Bei einem Pressegespräch betonten die Branchenvertretung Pharmig und weitere Expert:innen die Bedeutung von Gentherapien für seltene Erkrankungen – und forderten gezielte Strukturreformen, um den Zugang zu verbessern.
Zell- und Gentherapien gelten als medizinischer Meilenstein für schwere, oft seltene Erkrankungen. Um Betroffenen rasch Zugang zu diesen innovativen Therapien zu ermöglichen, fordert die Industrievertretung Pharmig unter anderem eine sofortige Verfügbarkeit ab EU-Zulassung, überregionale Finanzierung sowie einen frühzeitigen Dialog zwischen Behörden, Unternehmen und Expertisezentren. Anpassungen im Bewertungsverfahren, mehr klinische Studien und eine stärkere Einbindung von Patient:innenorganisationen sollen zusätzlich die Versorgung sichern. Im Rahmen eines Pressegesprächs meldeten sich auch Fachexpert:innen zur aktuellen Situation und nötigen Reformen zu Wort.
Da viele seltene Erkrankungen genetisch bedingt und chronisch fortschreitend sind, ist eine frühzeitige Diagnose laut Sylvia Nanz, Medical Director bei Pfizer Austria und Mitglied des Standing Committee Rare Diseases der Pharmig, entscheidend. Aber auch weil Forschung und Entwicklung in diesem Bereich besonders komplex sind, sollten bereits verfügbare Therapien rasch in die Anwendung kommen. Nanz betonte, dass Gentherapien nicht gleichbedeutend mit Heilung sind, durch ihre Wirkweise – nämlich direkt an der Krankheitsursache – können sie den Krankheitsverlauf aber verlangsamen oder sogar stoppen. Die Bedeutung einer klaren Kommunikation zum Thema Gentherapie betonte auch Molekularbiologe und Mitglied der Science Busters Martin Moder: Gerade durch die Pandemie sei das Bild von Gentherapie verzerrt worden, Begriffe wie „Genspritze“ hätten Vertrauen erschüttert. Wissenschaftskommunikation müsse erklären, was Gentherapie bedeutet – und was nicht. Eine sogenannte Bypass-Strategie helfe dabei, falsche Vorstellungen durch positive, korrekte Informationen zu ersetzen. Während die breite Öffentlichkeit teils skeptisch sei, zeigten betroffene Patient:innen oft deutlich weniger Vorbehalte.
Für einen erfolgreichen Einsatz von Gentherapien in Österreich braucht es laut Markus Ritter, Leiter der Spezialambulanz für erbliche Netzhauterkrankungen – Ophthalmogenetik der MedUni Wien, klare Strukturen: Register zur Patient:innenidentifikation, zertifizierte Apotheken, spezialisierte Geräte und geschultes Personal. Sylvia Nanz fordert zudem mehr Bewusstsein im medizinischen Alltag für seltene Erkrankungen – besonders bei unklaren Diagnosen. Künstliche Intelligenz könne hier unterstützen. Auch Tanja Stamm, Leiterin des Instituts für Outcomes Research der MedUni Wien und des Ludwig Boltzmann Instituts für Arthritis und Rehabilitation sieht Fortschrittspotenzial: Das studentische Interesse an seltenen Erkrankungen und Gentherapie sei groß – eine Chance für die Versorgung von morgen. (kagr)