Debatte über Höhe der Rezeptgebühr

Symbolbild (c) Ecpomedia

Fachleute kritisieren die aktuelle Obergrenze von Rezeptgebühren. Patient:innen müssten immer mehr Medikamente selbst bezahlen. Das sei ein Compliance- und Armutsrisiko.

Fast 50 % der abgegebenen Medikamente müssen Patient:innen aufgrund der niedrigen Preise selbst bezahlen. Gerade für chronisch Kranke und multimorbide Patient:innen können Selbstbehalte zum Armutsrisiko werden, zeigt eine vom Institut für Höhere Studien (IHS) durchgeführte Erhebung im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die am Montag vorgestellt worden ist. Demnach hat sich die Gefahr durch Krankheit zu verarmen zwischen 2010 und 2020 verdoppelt. Dabei ist ein Thema ein seit Jahren schwelendes, das niemand wirklich angreifen will: die Regelungen der Rezeptgebühren und deren Obergrenze.
In Österreich zahlen Patient:innen zunehmend mehr für ihre Medikamente, obwohl die Preise für Arzneimittel kontinuierlich sinken. Ein versteckter Selbstbehalt, der sich rasch in große Höhen steigern kann. Dann nämlich, wenn man chronisch krank oder alt ist und mehrere Medikamente benötigt, deren Patent abgelaufen ist und bei denen der Preis unter der Rezeptgebührengrenze von 7,10 Euro liegt. Genau das betrifft bereits fast die Hälfte aller in den öffentlichen Apotheken abgegebenen Medikamente. „Es ist paradox, Patient:innen haben eine finanzielle Mehrbelastung trotz der Einsparungen, die durch günstigere Generika erzielt werden“, rechnete Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes (OeGV) am Montag vor.

Zuletzt hat ein Beitrag in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ die Debatte erneut ins Rollen gebracht. Die Sendung berichtete am Wochenende von einem Patienten, der bis 28. November 521 Euro für Medikamente ausgegeben hat, aber nur 360 Euro sind für die Obergrenze von zwei Prozent des Einkommens angerechnet worden. „Der Krankenkasse ist kein Vorwurf zu machen, denn hier besteht eine Gesetzeslücke“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz. Verschriebene Medikamente zählen nicht zur Obergrenze, wenn ihr Preis niedriger als die Rezeptgebühr ist. Und um es noch komplizierter zu machen: Sie zählen auch dann nicht, wenn der sogenannte Kassenpreis, also der Rabatt-Preis, den die Krankenkasse der Apotheke zahlt, niedriger als die Rezeptgebühr ist. In diesen Fällen haben Patient:innen den Privatverkaufspreis zu zahlen. Ist der Privatverkaufspreis höher als die Rezeptgebühr, kann zwar die Apotheke aufgrund des Apothekengesamtvertrags nur einen Betrag in der Höhe der Rezeptgebühr verlangen. Dann werden die 7,10 Euro aber nicht auf die Rezeptgebühren-Obergrenze angerechnet.

„Die Betroffenen werden also erst später im Jahr – oder gar nicht – von den Rezeptgebühren befreit. Die Regelung ist schwer durchschaubar. Und sie widerspricht dem Ziel, Menschen zu entlasten, sobald sie zwei Prozent ihres Einkommens für Medikamente ausgegeben haben. Notwendig wäre also statt der Rezeptgebühren-Obergrenze eine Medikamentenkosten-Obergrenze, in die alle ärztlich verschriebenen Medikamente eingerechnet werden. Das Parlament sollte das Gesetz entsprechend ändern“, fordert Achitz. (rüm)