RELATUS IM DIALOG: Steinhart vers. Kobinger – Aut idem aus zwei Blickwinkeln

Die Ankündigung von Gesundheitsminister Anschober im RELATUS-Interview, über eine Wirkstoffverschreibung diskutieren zu wollen, hat für Aufsehen gesorgt. Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart und Apothekerkammer-Präsidiumsmitglied Gerhard Kobinger zeigen im Dialog ganz unterschiedliche Einschätzungen.

Dr. Johannes Steinhart ist Vizepräsident in der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammer für Wien sowie jeweils Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte.

Die von Bundesminister Rudolf Anschober aufs Tapet gebrachte Wirkstoffverschreibung bringt die Patientensicherheit in Gefahr. Rezeptierungen dürfen aus gutem Grund nur Ärztinnen und Ärzte leisten. Die Aut idem-Regelung, die besagt, dass Apotheker ein anderes als das vom Arzt namentlich verordnete, aber wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben dürfen, bringt nämlich mehrere große Sicherheitsprobleme mit sich. Apotheker wissen nichts vom Patienten, welche Unverträglichkeiten oder andere Probleme er hat. Die Wirkstoffe von Original und Generikum mögen ident sein, aber es gibt durchaus wesentliche Unterschiede bei Füllstärke und Zusätzen. Die Einschätzung von möglichen Wechselwirkungen mit der Medikation der Patienten können Apotheker fachlich gar nicht leisten.

Darüber hinaus könnten ältere Personen völlig unnötig verunsichert werden, wenn sie nicht ihre gewohnten Medikamente erhalten und womöglich ständig wechselnde Medikamente bekommen. Das führt auch zur Gefährdung der Patienten. Aut idem ist vor allem eine Ermöglichung der einfacheren Lagerhaltung für Apotheken und für einen günstigeren Einkauf. Dafür werden wir sicher nicht unsere ärztliche Prinzipien aufgeben. Statt medizinischer Aspekte würden dann der Lagerstand des Apothekers beziehungsweise die Interessen der Pharmariesen, in deren Eigentum ein guter Teil der Apotheken stehen, entscheiden, welche Medikamente ein Patient erhält. Hier sehen wir als Experten die Sicherheit der Patienten in Gefahr. Aut idem ist weder für Patienten, noch für Ärzte, noch für pharmazeutische Unternehmen, noch für das solidarische Gesundheitssystem eine gute Lösung. Man sollte diese nicht empfehlen.

Viel besser wäre ein elektronisches System innerhalb der Arztsoftware, das mit den Informationen über Lieferprobleme beim BASG koppelt ist. Gibt es ein Problem, scheint das bei der Verschreibung eines Medikamentes auf und wo es einen roten Punkt gibt werde ich es nicht aufschreiben, sondern gleich ein anderes passendes Produkt wählen. Darüber wurde bereits vor einem Jahr diskutiert und das gehört weiter forciert. Ein einfaches Tool, das man bei den Ärzten einspielt, wäre hervorragend. Es verhindert auch Verunsicherung bei den Patienten. Generell sollten alle Stakeholder ein besseres Konzept entwickeln und auch ein sinnvoller Generikaeinkauf bei den Kassen stattfinden. Wenn wir so viele Generika haben, wird es einfach schwierig.


Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger ist Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer und Apothekerkammerpräsident der Steiermark.

Mit großem Erstaunen habe ich die Meinung und Stellungnahmen von Ärztekammerpräsident Dr. Szekeres und Vizepräsident Dr. Steinhart zum Thema der Wirkstoffverschreibung, die pharmazeutischen Grundlagen und deren Hinderungsgründe gelesen. Eine der wichtigsten Fragen, die ich mir seither stelle, ist: „Was bitte ist die Füllstärke?“ Und welche Unterschiede sehen die beiden ärztlichen Universalgelehrten in der nicht existierenden „Füllstärke“, Generika betreffend? Ich möchte hiermit festhalten: Der Terminus „Füllstärke“ findet sich in der ganzen Galenik nicht. Es ist zwar nicht verwunderlich, dass die beiden Ärzte das nicht wissen, denn schließlich findet sich Galenik nicht in deren Curriculum. Ich stelle mir aber ernsthaft die Frage, warum Ärzte sich hier als Experten ausgeben, Apotheker, die das von Grund auf lernen, aber nicht gefragt werden? Und von welchen „Zusätzen“ sprechen die beiden? Als Pharmazeut hatte ich im Studium das Diplomprüfungsfach „Arzneiformenlehre“, wo diese Hilfsstoffe (von Füllstoff, Gleitmittel, Formentrennmittel bis zum Fließregulierungsmittel, Trockenbindemittel und Sprengmittel etc.) samt Einsatzgebiet und Auswirkung auf die Phamakokinetik behandelt wurden. Warum habe ich trotz einschlägigem Studium dabei keine Expertise, Mediziner ohne entsprechende Ausbildung aber schon?

Fragen über Fragen. Im Endeffekt wird’s wohl darauf hinauslaufen, dass Apotheker in den Augen einiger weniger Ärztekammerfunktionäre nur nutzlose Störenfriede sind, die die Einnahmenquellen der Ärzte beschneiden. Mehr wissen sie von unserer Ausbildung nicht. Die vielen Ärzte in Spital und Niederlassung, mit denen wir Gott sei Dank zum Wohle der Bevölkerung und auf Augenhöhe tagtäglich bestens zusammenarbeiten, schätzen unsere Expertise und nützen sie im Sinne der Therapiesicherheit. Viele verstehen ihre eigene Standesführung nicht. Ich verstehe diese Art der Standespolitik auch nicht mehr. Diese Zeilen sind ein wenig polemisch, ich weiß. Aber die Aussagen von Szekeres und Steinhart sind es auch. Zudem noch verletzend und ignorant. Warum sie das notwendig haben, weiß ich nicht.

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