Machtkampf in der Wiener Ärztekammer

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Die Nerven in der Wiener Ärztekammer liegen vor der angekündigten Rückkehr von Präsident Steinhart blank. Jetzt erhitzen ein Rauswurf und eine Unterschriftenaktion aus der Basis die Gemüter.

So wirklich leicht haben es die Ersatzleute für den krankheitsbedingt bis Anfang September noch abwesenden Wiener Ärztekammerpräsidenten Johannes Steinhart nicht. Steinhart, der nach einer Herzoperation seit dem Frühjahr in Rehabilitation ist, wird in Wien von Stefan Ferenci (Kurie angestellte Ärzt:innen) und in der Kurie der niedergelassenen Ärzt:innen von Erik Randall Huber vertreten. Ferenci kämpft derzeit im Spitalsbereich gegen Personalmangel und dessen Folgen, wird aber von der Stadt Wien als Gesprächspartner nicht wirklich ernst genommen. Zuletzt gab es eine Einigung über Änderungen der Arbeitszeiten in der Intensivmedizin ohne Einbindung der Kammer und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) richtete Ferenci via ORF-ZIB2-Interview aus, dass er hoffe, bald wieder mit Steinhart verhandeln zu können. Huber wiederum hat sich mit ein paar anderen Funktionären von Steinharts Fraktion „Vereinigung“ abgespalten, seinen Rücktritt vom angekündigten Rücktritt erklärt und will nach Betrugsvorwürfen rund um eine Tochterfirma der Kurie dort wie berichtet für Klarheit sorgen, wobei die Vorgangsweise ebenfalls für Unstimmigkeiten sorgt.

Wenige Tage vor der Rückkehr Steinharts scheint die Situation nun zu eskalieren. „Neben den ganzen Aufregern, die der vorübergehende Vorsitzende der Wiener Ärztekammer, Stefan Ferenci, am laufenden Band fabriziert, sorgen wir uns weiterhin um die skandalöse Führung in der Kurie der niedergelassenen Ärzt:innen durch Erik Randall Huber. Die Situation, dass sein angekündigter Rückzug überraschend doch nicht zustande kam, lässt vermuten, dass er von Ferenci als Mehrheitsbeschaffer im Präsidium toleriert wird und so seine unprofessionelle Kurienführung ungehindert fortsetzen kann“, erklärte Steven Moayad, niedergelassener Facharzt und Kammermandatar der Fraktion „Wahlgemeinschaft – Ärzt:innen für Ärzt:innen – Wiener Mittelbau“ in einer Aussendung. Moayad wirft Huber „verbale Entgleisungen“ und „autokratischen Führungsstil“ vor. „Wichtigen Terminen wie Verhandlungen mit der Stadt und dem Hearing zur Bestellung der Geschäftsführung des Ärztefunkdienstes“ sei er fern geblieben, kritisiert er und fordert den Rücktritt.

Kritik an Ferenci kam zuletzt per Presseaussendung von Naghme Kamaleyan-Schmied, Allgemeinmedizinerin und Steinhart-Stellvertreterin in der „Vereinigung Österreichischer Ärzt:innen“, die ein „konstruktives Gesprächsklima“ einforderte: „Die Wortwahl und der Stil, der in der krankheitsbedingten Abwesenheit von Präsident Steinhart herrscht, zerstört die Gesprächskultur und bedeutet eine Politik der verbrannten Erde, die keinen Raum für dringend notwendige Verbesserungsmaßnahmen zulässt.“ Huber war für eine Stellungnahme für RELATUS nicht erreichbar, Ferenci wollte zuletzt bei einer Pressekonferenz der Wiener Ärztekammer die Entwicklungen nicht kommentieren.

Verschärfen könnte sich die Lage nun aber nach der vom „Kurier“ zuerst berichteten Entlassung der ärztlichen Leiterin des Wiener Ärztefunkdiensts, Yvetta Zakarian. Anlass sollen Postings in sozialen Medien gewesen sein – einerseits eine Fabel in Anlehnung an den „König der Löwen“, die Insider als Interpretation der Entwicklungen in der Kammer deuten – und andererseits ein Eintrag in einer WhatsApp-Gruppe, in dem sie das Statement einer nicht näher benannten dritten Person teilt, in dem Huber laut „Kurier“ als „Parasit“ bezeichnet wird. Die Zeitung zitiert Huber in der Folge so: „Nach rechtlicher Prüfung blieb im konkreten Fall keine andere Alternative als die fristlose Beendigung wegen Vertrauensunwürdigkeit. Es kann nicht angehen, dass eine leitende Mitarbeiterin des Ärztefunkdienstes die Organisation und ihre leitenden Organe in an Nazi-Diktion erinnernder Weise herabsetzt.“

Für Zakarian haben die jüngsten Vorgänge zu einer „Schwächung der Kurie“ geführt, schildert sie dem „Kurier“ die Motivation hinter ihrem Posting. Der Rauswurf mache sie fassungslos, schließlich habe sie viele Jahre am Aufbau des Ärztefunkdiensts mitgearbeitet. Offenbar geht es aber nicht nur ihr so. Am Wochenende gab es in sozialen Medien zahlreiche Solidaritätsbekundungen von Wiener Ärzt:innen. Auch eine Onlinepetition wurde eingerichtet, die eine Wiedereinstellung Zakarians forderte. Bis Sonntagnacht hatten mit rund 600 Personen bereits fast doppelt so viele Menschen unterschrieben, wie bei den jüngsten Kammer-Wahlen die Turnusärzte-Liste von Kammervize Ferenci (333 Stimmen) gewählt hatten. Zudem meldeten sich mehrere Ärzt:innen, die ihre Teilnahme am Ärztefunkdienst aussetzen wollen. Das wiederum ist allerdings rechtlich gar nicht möglich, weil Vertragsärzt:innen zur Teilnahme am Ärztefunkdienst verpflichtet sind. Wie das im Fall Zakarians ausgelegt wird, war am Wochenende noch offen. Befürchtet wird von Kammerfunktionären auch, dass gerade die zuletzt von der Ärztekammer immer wieder gegenüber der Politik argumentierte Versorgungssicherheit nun selbst in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Die „Vereinigung“ verbreitete in der Folge auch eine Stellungnahme von Kammerpräsident Johannes Steinhart, in der er die Entlassung als „völlig überzogene Reaktion“ bezeichnet und vor Schadenersatzklagen warnt. Nachsatz: „Für diese Aktion“ solle Huber „aber persönlich haften und nicht Kammergeld heranziehen.“ (rüm)