Expertin sieht „Ausnahmezustand“ bei Kindern und Jugendlichen

Die Direktorin der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kathrin Sevecke, richtet einen dramatischen Appell an die Politik: Der Zustand vieler Kinder und Jugendlichen in Zeiten des Corona-Lockdowns sei „besorgniserregend“.

Man könne von einem „emotionalen Ausnahmezustand“ sprechen, sagte Sevecke im APA-Interview. Die Kliniken in diesem Bereich seien voll. Sevecke forderte eine sofortige Öffnung der Schulen und Freizeiteinrichtungen. Natürlich unter Einhaltung von Hygienekonzepten, wie sie betonte. „Es braucht eine Debatte darüber, welchen Effekt die Maßnahmen haben. Diese findet in der Öffentlichkeit nicht statt“, kritisierte Sevecke, die auch als Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie fungiert. „Wie hoch ist der Nutzen und wie groß sind die daraus entstehenden psychischen Schäden für unsere Kinder? Diese Frage muss man sich stellen“, so die Kinder- und Jugendpsychiaterin und erklärte: „Wir nehmen eine deutliche Zuspitzung der psychischen Situation von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr wahr.“

Schlafstörungen, Traurigkeit, sozialer Rückzug, zunehmende Aggressivität vor allem bei Burschen, Depressionen, schwere Essstörungen, Selbstverletzungen – schwere Verläufe und emotionale Krisen- und Ausnahmezustände würden signifikant zunehmen: „Wir erleben beispielsweise auch in unserer Klinik in Hall in Tirol ein vielfaches mehr an Notaufnahmen sowie Akut-Vorstellungen in unserer Ambulanz.“ An der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall beispielsweise seien alle 43 Plätze „komplett belegt, ja überbelegt.“ Man habe oft nur die Möglichkeit, kurzfristig therapeutisch zu intervenieren. Die massiven Probleme würden beim Verlassen der Klinik aber nicht verschwinden, denn: „Sie gehen zurück in ihre Familien und müssen dort mit den gleichen Rahmenbedingungen wieder zurechtkommen.“ Sie verstehe nicht, weshalb Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht Fußball spielen oder in ein Jugendzentrum gehen dürfen – natürlich unter Einhaltung der Schutzbestimmungen. (APA)