Harnwegsinfekte: schnellere Diagnose dank KI

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Eine neue vielversprechende Diagnosemethode mit österreichischer Beteiligung nutzt Künstliche Intelligenz, um Harnwegsinfektionen schneller nachzuweisen.

Der Nachweis einer Harnwegsinfektion erfolgt üblicherweise in der sogenannten Urinkultur: Ein Extrakt der Urinprobe wird auf eine Platte aufgebracht und am Folgetag unter dem Mikroskop auf Bakterienwachstum untersucht. Das Problem: Das Verfahren ist zeitintensiv, mehr als zwei Drittel der Proben erweist sich als negativ. Um die Arbeitslast der Labore zu verringern, hat ein Forschungsteam aus Österreich und Italien nun eine Methode entwickelt, die mithilfe von KI negative Proben schneller erkennt. Dadurch soll sich der Aufwand im Labor um 16 Prozent verringern, wie die Forschungsergebnisse von Fraunhofer Austria und dem Institut AULSS2 Marca Trevigiana in Treviso zeigen. Sie wurden im Fachjournal „American Journal of Clinical Pathology“ veröffentlicht und stehen zur sofortigen Anwendung an geeigneten Maschinen zur Verfügung.

Was die KI des Forschungsprojektes besonders macht: Sie ist interpretierbar, die Ergebnisse also nachvollziehbar. „Gerade in der Medizin ist es wichtig, dass eine KI keine Black Box ist. Es hat aber keinen Sinn, wenn eine KI nur eine Bewertung ausgibt, ohne eine Erklärung zu liefern. Für uns war es daher eine zwingende Bedingung, dass unser Algorithmus transparent und nachvollziehbar ist und dass die Ärztinnen und Ärzte erfahren, warum eine Probe als negativ kategorisiert wurde“, erklärt Giacomo Da Col, Leiter des Projekts bei Fraunhofer Austria. Eine Form der KI, auf die das zutrifft, sind sogenannte Entscheidungsbäume. Diese Methodik ist sehr intuitiv und erlaubt es, die von ihnen getroffenen Einschätzungen nachzuvollziehen. Dabei werden nacheinander bestimmte Fragen gestellt, die beantwortet werden, um schlussendlich zu einem Urteil zu gelangen. Das Team stellte durch ihre Arbeit fest, dass die Entscheidungskriterien der KI stark mit denen der Ärzt:innen übereinstimmten.

So gelangte auch die KI zu dem Schluss, dass eines der wichtigsten Kriterien die Bakterienanzahl sein musste, dicht gefolgt vom Alter der Patient:innen. Anders als bei bisherigen Verfahren bezogen die Forscher:innen aber auch noch weitere Parameter mit ein. Wichtig dabei war allerdings, die Anzahl der fälschlicherweise als negativ identifizierten Proben gering zu halten. Der aus diesen Bedingungen resultierende Algorithmus verwendet sieben der zur Verfügung stehenden Parameter, hat die geforderte Sensitivität von 95 Prozent und kann die Arbeitslast von Labors um 16 Prozent im Vergleich zu früheren Methoden verringern.

Schon jetzt nutzen viele Spitäler die sogenannte Durchflusszytometrie, mit deren Hilfe Ärzt:innen in der Lage sind, eine Vorauswahl zu treffen, sodass offensichtlich negative oder kontaminierte Proben erst gar nicht zur Urinkultur kommen. Ein dafür weit verbreitetes Gerät ist das „Sysmex Uf-1000i“, dessen Daten die Forscher:innen im Rahmen ihrer Studie analysierten. Dieses Gerät zählt und klassifiziert Partikel in der Probe vollautomatisch und gibt mehr als 40 Parameter aus, die dann zur Diagnose herangezogen werden können. In bisherigen Methoden zur Identifikation von negativen Proben wurden aber immer nur wenige dieser Parameter verwendet – eine Tatsache, die den Anstoß für das Forschungsprojekt gab. „Wir wollten sehen, ob sich die Ergebnisse noch verbessern lassen, wenn man statt zwei oder drei auch noch die anderen Parameter in die Beurteilung mit einbezieht“, erklärt Giacomo Da Col. Gemeinsam mit dem Arzt Fabio Del Ben vom National Cancer Institute in Aviano, Italien, und einem Forschungsteam wurden daraufhin 15.312 Proben von 10.534 Patient:innen ausgewertet. Da der gesamte Entscheidungsbaum im Artikel im American Journal of Clinical Pathology veröffentlicht wurde, können Anwenderinnen und Anwender, die das gleiche Gerät wie das Forschungsteam verwenden, die Methodik sofort dort einprogrammieren und im medizinischen Alltag anwenden. Die Forscher:innen suchen weiterhin nach Kooperationspartner:innen, die eine vergleichbare Studie auch an ihrer Klinik durchführen wollen. (kagr)