Kommentar: Warum der Unmut über Impfgegner wächst

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Impfgegner feiern sie als Helden: Promis, die gegen Regeln verstoßen. Dabei werden sie von diesen in Wirklichkeit verhöhnt. Was wir brauchen ist eine empathischere Diskussion.

Deutschland hat Österreich erneut auf die Liste der Corona-Hochrisikogebiete gesetzt, angesichts der stark steigenden Infektionszahlen durch die Virusvariante Omikron. Mit Sonntag sind eine Einreiseregistrierung sowie eine Quarantäne für Nicht-Immunisierte vorgeschrieben. Österreich findet sich damit auf einer Liste mit Bulgarien, Lettland, Nordmazedonien, Albanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Dschibuti, Burkina Faso, Gambia, Liberia, Senegal und Niger, Äquatorialguinea, São Tomé und Príncipe, Guinea-Bissau, Zentralafrikanische Republik, Eritrea, Madagaskar, Somalia, Kolumbien, Peru, Guyana, Suriname, St. Kitts und Nevis, St. Vincent und den Grenadinen, Benin, Costa Rica, Dominikanische Republik, St. Lucia, Antigua und Barbuda, den Philippinen und dem Tschad. In Summe ist das nicht gerade förderlich fürs Image. Österreich hat zwei Jahre nach Beginn der Pandemie das Geschehen nicht annähernd so im Griff wie vergleichbare europäische Länder.

Einer der Hauptgründe dafür ist, dass die Politik noch immer Angst vor der eigenen Courage hat oder einfach ratlos ist. Statt den Menschen, die Angst vor Impfungen haben, die Hand zu reichen und jenen, die sie aufhetzen, entschieden entgegen zu treten, versucht man nach wie vor sich irgendwie durchzuschwurbeln. Traurig an der Impfpflicht ist etwa vor allem die Art, wie sie kommt: verschwommen, verzögert und mit rechtlichen Schwachstellen. Denn eigentlich hat die Regierung im Herbst bei der Ankündigung gehofft, dass bis zum Frühjahr die Pandemie entweder vorbei ist oder sich allein ob der Androhung einer Impfpflicht alle impfen lassen. Jetzt muss man tun, was man eigentlich nicht will. Nicht anders ist zu verstehen, dass etwa die ELGA GmbH spät erklärt, die technische Umsetzung nicht rechtzeitig zu schaffen.

Was es braucht sind klare Information, Aufklärung und sinnvolle Kampagnen. Es braucht aber auch eine Unterscheidung im öffentlichen Diskurs zwischen Wissenschaft und Politik. Seit zwei Jahren werden diese Bereiche nämlich verwischt. Im Politikjournalismus ist es etwa sinnvoll und üblich, Ansichten einander gegenüber zu stellen. In der Pandemie werden aber wissenschaftliche Fakten gegen Meinungen gesetzt. Das verzerrt die Wahrnehmung, weil eine vermeintliche Ausgewogenheit entsteht. Tatsächlich wird einer Minderheit gleich viel Raum gegeben, sodass fälschlich der Eindruck entsteht, Minderheitenmeinung und Konsensmeinung seien gleichwertig. Fakt ist aber: von jenen Menschen, für die die Impfpflicht gelten wird, sind 81 % bereits geimpft.

Der Rest wird aufgehetzt, verunsichert und im Glauben gehalten, dass Corona halb so schlimm ist und umgekehrt die geforderten Maßnahmen viel schlimmer sind, weil sie Freiheiten einschränken. Tatsächlich trifft die Nichteinhaltung von Vorsichtsmaßnahmen seit Monaten vor allem, jene die sich daran halten: Gesundheitsberufe, ältere Menschen, Unternehmen, Kinder, sozial Schwache. Zu kritisieren sind dabei vor allem jene, die ihre Rücksichtslosigkeit zu Schau tragen, um sich dadurch bei den Impfgegnern Applaus zu sichern. Warum postet etwa Runtastic-Gründer, Millionär und ÖVP-Berater Florian Gschwandtner ein Video einer Aprés-Ski-Party in Kitzbühel als wäre das das Natürlichste auf der Welt? Später bedauerte er, seiner Vorbildfunktion nicht gerecht geworden zu sein. „In der heutigen, für uns alle schwierigen Zeit, war es ein Fehler nach einem Skitag noch mit Freunden am Aprés-Ski teilzunehmen“, schrieb er später als hätte man das nach zwei Jahren Pandemie nicht vorher wissen können. Tatsächlich sind nach den aktuellen Covid-19-Bestimmungen Aprés-Ski-Partys auch schlicht nicht erlaubt.

Der impfkritische Tennisstar Novak Djokovic wiederum inszeniert seine Ausweisung aus Australien als Willkür und Schikane. Da hilft es auch nicht, dass Australien auf die im Land geltenden Einreiseregeln verweist. Und die gelten eben auch für den aktuell weltbesten Tennisspieler. Der sichert sich zwar den Applaus seiner Fans und der Impfgegner, er handelt aber im Grunde empathielos, egoistisch und elitär. Nicht die Botschaft, dass man gegen Maßnahmen ist, bleibt am Ende hängen, sondern dass man glaubt, sich darüber hinwegsetzten zu können.

Fakten und Meinungen sind aber nicht gleichwertig. Egal von wem Meinungen kommen, sie bleiben dennoch Meinungen. Fakt ist, dass die Pandemie zu viele Menschen zu hart trifft und es deshalb unser aller Bemühen sein muss, Corona nicht klein zu reden, sondern die Pandemie zu beenden. (rüm)

Kurzumfrage: Bringt Omikron das Ende der Pandemie?