Ärztekammer schlägt Alarm: 200 Kassenstellen unbesetzt

(c) ÖÄK/Bernhard Noll

Im kassenärztlichen Bereich droht bald eine katastrophale Situation, warnt die Ärztekammer. Sie pocht auf Änderungen und Investitionen im Gesundheitswesen – und beginnt eine Kampagne.

Mit einer Inseratenserie in allen großen österreichischen Tageszeitungen bedankt sich die Österreichische Ärztekammer bei allen Angehörigen der Gesundheitsberufe, die seit über einem Jahr Übermenschliches leisten. „Ohne den persönlichen Einsatz der über 200.000 top ausgebildeten Menschen, die im Gesundheitsbereich arbeiten, hätte es Österreich nicht so gut durch diese Krise geschafft“, fasst Thomas Szekeres, Präsident der Österreichische Ärztekammer, die Situation zusammen. Die Pandemie habe gezeigt, was gut funktioniert habe, aber: „Wir brauchen dringend Verbesserungen im Gesundheitssystem“, betont er. Wenn es nun um die Aufarbeitung der finanziellen Auswirkungen der Pandemie gehen wird, dann darf keinesfalls die kurzsichtige Entscheidung getroffen werden, im Gesundheitsbereich einzusparen. „Hier brauchen wir eine Politik, die über den Tellerrand hinausblickt und im Sinne der kommenden Generationen handelt“, sagt Szekeres.

Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, betont, dass gerade im kassenärztlichen Bereich bald eine katastrophale Situation drohe. Schon jetzt habe es zum Ende des vergangenen Quartals einer internen Abfrage zufolge österreichweit 121 unbesetzte Kassenstellen für Allgemeinmedizin und 79 unbesetzte Facharzt-Kassenstellen gegeben, wobei im Facharztbereich die Kinderheilkunde und die Frauenheilkunde mit 39 bzw. 16 unbesetzten Kassenstellen besonders dramatische Problemfelder darstellen. Die bisherigen Reaktionen ließen Übles für die Zukunft befürchten: „Statt das Problem an der Wurzel zu packen, werden neue Pauschalierungen überlegt, Ordinationen mit irrsinnigem finanziellen Aufwand in Spitälern eingerichtet oder gleich Spitalsärzte in den Kassenbereich verschoben – das sind doch keine zukunftsorientierten Lösungen, sondern das ist Weiterwurschteln mit minimalem Einsatz“, kritisiert Steinhart. Die Lösungen lägen längst parat: Es brauche mehr Ausbildungsstellen sowie die Honorierung der fachärztlichen Lehrpraxis, um mehr Nachwuchs für den niedergelassenen Kassenbereich zu gewinnen. „Zudem sollte man die administrativen Hürden beseitigen, mit denen die Kassenärzte konfrontiert werden.“ Gerade im kinderärztlichen Bereich sei Zuwendungsmedizin entscheidend. Besonders Beratungen zu Ernährung oder Verhalten bräuchten Zeit, die das derzeitige Kassensystem aber nicht honoriere und damit in diesem Bereich spare, sagt Steinhart, der sich für eine Aufhebung der Limitierungen ausspricht.

Herwig Lindner, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Präsident der Ärztekammer Steiermark, dankte den Ärzten für ihren Einsatz und der aktiven Bekämpfung der Pandemie durch die Impfungen. Die Ärztekammern seien jederzeit verlässliche Partner mit Handschlagqualität gewesen. Das sei in den Zeiten des politischen Zickzacks leider nicht bei allen Beteiligten im Gesundheitsbereich selbstverständlich gewesen: „Oftmals hatte es den Anschein, als wolle man durch verwaltungstechnische Schildbürgerstreiche den Einsatz der Ärztinnen und Ärzte bestrafen oder sabotieren. Lange haben bei den Testungen oder beim Impfen klare Strategien gefehlt, stattdessen gab es noch öffentliche Verunsicherung durch Ideen, Apotheker oder Hotelfachkräfte impfen zu lassen“, kritisiert Lindner. Auch hier hätte man viel stärker und früher Ärzte, Gemeinden und Spitäler einbinden sollen. „Es zahlt sich immer aus, auf Profis zu setzen“, appellierte Lindner. (red)

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