Kommentar: Wie wir Ungeimpfte doch noch erreichen können

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Die Corona-Maßnahmen werden verschärft, der Druck auf Ungeimpfte steigt. Doch das wird viele Menschen vor allem in die Arme der Gegner treiben, nicht aber zur Impfung. Dabei könnte es einfacher gehen.

Die Bundesländer übertreffen sich derzeit mit unterschiedlichen Impf-Kampagnen, die sich Landespolitiker oder regionale Agenturen ausdenken. Im Burgenland gibt es etwa eine Impflotterie für Geimpfte und man startet Aktionen über Vereine, Betriebe und Gemeinden. Andere Bundesländer setzen auf Impfbusse in den Regionen oder Impfungen in Einkaufszentren. Der ÖVP-nahe Arbeitsminister wiederum will Arbeitslosen Geld streichen, wenn sie als Ungeimpfte einen Job ablehnen oder deshalb nicht bekommen. Auch über Selbstbehalte im Fall eines Spitalsaufenthaltes denkt die ÖVP nach. Ob das alles hilft, wird sich zeigen – in jedem Fall könnte es einfacher und treffsicherer gehen.

Zum einen geht es darum zwischen der kleinen Gruppe der entschiedenen Impfgegner und den Impfskeptikern zu unterscheiden. Erstere wird man wohl auch mit Zwang nicht erreichen, die anderen könnte man hingegen noch von der Impfung überzeugen. Wichtig wäre – und das fällt den meisten Parteien schwer – die Menschen und ihre Sorgen ernst zu nehmen. Dieses Feld überlässt man derzeit der FPÖ und die scheint nicht wirklich daran interessiert, den Menschen ihre Impfängste zu nehmen. Die Sorge vor dem wenig getesteten Impfstoff, vor Unfruchtbarkeit, vor Nebenwirkungen oder gar implantierten Computerchips haben vielleicht mit der Realität nichts zu tun und sind auch längst mit Studien widerlegt – aber sie sind als Ängste dennoch da.

Kommunikation beginnt damit, dem Gegenüber zuzuhören. Wir können den Ungeimpften also zuhören, oder ihnen einfach vermitteln, dass sie feig und dumm oder zumindest eines von beidem sind. Die Wiener Hausärztin und Ärztekammerfunktionärin Naghme Kamaleyan-Schmied hat am Wochenende in einem ZIB2-Interview dafür geworben, die Kommunikation und das Impfen vor allem Hausärztinnen und Hausärzten zu überlassen. Sie kennen ihre Patienten und wissen, wie sie argumentieren müssen. Und vor allem: sie hören ihnen zu, und überzeugen sie danach. Der Public Health-Experte Martin Sprenger argumentiert ähnlich und unterlegt es mit Fakten: Er fordert in einer Stellungnahme, dass man sich überhaupt einmal ansieht, wer die ungeimpften Personen eigentlich sind und wer davon Risikogruppen sind. Dementsprechend müsse man sich dann die Kommunikationsstrategie überlegen. Entscheidend sind offenbar Kriterien wie Einkommen, Bildungsniveau und Risikofaktoren wie Übergewicht. Hier dürfte wohl einer der Gründe liegen, warum das Burgenland in Sachen Durchimpfungsrate österreichweit führen ist: Weniger die Aussicht auf den Gewinn eines Autos, sondern die Informationswebsite des Landes – einfach, übersichtlich und mehrsprachig – dürfte hier helfen. (rüm)