Forscher warnen vor Abkürzungen bei Impfstoffentwicklung

Ein Verbund von über 140 Wissenschaftsakademien weltweit kritisiert den Druck der Politik auf die Entwicklung eines Corona-Impfstoffes. Die Chefs von neun forschenden Unternehmen haben indes am Dienstag eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, wo sie sich zur Einhaltung aller Vorgaben verpflichten.

„Jeder Impfstoff gegen COVID-19 muss sicher, wirksam und für jedermann zugänglich sein.“ Das fordert das Akademie-Netzwerks InterAcademy Partnership (IAP), dem auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angehört, in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung. Die Forscher sprechen sich darin gegen Abkürzungen bei der Impfstoffentwicklung sowie einen „Impfstoff-Nationalismus“ beim Ankauf von Vakzinen aus. Impfstoffe würden von entscheidender Bedeutung sein, um die Corona-Pandemie zu kontrollieren und den Menschen eine Rückkehr in ihr tägliches Leben zu ermöglichen, heißt es in der Erklärung. Doch bei der Beurteilung von Sicherheit und Wirksamkeit von COVID-19-Impfstoffkandidaten dürften keine Abstriche gemacht werden.

Milliarden von Dollar würden derzeit in die Forschung zu COVID-19-Impfstoffen fließen, die in einem noch nie dagewesenen Tempo durchgeführt werde. Die IAP beruft sich auf Angaben der WHO, wonach sich Anfang September 34 Impfstoffkandidaten in der klinischen und weitere 142 in der präklinischen Phase befinden. Es sei zwar dringend notwendig, diesen Prozess so weit wie möglich zu beschleunigen, betonen die Wissenschafter. Doch der Wettlauf um einen COVID-19-Impfstoff berge große Gefahren, wenn dabei Abkürzungen genommen werden. „Die Standardphasen der klinischen Impfstoffversuche müssen mit der angemessenen wissenschaftlichen Strenge ablaufen, insbesondere der notwendige Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit im großen Maßstab“, erklärte IAP-Präsident Volker ter Meulen. Nachdem Impfstoffgegner das Vertrauen in erprobte Vakzine bereits untergraben hätten, sei ein „offener, wissenschaftlich fundierter Prozess mit hoher Integrität für die Entwicklung und Überprüfung von COVID-19-Impfstoffen notwendig, damit keine Zweifel an deren Sicherheit aufkommen“, heißt es in der Erklärung.

Die Chefs von neun an COVID-19-Impfstoffen forschenden Unternehmen haben ebenfalls am Dienstag eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, mit der sie sich dazu bekennen, der Sicherheit eines neuen Impfstoffes oberste Priorität einzuräumen. Die neun Unternehmen sind AstraZeneca, BioNTech, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, MSD, Moderna, Novavax, Pfizer und Sanofi. Ihnen ist es ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die Impfstoffkandidaten, die derzeit erprobt werden, in vollem Umfang das sehr strenge wissenschaftliche und regulatorische Verfahren durchlaufen, mit dem Impfstoffe vor ihrer Zulassung evaluiert werden. Für forschende pharmazeutische Unternehmen in der Regel selbstverständlich, erachten es die CEOs der genannten Firmen derzeit als angemessen, auf diese Vorgehensweise explizit hinzuweisen. Sie wollen damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in einen allfälligen neuen Impfstoff stärken. Denn mit dem ungewöhnlichen Schritt der russischen Zulassungsbehörde, den Impfstoff Sputnik-V noch vor Abschluss der klinischen Phase 3 zuzulassen und dem Druck von US-Präsident Donald Trump auf eine Zulassung vor der US-Präsidentschaftswahl, ist eine Diskussion um die Sicherheit eines zukünftigen Impfstoffes gegen das Coronavirus entbrannt.

Auch Alexander Herzog, Generalsekretär des heimischen Pharmaverbandes Pharmig, stellt in diesem Zusammenhang klar: „Die Sicherheit hat generell und in jeder Phase der Medikamentenentwicklung oberste Priorität. Zum einen für die Studienteilnehmenden im Rahmen der klinischen Prüfungen und zum anderen für die Patienten, die das Medikament nach erfolgreicher Zulassung erhalten.“ Bei den derzeit auf Hochdruck laufenden Impfstoff-Entwicklungsprozessen würden lediglich administrative Abläufe beschleunigt. „Es gibt keinerlei Kompromisse bei der Qualität und Sicherheit eines zuzulassenden Impfstoffes“, versichert Herzog. (red)

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