Das werden die Details der Gesundheitsreform

© Darko Todorovic

Die Regierung will noch vor dem Sommer ihr Reformpaket vorlegen. Tatsächlich wurden bereits erste Details bekannt. Zuletzt eine kräftige Finanzspritze.

Die Regierung hat am Samstag bekräftigt, „rasche Schritte“ zur Reform des Gesundheitssystems setzen zu wollen. Allerdings kann sie das nur bedingt allein entscheiden. Zum einen sind da die Bundesländer, die für den Spitalsbereich zuständig sind, zum anderen die selbstverwalteten Krankenkassen und letztlich die Stakeholder wie Ärztekammer, Apothekerkammer oder Industrie. Bleibt der Regierung der Hebel des Finanzausgleiches und der Gesetzgebung, die für einige Reformen nötig ist. Noch während der laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich wollen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) damit erste Schritte zur Reform des Gesundheitssystems setzen.

Die Problemanalyse der Regierung laut einer Aussendung vom Samstag:

  • Das Gesundheitssystem wurde während der Pandemie bis über die Grenzen beansprucht
  • Es gibt zu wenige Kassenärzt:innen, sowohl Allgemein- als auch Fachärzt:innen
  • Die Zahl der Kassenärzt:innen stagniert, die Zahl der Wahlärzt:innen nimmt zu
  • Es ist unzumutbar, dass Hausärzt:innen in manchen Regionen Mangelware sind
  • Es ist unzumutbar, dass Patient:innen in manchen Fächern nur schwer Termine bekommen
  • Personal im Gesundheitssystem ist oft überlastet
  • Teilweise bestehen Engpässe bei der Medikamenten-Versorgung
  • Zu viele Absolvent:innen verlassen das Land

Doch was hat die Regierung nun vor? RELATUS MED hat mit Vertreter:innen von ÖVP und Grünen sowie aus den Bundesländern und Kassen gesprochen, und zeigt, was hinter den Kulissen fix ist beziehungsweise bereits bekannt ist:

  • 10 Milliarden Euro zusätzlich bis 2028 – das sind zwei Milliarden pro Jahr
  • Zusätzliche Kassenstellen. Heuer noch 100, in den kommenden 5 Jahren insgesamt 800
  • Ausbau von Primärversorgungseinheiten, dafür soll es zusätzliche 100 Millionen Euro geben
  • Öffnung von Primärversorgungseinheiten auch für Fachärzt:innen – vor allem in Mangelfächern wie Kinder- und Jugendheilkunde
  • Ausbildungsreform mit Facharzt für Allgemeinmedizin
  • Bevorratungsverordnung für wichtige Medikamente soll Lieferengpässen vorbeugen
  • Verbesserungen bei der psychosozialen Versorgung
  • Ausbau digitaler Angebote, e-Rezept, Stärkung der ELGA
  • Förderungen für Praxisgründungen
  • Klimaförderungen für Ordinationen, Apotheken, Spitäler, Pflegeeinrichtungen und Ambulatorien – insgesamt 350 Millionen Euro bis 2030
  • Aufwertung der Pflege und Entlastung von Ärzt:innen: Pflegegeldbegutachtung durch diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal; Erstverordnung von Medizinprodukten für Pflegefälle durch diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal.
  • Ausbau Medikamentenversand durch Erlaubnis für Abholfächer beziehungsweise Abholstationen zur Hinterlegung von rezeptfreien Arzneimitteln

„So wie es in den vergangenen 15 Jahren war, kann es nicht weitergehen. Das wird harte Arbeit, aber das gehen wir jetzt an“, gibt sich der Bundeskanzler selbstkritisch – immerhin stellt seine Partei seit 22 Jahren den Vorsitz in der Sozialversicherung. „Wir wollen weiterhin eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben und dazu braucht es Verbesserungen. Dazu werden wir noch im Juni konkrete Schritte setzen. Darüber hinaus laufen die Arbeiten an der großen Gesundheitsreform im Rahmen des Finanzausgleichs weiter. Wir werden uns in den nächsten Wochen intensiv mit Expertinnen und Experten im Bundeskanzleramt beraten und noch vor dem Sommer erste Maßnahmen vorlegen “, erklärt Nehammer am Wochenende. Und Rauch ergänzt: „Versäumtes nachzuholen, geht leider nicht von heute auf morgen. Umso wichtiger ist es, dass wir wichtige Punkte schnell angehen. Österreichs Gesundheitssystem leistet nach wie vor gute Arbeit, wir müssen jetzt alles tun, damit das so bleibt.“

Skepsis kommt von der Ärztekammer Wien: „Hundert Kassenstellen mehr werden die Personalflucht aus den Spitälern nicht lösen. Das hundertste Bekenntnis zum Ausbau der Primärversorgung wird den akuten Pflegemangel und die gesperrten Betten in den Krankenhäusern nicht beseitigen. Und digitale Angebote bei der psychosozialen Versorgung werden keine Fachärztin zurück ins Spital holen. Kurz: Eine Gesundheitsreform, die auf die Spitäler vergisst, hat diesen Namen nicht verdient“, kommentiert Stefan Ferenci, geschäftsführender Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien. Und er erneuert die Forderung nach einer Rückkehr- und Bleibeprämie für alle Gesundheitsberufe sowie nach marktkonformen Gehältern, um im Bundesländervergleich konkurrenzfähig zu bleiben. „Es braucht dringend ein umfassendes Maßnahmenpaket für den Spitalsbereich. Der Druck der Beschäftigten in den Wiener Spitälern steigt. Verzweifelte Kolleginnen und Kollegen treten mit uns in Kontakt und erzählen uns, dass es so nicht weitergehen kann, die öffentlichen Spitäler kurz vor dem Kollaps stehen.“ (rüm)