eine Innovation im Arzneimittelbereich auch darin bestehen könne, dass eine Therapie nicht mehr intravenös verabreicht werden müsse, sondern auch eine subkutane, sublinguale oder orale Gabe möglich sei.
Generell brauche es Planbarkeit, Rechtssicherheit und nachhaltige Lösungen im Gesundheitssystem, ist Munte überzeugt. Die neuen Regelungen der ASVG-Änderung im letzten Jahr haben aus seiner Sicht aber zu Nachteilen für die pharmazeutische Industrie geführt und müssten daher diskutiert und entschärft werden. So sei es beispielsweise ein unhaltbarer Zustand, dass die Preisgestaltung bei den traditionellen Arzneimitteln zur Folge habe, dass es für einige Arzneimittelhersteller schwierig geworden sei, bei Aufrechterhaltung der Qualität profitabel zu wirtschaften.
Auch die Barriere zwischen Spitalsbereich und niedergelassenem Bereich bringt laut Munte immer wieder Nachteile für die Patienten: „Hier sehen wir bei der aktuellen Reform keine Ansatzpunkte, da sich diese auf den niedergelassenen Bereich konzentriert. Eine Verknüpfung der Finanzströme des Spitals- und des niedergelassenen Bereichs wäre aber wünschenswert.“

Brexit: Übergangsregelungen erforderlich

Das Thema Brexit wird aus der Sicht Muntes von der Politik noch immer unterschätzt, denn viele Arzneimittel wurden in Großbritannien stellvertretend für die gesamte EU zugelassen. „Mit dem Wegzug der EMA aus UK könnte es daher zu Problemen kommen, wie z.B. Verlangsamungen des Zulassungsprozesses, denn die britischen Behörden haben natürlich einiges für die EMA abgewickelt. Solche Verzögerungen wären für uns nicht akzeptabel; für uns ist es wichtig, dass Zulassungen innerhalb der vereinbarten Fristen stattfinden. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass hier noch keine Regelungen getroffen wurden, wie es nach dem 31. März 2019 weitergehen wird. Die pharmazeutische Industrie engagiert sich daher sehr dafür, diesen Missstand bei den Stakeholdern immer wieder anzusprechen. Wir brauchen Übergangsfristen, damit es zu keinen Engpässen oder sonstigen Nachteilen für die Patienten kommt“, unterstreicht Munte.

Verlängerung des Rahmen-­Pharmavertrages offen

„Derzeit gibt es weder einen Termin noch werden Gespräche geführt, was die Verlängerung des 2018 auslaufenden Rahmen-Pharmavertrages betrifft“, sagt Munte. Die Pharmaindustrie habe sich insbesondere beim letzten Rahmen-Pharmavertrag von 2016 bis 2018 bei den damit verbundenen Zahlungen über Gebühr solidarisch gezeigt – und das im Rahmen eines nicht ausufernden Medikamentenbudgets. Munte: „Dies sowie die bereits erwähnte Implementierung der ASVG-Änderung im 4. Quartal 2017 lassen uns überdenken, ob in Zukunft noch die Notwendigkeit besteht, einen Solidarbeitrag an den Hauptverband zu überweisen.“ Die Pharmaindustrie will sich aber weiterhin dem Gemeinsystem gegenüber solidarisch zeigen. So kann sich die Pharmig vorstellen, dass die Pharmawirtschaft Gesundheitsprojekte mitfinanziert, und will hierzu mit den Verantwortlichen im Gesundheitssystem, dem Haupt- bzw. Dachverband und anderen Stakeholdern Gespräche führen.
Solche gemeinsamen Projekte sind für den Pharmig-Präsidenten ein wesentlicher Schritt, um die Gesundheitsversorgung in Österreich zu verbessern. „Wir reden meiner Ansicht nach zu viel über den Umgang mit hochpreisigen Medikamenten oder über angeblich zu frühe Zulassungen und zu wenig über die tatsächlichen Probleme. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Es wird in Österreich zunehmend seltener Osteoporose diagnostiziert. Und zwar nicht, weil die Erkrankung weniger auftritt, sondern weil es der Bevölkerung an Information und den Ärzten an Zeit für die Diagnose fehlt. Solche Themen muss das Gesundheitsministerium gemeinsam mit den anderen Stakeholdern in Zukunft verstärkt angehen, dann können wir positive Veränderungen in Österreich in Gang setzen!“

 

Mag. Martin Munte

Die Zeit des Rahmen-Pharmavertrages, wie er bisher war, ist vorbei. Wir sind aber ­gerne bereit, Gesundheitsprojekte mit einem ­definitiven Nutzen für die Bevölkerung, wie z.B. einen E-Impfpass, zu unterstützen.