Entspannung zwischen Ärztekammer und Rauch

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Die Standesvertretungen der neun Bundesländer zeigen sich geeint. Und sie bieten Gesundheitsminister Johannes Rauch einen Dialog zur „Weiterentwicklung des Gesundheitswesen“ an.

Die Zeichen zwischen Ärztekammer und Gesundheitsministerium stehen auf Entspannung. Ende der Vorwoche betonte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) wie berichtet, dass er versuchen wolle, Ärzt:innen wieder verstärkt in den Kassenbereich zu bringen, und verkündete überraschend, dass dies wohl nicht über „Zwangsverpflichtungen“ funktionieren werde. Auch das Wahlärzt:innensystem wolle er nicht abschaffen. Davor hatte er der Ärztekammer noch Reformunwilligkeit vorgeworfen. Die Österreichische Ärztekammer, mit der es in den vergangen Wochen oftmals einen medialen Schlagabtausch gab, signalisiert nun Entgegenkommen.

Um das Gesundheitswesen gemeinsam „weiterzuentwickeln“, lädt die Österreichische Ärztekammer nun Rauch zu einem Gespräch ein, um „auf Augenhöhe und konstruktiv über die Herausforderungen der kommenden Jahre“ zu sprechen. „Wir wissen, was es jetzt braucht“, sagt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer stellvertretend für die Landesärztekammer-Präsidenten. Durch den täglichen Kontakt zu Kolleg:innen sowie Patient:innen würde die Standesvertretung wissen, woran es derzeit im heimischen Gesundheitssystem fehle. Ideen zur Verbesserung gäbe es seitens der Ärztekammer genug. Ein gemeinsames Gespräch würde der Bevölkerung mehr bringen, als sich „gegenseitig Vorwürfe auszurichten“.

Auffallend: der Pressemitteilung schließen sich alle Bundesländerpräsidenten an und versuchen zu vermitteln, dass man in den Ländern durchaus eine gute Gesprächsbasis zur Politik und auch regionalen Kassenvertretern habe. Und: es gäbe auch Reformideen. „Mit der Akutordination mit Visitenärzten haben wir ein Modell entwickelt, das in Zeiten des Ärztemangels mit zunehmend schwer zu besetzenden Kassenstellen einerseits eine Patientenversorgung in den Randzeiten garantiert und andererseits die Belastung der Allgemeinmediziner reduziert“, unterstreicht etwa Christian Toth, Präsident der Ärztekammer für Burgenland. Bei der Frage der Wochenend- und Bereitschaftsdienste befinde man sich längst in sehr positiven Gesprächen mit dem Land, betont Toth.

„Auch in Kärnten funktioniert die Zusammenarbeit mit Land und Kasse im Regelfall sehr gut“, konstatiert Markus Opriessnig, Präsident der Ärztekammer für Kärnten. Aktuell sei im niedergelassenen Bereich jeweils lediglich eine Kassenstelle für Allgemeinmedizin und eine Facharztstelle offen, das sei eine deutliche Bestätigung dieser Aussage, Streitfälle seien eine Ausnahme. „Wegen der Nachbesetzung einer Planstelle für Radiologie in Althofen musste die Ärztekammer erst ein zweijähriges Streitverfahren gewinnen, um eine Blockade der ÖGK zu beenden“, so Opriessnig. Im Rahmen der Pandemie habe die Zusammenarbeit mit der ÖGK aber funktioniert, die rasche Implementierung eines Visitendienstes und die Umsetzung des Impfkonzeptes im niedergelassenen Bereich hätte im Zusammenspiel ein erstklassiges Service für die Bevölkerung dargestellt.

„Im Kampf gegen die offenen Kassenstellen haben sich Ärztekammer und ÖGK zusammengesetzt und gemeinsam ein ganz neues und innovatives Modell auf den Weg gebracht, das vielen Kolleginnen und Kollegen den Weg in eine Kassenordination ermöglicht, ohne gleich das wirtschaftliche Risiko auf sich zu nehmen“, sagt Harald Schlögel, Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich. „Wir befinden uns längst in konstruktiven Gesprächen mit dem Land, um die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte zu meistern“, betont auch Stefan Kastner, Präsident der Ärztekammer für Tirol. Aktuell laufe eine Ärztebedarfsstudie zur differenzierten Ausbildungsoffensive je nach betroffenem Sonderfach gemeinsam mit Land und ÖGK. Eine Reform der Nacht- und Wochenenddienstbereitschaften wird derzeit verhandelt.

„Die Entwicklung der Primärversorgungseinheiten läuft sehr gut, wir haben bereits zehn PVE eröffnet“, sagt Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich. Zudem würden andere ärztliche Kooperationsformen wie erweiterte Vertretung oder Nachfolgepraxis bereits gemeinsam ausgearbeitet. Die Abschaffung der Chefarztpflicht brachte ebenfalls wesentliche administrative Erleichterungen für Patientinnen und Patienten. Das neue Projekt „neuAMstart“ von ÖGK und Ärztekammer, ein Ärztementoring für Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner, solle künftig die hausärztliche Versorgung im Bundesland weiter verbessern.

Karl Forstner, Präsident der Ärztekammer für Salzburg, verweist auf die erfolgreiche Umsetzung von zahlreichen versorgungsrelevanten Maßnahmen mit dem Land und der Kasse. „Es gibt einen flächendeckenden Bereitschaftsdienst der Kassenärztinnen und Kassenärzte für Allgemeinmedizin an Wochenenden, Feiertagen und in den Nächten der Wochentage.“ Die Ärztekammer Steiermark habe die Notarztentlohnung reformiert, die vom Land umgesetzt wurde. „Die Kritik am Notärztemangel ist seither verstummt“, sagt Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer für Steiermark. Zudem gebe es auf Initiative der Ärztekammer Bereitschaftsdienstordinationen auch an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 15 bis 18 Uhr. Die vom Land als „Abendordinationen“ bezeichneten Angebote bringen eine deutliche Verbesserung, so Sacherer, der auch darauf verweist, dass mit der ÖGK Steiermark ein neuer Tarifvertrag entwickelt wurde, der auch die Viertage-Woche für kassenärztliche Ordinationen bringen wird.

„In Vorarlberg funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Ärztekammer und Land, aber auch mit der ÖGK, auf verschiedensten Ebenen seit jeher sehr konstruktiv und gut“, hebt Burkhard Walla, Präsident der Ärztekammer für Vorarlberg, hervor und verweist auf Projekte wie das Schmerzboard Vorarlberg oder die Entwicklung und den Betrieb des Gesundheitsnetz Vorarlberg, welches zur gesicherten medizinischen Datenübertragung zwischen intra- und extramuralen Bereich genutzt wird. Gemeinsam habe man sehr erfolgreiche Lehrpraxisprojekte in der Allgemeinmedizin und in den Facharztbereichen Kinder- und Jugendheilkunde sowie Augenheilkunde und Optometrie umgesetzt.“

In Wien laufe aktuell eine große PVE-Offensive, bis zur Jahreshälfte 2023 sind bereits fünf weitere Eröffnungen geplant. Zudem habe man auch schon ein eigenes Konzept für PVE für Kinderheilkunde ausgearbeitet, betont Steinhart als Präsident der Ärztekammer für Wien: „Wir sehen also quer durch alle Bundesländer: Wer mit uns auf Augenhöhe spricht, bekommt einen konstruktiven Partner mit Handschlagqualität. Ohne uns wird es nicht gehen, daher bieten wir gerne unsere Expertise und unsere Zusammenarbeit an.“ (rüm)