Nach VfGH-Urteil: Regierung repariert Kassenreform

© Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Fast fünf Jahre hat es gedauert, bis sich die Regierung auf eine Reparatur einiger Punkte der Kassenreform einigen konnte. Jetzt passierten die Änderungen den Sozialausschuss, bei wichtigen Punkten bremst die ÖVP aber noch.

„Eine Reihe kleinerer Änderungen im Sozialversicherungsrecht bringt eine von den Regierungsfraktionen beantragte Sammelnovelle, die heute im Sozialausschuss mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS mehrheitlich angenommen wurde“, berichtet Mittwoch-Nacht die Parlamentskorrespondenz. Hinter den „kleineren Änderungen“ verbirgt sich die Reparatur der Kassenreform. So ist geplant, verschiedene Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs aus den Jahren 2019 und 2021 in das ASVG und andere Sozialversicherungsgesetze einzuarbeiten und Adaptierungen beim Rehabilitationsgeld vorzunehmen. Die Oppositionsparteien kritisierten, dass durch die Vorlage eines Initiativantrags kein Begutachtungsverfahren zu den Änderungen möglich sei.

Die Sammelnovelle im Sozialversicherungsrecht sieht unter anderem vor, dass ein bestehender Anspruch auf Rehabilitationsgeld künftig nicht nur bei der Zuerkennung einer Invaliditätspension enden wird, sondern auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine reguläre Alterspension. Überdies wird bei den gesetzlichen Bestimmungen zur Witwen- und Waisenpension der seit 2019 möglichen gleichgeschlechtlichen Ehe Rechnung getragen. Eine Härtefallregel soll sicherstellen, dass Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen Behinderung nur eingeschränkt geschäftsfähig sind, eine ihnen zustehende Waisenpension im Falle eines verspäteten Antrags auch dann nachgezahlt bekommen, wenn der Versicherungsfall vor Juli bzw. August 2018 eingetreten ist.

Auch verschiedenen VfGH-Erkenntnissen zur Sozialversicherungsreform – etwa in Bezug auf den Überleitungsausschuss und auf Aufsichtsrechte – wird Rechnung getragen. Zudem wird die Kontrolle der Kassen durch das Sozialministerium gelockert. So hatte der Rechnungshof die Bestimmung aufgeboben, dass Beschlüsse deren finanzielle Auswirkungen ein Ausmaß von 10 Millionen Euro innerhalb eines Kalenderjahres oder innerhalb von fünf Kalenderjahren übersteigt, der Aufsicht des Ministers unterliegen. Jetzt heißt es: Der Sozialminister „hat nach Anhörung des Dachverbandes und nach Abstimmung mit dem Bundesminister für Finanzen Weisungen zu erlassen für die Rechnungsführung inklusive Gebarungsvorschau, die Rechnungslegung sowie die Erstellung des Jahresvoranschlages und des Jahresberichtes sowie für die statistischen Nachweisungen.“ Als verfassungswidrig aufgehoben wurde auch die Bestimmung, wonach die Aufsichtsbehörde die Beschlussfassung von Sozialversicherungsorganen zu bestimmten Tagesordnungspunkten vertagen lassen kann sowie dass das Zielsteuerungssystem der Sozialversicherungsträger dem Weisungsrecht des Bundesministers unterliegt.

Nach wie vor offen ist die Entsendung der Mitglieder der Verwaltungskörper der BVAEB. Die Kassenzusammenlegung von ÖVP und FPÖ sah hier vor, dass insbesondere in die Verwaltungskörper der BVAEB die Dienstnehmervertretung von der damaligen Sozialministerin auf Vorschlag des ÖGB im Einvernehmen mit der in Betracht kommenden Gewerkschaft zu entsenden war. Hintergrund war die Fusion der von roten Eisenbahnern geprägten VAEB mit der von schwarzen Beamten geprägten BVA. Durch die Fixierung der Sozialministerin gab es in der BVAEB eine schwarze Mehrheit. Der VfGH argumentierte allerdings, dass der Sozialministerin keine demokratische Legitimation zukomme, Dienstnehmerinteressen zu vertreten. Die Folge wäre gewesen, dass nicht nur die Mehrheit im Verwaltungskörper und der Vorsitz der BAVEB gekippt wäre, sondern es auch relevante Verschiebungen in der Konferenz der Sozialversicherungsträger – dem zentralen Gremium im Dachverband gegeben hätte. Die Änderung ist bis heute offen. Und soll es auf Druck der ÖVP bis zur Neubestellung der Gremien, die in den kommenden Monaten ansteht, auch bleiben. (rüm)