Mitralklappeninsuffizienz: Studie zeigt unterschätztes Risiko

Das Auftreten eines Herzklappenfehlers wurde bisher bei Patienten mit chronischer Herzschwäche unterschätzt und selten behandelt. Das zeigt eine in Wien durchgeführte Studie, die nun im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht worden ist.

Die Mitralklappeninsuffizienz wurde bisher häufig als Voranschreiten der Herzschwäche, aber nicht als eigene, behandelbare Erkrankung interpretiert. Die Mitralklappeninsuffizienz ist ein Herzfehler, bei dem die Herzklappe zwischen der linken Vorkammer und der linken Hauptkammer undicht ist. Bei jedem Herzschlag kommt es zum Rückfluss von Blut. Typische Symptome einer Mitralklappeninsuffizienz sind ein zunehmender Leistungsabfall, vermehrte Atemnot bei körperlicher Belastung und Wassereinlagerungen in der Lunge und in den Beinen, berichtet die Studie der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Universitätsklinik für Innere Medizin II von AKH Wien und MedUni Wien.

Oft steht die Mitralklappeninsuffizienz auch mit Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern in Zusammenhang. Die Erkrankung hat eine deutliche Reduktion der Lebenserwartung und häufige Spitalseinweisungen zur Folge. Besonders gefährlich und besonders häufig ist die Erkrankung bei Patienten mit einer chronischen Herzschwäche. Das zeigen die aktuellen Studienergebnisse einer Arbeitsgruppe um Philipp Bartko und Georg Goliasch. Die Arbeitsgruppe wertete Daten von über 13.000 Patienten aus, die die Kriterien für eine Herzinsuffizienz erfüllen und bei denen zwischen 2010 und 2020 ein Herz-Ultraschall an der Klinischen Abteilung für Kardiologie von AKH Wien und MedUni Wien durchgeführt wurde. Mittels Herz-Ultraschall könne die Mitralklappeninsuffizienz gut und einfach erkannt werden. Die Arbeitsgruppe stellte einen Zusammenhang zwischen der Patientensterblichkeit und der Mitralklappeninsuffizienz fest.

„Bisher wurde die Mitralklappeninsuffizienz häufig als Voranschreiten der Herzschwäche, nicht als eigene, behandelbare Erkrankung interpretiert. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Mitralklappeninsuffizienz bei Patienten mit chronischer Herzschwäche viel häufiger als bisher angenommen auftritt und dass sich diese besonders ungünstig auf die Langzeitprognose der PatientInnen auswirkt“, sagt Georg Goliasch. Die Studienergebnisse wurden im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht und geben den Anstoß, neue Wege in der Diagnose und Therapie zu gehen. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Mitralklappeninsuffizienz auch bei Patienten mit chronischer Herzschwäche nicht als vorangeschrittene Herzschwäche, sondern als eigene Erkrankung interpretiert und behandelt werden sollte“, sagt Philipp Bartko.

Dass die Mitralklappeninsuffizienz bisher selten als eigene Erkrankung behandelt wurde, hängt mit den Therapieoptionen zusammen. „Bis vor wenigen Jahren war die einzige Behandlungsmöglichkeit einer Mitralklappeninsuffizienz die offene Herzoperation. Für Patientinnen und Patienten mit einer chronischen Herzschwäche ist das Risiko eines derartigen Eingriffs erhöht“, betont Bartko. In den vergangenen Jahren wurden aber neue schonende Therapiemöglichkeiten entwickelt, die auch jenen Menschen eine Behandlung ermöglichen, deren Herzklappenerkrankung zuvor nicht oder nur mit erhöhtem Risiko behandelbar war. Die Studienergebnisse der Arbeitsgruppe weisen darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, an einem Herzklappenfehler zu erkranken, mit zunehmendem Alter steigt. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung der Allgemeinbevölkerung geht Goliasch daher auch von einer Zunahme der Erkrankung in naher Zukunft aus.

Studie: https://www.bmj.com/content/373/bmj.n1421