Neue Erkenntnisse zu Post- und Long-Covid

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Eine neue Studie der Berliner Charité zeigt mögliche Ursachen von Long-Covid und neurologischen Symptomen nach einer Corona-Infektion.

Kopfschmerzen, Gedächtnisprobleme oder Fatigue sind nur einige der neurologischen Beeinträchtigungen, die während und auch nach einer Corona-Infektion auftreten können. Wie die Symptome verursacht werden, war bisher nicht klar, eine Studie der Berliner Charité zeigte nun aber einen Zusammenhang zwischen neurologischen Problemen und einer starken Immunreaktion des Körpers. Im Zuge der Untersuchungen stellen die Forschenden fest, dass das Coronavirus die Nervenzellen im Gehirn nicht direkt angreift, aber: „Einige Nervenzellen reagieren offenbar auf die Entzündung im Rest des Körpers“, sagt Christian Conrad, Leiter der Arbeitsgruppe Intelligent Imaging am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH). Die Zellen fuhren beispielsweise den sogenannten Interferon-Signalweg hoch, der typischerweise im Zuge einer viralen Infektion aktiviert wird. „Diese molekulare Reaktion könnte die neurologischen Beschwerden von COVID-19-Betroffenen gut erklären. Zum Beispiel können Botenstoffe, die diese Zellen im Hirnstamm ausschütten, Fatigue verursachen. Denn im Hirnstamm liegen Zellgruppen, die Antrieb, Motivation und Stimmungslage steuern“, erklärt Conrad, der die Studie zusammen mit Helena Radbruch leitete. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachmagazin Nature Neuroscience* veröffentlicht.

Die reaktiven Nervenzellen fanden sich hauptsächlich in den sogenannten Kernen des Vagusnervs, also Nervenzellen, die im Hirnstamm sitzen und deren Fortsätze bis in Organe wie Lunge, Darm und Herz reichen. „Vereinfacht interpretieren wir unsere Daten so, dass der Vagusnerv die Entzündungsreaktion in unterschiedlichen Organen des Körpers ‚spürt‘ und darauf im Hirnstamm reagiert – ganz ohne eine echte Infektion von Hirngewebe“, resümiert Radbruch. „Auf diese Weise überträgt sich die Entzündung gewissermaßen aus dem Körper ins Gehirn, was dessen Funktion stören kann.“ Die Nervenzellen reagieren dabei nur vorübergehend auf die Entzündung, wie ein Vergleich von Menschen zeigte, die entweder während der akuten Corona-Infektion oder erst mindestens zwei Wochen danach verstorben waren. Am stärksten ausgeprägt während der akuten Erkrankung, normalisierten sich die molekularen Veränderungen anschließend wieder – jedenfalls in den allermeisten Fällen. „Wir halten es für möglich, dass eine Chronifizierung der Entzündung bei manchen Menschen für die oft beobachteten neurologischen Symptome bei Long COVID verantwortlich sein könnte“, sagt Christian Conrad. Um dieser Vermutung weiter nachzugehen, plant das Forschungsteam nun, die molekularen Signaturen im Hirnwasser von Long-COVID-Patient:innen genauer zu untersuchen.

Für die Studie analysierte das Forschungsteam verschiedene Bereiche des Gehirns von 21 Menschen, die aufgrund einer schweren Corona-Infektion im Krankenhaus, zumeist auf der Intensivstation, verstorben waren. Zum Vergleich zog es neun Patient:innen heran, die nach intensivmedizinischer Behandlung anderen Erkrankungen erlegen waren. Dass in einigen Fällen das Erbgut des Coronavirus im Gehirn nachgewiesen werden konnte, liegt laut Wissenschaftler:innen daran, dass Immunzellen das Virus im Körper aufgenommen haben und ins Gehirn gewandert sind. (kagr)

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