Transformation der Vorsorge vorantreiben

PHARMAustria: Wie könnte Patient Empowerment funktionieren und welche Reformen braucht es dazu in Österreich?

Peter Lehner: Patient Empowerment setzt zwei Dinge voraus: Wissen und einen verantwortungsvollen Umgang mit dem System. Hier ist unsere Ausgangslage besonders fordernd, da die Gesundheitskompetenz in Österreich nicht sehr hoch ist und die Gesellschaft von der Idee einer „Vollkasko-Mentalität“ geprägt ist. Es gibt keine Vollkaskoversicherung für die Gesundheit. Es gibt keinen neuen Körper, wenn ich meinen „zu Schrott gefahren habe“. Es ist in erster Linie jeder selbst für seine Gesundheit verantwortlich. Wir bieten ein großes und umfassendes Angebot in einem starken Gesundheitssystem, das auf einem Solidarsystem ohne Risikoauslese basiert. Dieser Ausrichtung müssen sich die Versicherten bewusst werden und verantwortungsvoll danach handeln. Patient Empowerment ist ein wichtiger Baustein für ein modernes, effizientes und zukunftsfähiges Gesundheitssystem. Für echtes Patient Empowerment braucht es zudem Transparenz. Diese Transparenz können wir mit einer konsequent durchgeführten digitalen Transformation schaffen.

Wie schätzen Sie die Gesundheitskompetenz der Menschen in Österreich ein?

Österreich hat enormen Nachholbedarf in Sachen Gesundheitskompetenz. Das zeigt sich in vielen Dimensionen: in einem überstrapazierten System mit über 14 Arztbe­suchen pro Versichertem im Jahr, in den ­vergleichsweise wenigen gesunden Lebensjahren, im Anstieg der lebensstilbedingten Krankheiten Diabetes, Übergewicht insgesamt und Übergewicht bei Kindern. Gleichzeitig war es noch nie so einfach und vor allem so leistbar, einen gesunden Lebensstil zu erlernen und zu verfolgen. Das Wissen ist besser verfügbar denn je und das Angebot ebenfalls. Eine Erhöhung der Gesundheitskompetenz ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Gesundheitskompetenz wird „vererbt“: Die Rolle der Familie hierbei ist entscheidend und zählt zur Erziehungsverantwortung der Eltern. Zudem müssen wir ab dem Kindergarten eine gesunde Umgebung schaffen. Gesundheitskompetenz gehört in den Unterricht – wie rechnen, lesen und schreiben.

Welche Schritte kann die Sozialversicherung setzen, um Prävention auszubauen – obwohl das eigentlich nicht ihr gesetzlicher Auftrag ist?

Der gesetzliche Auftrag ist klar die Krankenbehandlung. Aber die Sozialversicherung ist sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Wir wissen, dass wir die „Vorsorge-Transformation“ – das heißt, den Wandel vom Reparatursystem hin zu einem Präventionssystem – aktiv vorantreiben müssen. Mit der Mitfinanzierung von Impfprogrammen unterstützen wir das mächtigste medizinische Präventionsinstrument, das wir haben.

Die SVS versteht sich seit vielen Jahren als Vorreiter in der Prävention und hat zum einen ein Anreizsystem entwickelt und finanziert zum anderen eine Vielzahl von bewährten und neuen Präventionsmaßnahmen. Mit dem Erreichen und Verfolgen ihrer Gesundheitsziele können unsere Versicherten ihren Selbstbehalt halbieren und bis auf 5% reduzieren, der Gesundheitshunderter unterstützt einen gesunden Lebensstil. Mit dem Gesundheitscheck Junior, dem mit dem jüngsten Gesamtvertrag neu eingeführten Seniorencheck und der Vorsorgeuntersuchung gibt es zudem ein breites Angebot für die Versicherten, das letztendlich „nur“ angenommen werden muss.

Vielen Dank für das Gespräch!