„Man muss schauen, welche Leistung man wo anbietet“

© BMASGPK / Roland Ferrigato

Die finanziellen und personellen Ressourcen im Gesundheitswesen sind zunehmend eng: RELATUS sprach mit Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) über die Pläne der Regierung. 

Die Krankenversicherungen erhalten nun mehr Geld, kämpfen aber mit schwacher Einnahmenbasis und steigenden Ausgaben. Das öffnet Lücken in der Versorgung – auch im Hinblick auf die demographische Entwicklung. Wie soll die Versorgung künftig aussehen? Ich bin eine Verfechterin des öffentlichen Gesundheitssystems. Die Frage ist jedoch, wie man Ressourcen künftig so einsetzen kann, dass die Bevölkerung nicht das Gefühl hat, dass die Versorgung schlechter wird. Das ist eine der Gretchenfragen. Eine Möglichkeit sind Primärversorgungseinheiten, im Spitalsbereich wird man auf Schwerpunktspitäler ohne Akut- und Grundversorgung setzen müssen 

Die Zahl allgemeinmedizinischer Kassenärzt:innen stagniert seit 30 Jahren. Reichen hier ein paar PVE? Und woher sollen die Ärzt:innen dafür kommen? Es gibt sehr viele Wahlärzt:innen, aber nur rund zehn Prozent sind wirklich versorgungswirksam. Die Frage wird sein, wie es uns gelingen kann, sie wieder ins System zurückzubringen, damit sie eben versorgungwirksam werden. Das ist eine der großen Herausforderungen. Eine Möglichkeit, die auch im Regierungsprogramm steht, ist, dass sich Studierende im Gegenzug zu Stipendien verpflichten, später im öffentlichen System zu arbeiten. Man muss sich aber auch überlegen, in welchen Formen von Ordinationen jemand arbeiten möchte, und ob es andere Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt. Gerade auch, weil die Medizin weiblicher wird und Frauen andere Rahmenbedingungen brauchen. Ich denke das Modell der Primärversorgungseinheiten kommt den Jungen entgegen. Hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass das Arbeiten im Verbund äußerst gut angenommen wird.  

Die Länder sehen Primärversorgungszentren als Entlastung der Spitäler, nicht als Ausbau der Versorgung. Was ist mit Lücken am Land? Das ist richtig – wir müssen aufpassen, dass man PVE nicht nur in Ballungszentren errichtet. Für ländliche Regionen gibt es das Modell der Primärversorgungsnetzwerke. In Niederösterreich haben wir etwa das PVN Melker Alpenvorland, das funktioniert gut. 

Welche Rolle soll generell die Primärversorgung spielen und wie soll sie ausgebaut werden? 24/7 sind es in der allgemeinmedizinischen Kassenpraxis nicht mehr, wir brauchen aber eine starke Primärversorgung. Deshalb brauchen wir eine andere Gewichtung. Die Primärversorgung soll den extramuralen Bereich, die Allgemeinmedizin und Kindermedizin umfassen, Öffnungszeiten verlängern und so auch Spitalsambulanzen entlasten. Dazu soll sie sicher auch eine Triage machen. Durch die Einbindung anderer Berufsbilder kann man zudem präventiv viel tun. Das ist dann auch Zuwendungsmedizin und nicht nur Reparaturmedizin. Damit verhindert man wiederum, dass Menschen in die teuren Spitäler kommen.  

Die Einkommen der Kassenärzt:innen sind nicht gerade berauschend. Heute kann man auch als Wahlärzt:in schon leben und hat keine volle Praxis. Natürlich muss man auch über einheitliche Leistungs- und Honorarkataloge nachdenken. Auch dieser Punkt steht im Regierungsprogramm, allerdings braucht es dazu alle Systempartner.   

Und die Strukturen? Die Frage ist, wie Leistungen angepasst werden, sodass die Menschen trotzdem keine schlechtere Versorgung bekommen. Man muss auch schauen, welche Leistung man wo anbietet. Sinnvoll und ausbaufähig sind etwa Kooperationen bei MRT zwischen Spitälern und dem niedergelassenen Bereich. Ich bin deshalb auch ein Fan der Bundes-Zielsteuerungskommission, wo man gemeinsam mit Ländern und Krankenkassen das Gesundheitssystem plant und fragt, was man braucht. Hier kann man wirklich intelligente Dinge machen, die nicht mehr kosten, sondern das System verbessern. Gleichzeitig müssen wir die Menschen mitnehmen und ihnen sagen, „ihr bekommt nicht weniger Leistung, sondern mehr Qualität“. 

Das wird auch Geld kosten. Wie wollen Sie die künftige Finanzierung gestalten? Seit 20 Jahren gibt es keine Erhöhung der Beitragssätze in der Krankenversicherung, während die Ausgaben der Kassen steigen. Es gibt jetzt die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge bei den Pensionist:innen und die Erhöhung der E-Card-Gebühr. Das Geld soll aber nicht zum Stopfen von Löchern verwendet werden, sondern um Leistungen zu erhalten und auszubauen. Man wird überlegen, wie man die finanziellen Ressourcen einsetzt, damit sie bei den Menschen ankommen. Wir haben deshalb umgekehrt eine Deckelung der Arzneimittelobergrenze – wo zudem nicht rezeptgebührenpflichtige Medikamente eingerechnet werden. Das soll die Erhöhung abfedern. Eine generelle Erhöhung wollen wir nicht. Wenn aber alle Außenstände, die Unternehmen bei der Krankenversicherung haben, bezahlt werden, würde das auch helfen. 

Alle reden von Prävention. Wo sollen Präventionsschwerpunkte liegen und wie sollen sie ausgebaut werden? Wichtige Punkte sind etwa die Ernährung, die Bewegung – die Gesundheitskompetenz der Österreicherinnen und Österreicher muss gestärkt werden. Für mich ist die Frauengesundheit ein wichtiges Thema und wenn man von Prävention spricht, dann kommt man um das Impfen nicht herum. Neben bereits existierenden, kostenlosen Impfprogrammen für Kinder- und Jugendliche soll auch jenes für Erwachsene ausgebaut und neben der Grippeimpfung schrittweise um weitere wichtige Immunisierungen ergänzt werden.  

Immer wieder hören wir, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen ein Schlüssel sein soll: Welche Rolle soll die Telemedizin spielen, wie soll sie ausgestaltet sein? Das ist ein ganz ein wichtiger Teil und wird eine wichtige Ergänzung werden. Ich bin aber überzeugt, dass die Telemedizin face to face-Medizin nicht ersetzen kann. Sehr wohl ist sie aber etwa bei der Betreuung bei chronischen Erkrankungen sinnvoll. Digitale Unterstützungen mit ELGA und 1450 werden Gewicht bekommen und Gesundheitsberufe auch bürokratisch entlasten. Die Gesundheitshotline 1450 soll die Drehscheibe – sozusagen das Gesundheits-Navi – werden und die Patientinnen und Patienten dorthin leiten, wo sie das beste medizinische Angebot erhalten. In den Bundesländern gibt es dazu bereits zahlreiche erfolgreiche Ansätze. Jetzt geht es darum, diese zu bündeln und einen bundeseinheitlichen Standard zu schnüren. Wichtig ist jedenfalls, dass die 1450 als Hotline 24/7 kostenlos und niederschwellig zur erreichbar ist. (Das Interview führte Martin Rümmele)